30 November 2017

Tanja Kinkel und Grimms Morde

Damit ich mal mitbekomme, wie das »die echten Profis« bei ihren Lesungen machen, war ich am Mittwoch, 29. November 2017, im Regierungspräsidium in Karlsruhe. Im Rahmen der Bücherschau stellte die Autorin Tanja Kinkel ihren Roman »Grimms Morde« vor. Wir kennen uns seit einigen Jahren, wir haben auch schon zusammengearbeitet, und ihr neues Buch klingt sehr interessant.

Nach Angaben der Veranstalter waren rund 70 Personen im Buch-Café anwesend. Die Autorin wurde kurz vorgestellt, dann trug sie ein Gedicht vor, das auf die Märchenwelt der Brüder Grimm einstimmte. Danach begann sie mit der eigentlichen Lesung – diese bestand aus drei Szenen aus ihrem Roman.

In der ersten Szene schilderte sie die Konfrontation eines der beiden Grimms mit der örtlichen Polizei. Die zweite Szene führte das Geschwisterpaar Jenny und Annette von Droste-Hülshoff in die Handlung ein. Die dritte Szene fügte weitere Figuren hinzu. Die Szenen waren spannend, teilweise auch witzig.

Wie Tanja Kinkel erläuterte, hatte sie für das Buch eineinhalb Jahre lang recherchiert – das macht sie aber immer – und ein halbes Jahr lang geschrieben. Viele Elemente der Handlung entstammten der Wirklichkeit, aber natürlich hatte sie vieles erfunden; es ist ja auch ein Roman. Sie verwies auf die drückende politische Stimmung im Jahr 1821, in der in Kassel der Obrigkeitsstaat zu voller Blüte erwachte.

Nach der Lesung beantwortete die Autorin noch einige Fragen aus dem Publikum, bevor die Signierstunde anfing. Dabei ergaben sich weitere kleine Gespräche mit den Besuchern der Lesung, die allesamt einen zufriedenen Eindruck machten. Auch ich ging mit dem festen Willen, dieses Buch unbedingt lesen zu wollen.

Ich lese in Stuttgart aus meinem Roman

Die Science-Fiction-Freunde Stuttgart sind eine schon ehrwürdige Vereinigung von Science-Fiction-Fans; der Stammtisch der Gruppe trifft sich regelmäßig. Am Freitag, 1. Dezember 2017 – also morgen!!! – bin ich dort zu Gast. Man hat mich sowohl als Redakteur wie auch als Autor eingeladen.

Wie es aussieht, werde ich zuerst aus meinem Fantasy-Roman »Das blutende Land« vorlesen. Danach wird es wohl ein fröhliches Fragen-und-Antworten-Spiel geben, das sich unter anderem um meinen Beruf als Redakteur einer Raketenheftchenserie drehen wird.

Die Veranstaltung ist in Feuerbach, einem Ortsteil der schwäbischen Metropole, der ein wenig außerhalb liegt. Das Gasthaus mit dem verlockenden Namen »Der Föhrich« ist mir völlig unbekannt – das trägt alles dazu bei, dass ich tatsächlich ein wenig nervös sind. Schauen wir mal, wie das wird ...

29 November 2017

Verlagsarbeit mit Fantasiebuch

»Du arbeitest doch in einem Verlag.« So beginnen viele Gespräche, die dann schnell unangenehm werden. »Ich habe einen Gedichtsband geschrieben«, geht's in solchen Fällen gern weiter, »und den könntet ihr doch herausbringen.« Mein bescheidener Hinweis, wir würden in meinem Bereich vor allem buntbedruckte Raketenheftchen veröffentlichen, hilft leider selten.

Schön ist aber, wenn einen Menschen auf vergleichbare Themen ansprechen, von denen man glaubt, sie seien »vom Fach«. Dann wird man eben gefragt, so im aktuellen Fall, ob man dem »Sohn eines Freundes« weiterhelfen könne. Dieser sei nämlich jetzt unter die »ernstzunehmenden Fantasie-Autoren« gegangen – und genauso wurde das geschrieben – und suche einen Verlag.

Der ernstzunehmende Autor suchte nicht irgendeinen Verlag, sondern einen, der »epische und mit Tiefgang angelegte Fantasieliteratur« veröffentlichen wolle. Ich sei doch bestimmt in der Lage, hier entsprechende Kontakte herzustellen. »Nach all den Jahren kennst du sicher viele Leute.«

Ich war nach diesem Vorschlag eine Weile lang zutiefst beeindruckt, dann eierte ich herum. Wir könnten so etwas nicht selbst veröffentlichen, und ich hätte derzeit auch keinen Liste mit Verlagen und Ansprechpartnern zur Hand; diese müsste ich zuerst zusammenstellen, und dazu hätte ich keine Zeit.

Der junge Mann möge doch einfach in eine Buchhandlung seines Vertrauens gehen, dort mal schauen, was es an Fantasy gebe, dann die entsprechenden Verlage herausschreiben und auf eigene Faust weitersuchen. So garstig war ich zu dem Menschen, der mich angesprochen hatte.

Falls ich also jetzt den nächsten »Harry Potter« von der Bettkante geschubst oder aus dem Büro geworfen habe, tut's mir schrecklich leid. Aber einer von den vielen Fantasiebuchverlegern, die ich kenne, wird womöglich bald freundliche Post bekommen. Soll er oder sie doch einfach alle Bestseller-Ehrungen selbst einstecken, wenn ich zu doof dafür bin!

28 November 2017

Krawehl kommen echt aus Bielefeld

Aus Bielefeld stammt die Band Krawehl, die sich offenbar nach einem schon klassischen Loriot-Begriff benannt hat. Ob man damit Bildungsbürgertum signalisieren will, ist mir nicht klar – aber bei so einem Begriff ordnet man so eine Band doch gleich in die Kiste mit »Intelligenz-Punk« ein. (Bekanntlich hatte das Demo-Tape von ... but alive vor gut zwanzig Jahren den Titel »Krawehl, krawehl« ...)

Egal. Die Band ist gut. Die vier Herren spielen seit 2009 zusammen, brachten schon zwei Tonträger heraus und legten im Mai 2017 eine erste »große« Platte vor, die einfach nur »Krawehl« heißt. Wer die dann in die Schublade mit Emopunk einlegt, tut der Band sicher nicht unrecht. Die Gitarren klingen emomäßig, die Texte sowieso.

Aber der Gesang – der ist definitiv anders. Der Sänger brüllt geradezu, trotzdem klingt das alles sehr melodisch. Vor allem bei Textzeilen wie »ihr kotzt mich an« wirkt das wütend und deutschpunkig, nicht gerade intellektuell-emomäßig, und das finde ich dann echt sympathisch.

Hört man genauer hin, werden die Texte eh besser. Sie behandeln in oftmals sarkastischer Weise allgemeine Themen, greifen bei »Déjà vu« auch mal die Interna der Punkrock- und Independent-Szene an und zeugen insgesamt von eigenen Köpfen.

Zum Brüllgesang bollern das Schlagzeug, die im Hintergrund singenden Musiker sorgen für eine gute Untermalung, der Sound ist schnell und intensiv. Das gefällt mir sehr gut, das ist Emo mit Druck und Emotion, kein Geheule – stark!

Die wahren Monster sind Menschen

Belford ist eine typische amerikanische Kleinstadt. Die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, die Jugendlichen stromern auf der Straße herum, es herrschen Sauberkeit und Ordnung. In dieser Welt wohnen der 14 Jahre alte Toby und sein Freund Frankie, die mitten in der schlimmsten Pubertät stecken: Sie reden in coolen Sprüchen über Mädchen und Musik, trinken erstmals Alkohol und träumen davon, endlich erwachsen zu werden.

So harmlos beginnt der Roman »Der Schmerz des Erwachens«, den der kanadische Schriftsteller Brett McBean verfasst hat. Veröffentlicht hat ihn der Festa-Verlag, seit bald drei Jahrzehnten ein Garant für Phantastik-Literatur aller Art. Zuletzt brachte der Verlag viele Romane heraus, die »extrem hart« waren, sprich, sehr gewalttätig – dieser Roman erinnert eher an die frühen Werke von Stephen King, in denen der Horror sehr langsam in eine Kleinstadt zieht und die schlimmsten Monster eigentlich die Menschen sind.

Das muss auch der Held der Geschichte lernen. Toby ist sich über seine Gefühle unsicher, er macht ungern bei den groben Späßen seiner Kumpels mit. Er findet den dunkelhäutigen Nachbarn zwar irgendwie seltsam, möchte aber nicht den rassistischen Hass übernehmen, den viele junge Leute in der Kleinstadt auf den geheimnisvollen Mann richten. Gleichzeitig ist Toby heillos in ein hübsches Mädchen aus der Schule verliebt, ohne »ernsthafte Schritte« in die richtige Richtung zu unternehmen.

Der Autor schafft es, aus dieser Teenager-Geschichte einen phantastischen Roman zu entwickeln. Langsam taucht der Horror auf, es gibt Verbindungen zu Haiti und zu alten Voodoo-Geheimnissen, und Toby muss bald erkennen, wie viele Dinge zusammenhängen. Er wird von Unbekannten brutal verprügelt, es kommt zu hasserfüllten Schmierereien an Hauswänden – in solchen Sequenzen erinnert die Beschreibung der amerikanischen Kleinstadt übrigens durchaus an die Entwicklung in manchen bundesdeutschen Städten der vergangenen Jahre ...

Brett McBean hat einen spannenden Roman geschrieben, der tatsächlich auch politische Inhalte transportiert. Es geht immer wieder um Rassismus und Menschenhass, gegen die der Autor die Menschlichkeit und die Freundschaft setzt. All das wird von ihm allerdings sehr zurückhaltend präsentiert, auf einen erhobenen Zeigefinger verzichtet er.

»Der Schmerz des Erwachens« wird geradlinig erzählt, die Perspektive ist immer eindeutig. Man fühlt als Leser mit Toby, man wird mit ihm erwachsen. Auf brutale Szenen verzichtet der Autor, das finde ich angenehm (manche Titel aus dem Festa-Verlag sind mir zu effekthascherisch und blutig); der Grusel wird in einer ruhigen Art vermittelt.

Ich las das Buch mit wachsender Spannung, nachdem es mich vom Anfang an in seinen Bann gezogen hatte. Einige Schlampereien in der Übersetzung störten am Anfang, die ich aber bald ignorieren konnte. Wer auf Horror-Romane steht, wie sie Stephen King etwa in den 80er-Jahre veröffentlichte, sollte »Der Schmerz des Erwachens« zumindest mal antesten.

Das Buch ist als Sammlerausgabe erschienen, limitiert auf 666 Exemplare, die auch nummeriert sind – ich habe die Nummer 145. Autogramme des Autors sowie des Illustrators Fabian Fröhlich zieren es zudem. Entsprechend hochpreisig ist das Buch, und man kann es nur direkt beim Verlag kaufen. Ich fand aber, dass es das Geld wert ist; es ist im Bücherregal auf jeden Fall ein Schmuckstück.

Erschienen ist der Roman im Herbst 2015, er umfasst 576 Seiten und kostet 39,99 Euro. Weitere Informationen sowie eine Leseprobe gibt's auf der Internet-Seite des Festa-Verlages.

27 November 2017

Was war im November 2007?

Schaue ich zehn Jahre zurück, wird mir wieder klar, wie widersprüchlich mir der November 2007 vorkommt. Ich flog für eine Woche nach Spanien; ich wollte Sonne tanken und an meinem Thriller weiterschreiben. Dann kam leider einiges ganz anders ... Ich versuche den Rückblick anhand meines Blogs.

Am 18. November schrieb ich unter »Im Urlaubergebiet« – immer in dem kleinen Internet-Café um die Ecke sitzend – einen allgemeinen Bericht über die Gegend, in die es mich verschlagen hatte. Ich hatte mir ein Hotel ausgesucht, das zwischen anderen Hotels und entsprechenden Restaurants stand; alles sehr touristisch.

»Ein bisschen Alltagsrassismus« fiel mir am 19. November auf. Ich bin sicher, dass man in dieser Gegend heute dieselben Beobachtungen machen kann.

Ich bummelte viel durch die Gegend, schrieb dann nicht so viel, wie ich wollte. Das Hotelzimmer war auch nicht dazu geeignet. Ein wenig jammerig schrieb ich am 20. November dann »Zwischen zwei Städten«.

Unter »Nicht unfleißig« brachte ich am 21. November einige Gedanken zu meiner Schreiberei zu Papier. Na ja, ich tippte sie natürlich in den Computer – aber das mit dem Papier klingt halt einfach besser.

In einer Urlauberhochburg gibt es auch Diskotheken und anderer Kram. Ich ignorierte das alles, bekam aber genug  »Wildes Nachtleben« mit und schrieb darüber.

Was es über »Englische Sitten und Gebräuche« zu sagen gibt, hätte ich vor meinem Aufenthalt in Spanien auch kaum sagen können. Am 23. November schrieb ich – hoffentlich augenzwinkernd genug – von einer seltsamen Begegnung in der Nacht.

Und dann sah ich Produkte des Verlages, für den ich arbeite! Das erschütterte mich so, dass ich den kurzen Text »Ein Gefühl von Heimat« darüber verfasste. Kurz darauf war auch schon der einwöchige Urlaub vorüber ...

26 November 2017

Ein verwirrender Arbeitstag

Wo zum Teufel war denn eigentlich mein Büro? Ich stand im Eingang des Verlagsgebäude und fühlte mich völlig orientierungslos. Autos hielten auf dem Parkplatz, Leute eilten an mir vorüber. Einige kannte ich, die meisten hatte ich noch nie gesehen. Dabei wollte ich nach dem langen Wochenende doch nur wieder an meine Arbeit gehen.

Im Eingangsbereich sprach ich jemanden an. Ob er denn wisse, wohin ich denn müsse? Er schaute mich verwirrt an, dann sagte er: »Du bist doch jetzt auch im Großraumbüro.« Er wies zur Druckerei. »Dort hinten, im neuen Gebäude natürlich.«

Schemenhaft erkannte ich ein großes Gebäude, viel Glas, viel Metall, das ich nicht wahrgenommen hatte. Ich nickte. Jetzt fiel mir alles wieder ein. Ich bedankte mich hektisch und eilte los.

Als ich an der Druckerei vorbeikam, erkannte ich wieder niemanden. Einige Männer in dunklen Anzügen standen mit zwei Druckern zusammen, die ihre roten Latzhosen anhatten. Was wollten die Männer im Anzug denn hier? Einer von ihnen nickte mir zu, als ich vorüberging, aber ich reagierte nicht darauf. Was machten sie hier?

Das Großraumbüro erkannte ich sofort. Dutzende von Schreibtischen in einem riesigen Saal, überall Leute, die durcheinander liefen, die telefonierten oder auf ihren Computern herumtippten. Smartphones und Tablets lagen bereit, Regale gab es keine mehr. Ich stand im Eingangsbereich und wusste nicht, wohin ich sollte.

Mühsam frage ich mich zu meinem Arbeitsplatz durch: ein nackter Schreibtisch, keine Unterlagen, nur ein Computer, der immerhin angeschlossen war, keine Kollegen in der Nähe, die ich etwas fragen konnte. Ich saß da, schwitzte, fühlte mich völlig verunsichert. Als ich in diesem Augenblick aufwachte, kam es mir wie eine Erlösung vor.

25 November 2017

Eine Stunde in der Schreibnacht

Bis vor wenigen Wochen wusste ich nicht, was die Schreibnacht ist. Ich hatte den Begriff zwar via Twitter schon wahrgenommen, hatte ihn aber für mich nicht einordnen können. Seit dem Freitagabend, 24. November, weiß ich mehr darüber; ich war nämlich ein »Special Guest«.

Bei der Schreibnacht handelt es sich – grob gesprochen – um ein Online-Forum für Menschen, die gerne Geschichten und Romane verfassen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen. Die 16 Jahre alte Schülerin ist ebenso dabei wie die erfahrene Lektorin. Diskutiert wird im Forum, man gibt sich Ratschläge oder tauscht sich über Ideen aus.

In regelmäßigen Abständen gibt es dann die wirkliche Schreibnacht. Zu einem bestimmten Termin versuchen die Autorinnen und Autoren, dann in dieser Nacht zu schreiben. Damit sie das nicht allein machen müssen, vernetzen sie sich im Forum – dort tauschen sie aufmunternde Sätze aus, posten Fotos oder schreiben auch darüber, welche Probleme sie akut haben.

Solche Online-Schreibgruppen halte ich für sinnvoll, vor allem dann, wenn die Leute darin gut zusammenwirken. Ich war von 20 bis 21 Uhr dabei, vom heimischen Schreibtisch in Karlsruhe aus. Als »Special Guest« sollte ich Fragen zu meiner Arbeit und zu meinem aktuellen Roman beantworten.

Anfangs war es ruhig, dann kam Frage auf Frage. Kaum hatte ich eine beantwortet, gab es gelegentlich eine Rückfrage oder einen weitergehenden Hinweis. Das machte mir großen Spaß, wenngleich es ein wenig anstrengend war. Nach einer Stunde hatte ich zwanzig Fragen beantwortet.

Was das jetzt gebracht hat? Ich hoffe, für die Schreibnacht-Interessierten, die ja auch heute und an den folgenden Tagen diese Fragen und Antworten anschauen können, gab es gute Einblicke in das Berufsleben eines Redakteurs. Und für mich? Ich lernte eine aktive Schreibgruppe kennen – so etwas hätte ich vor vielen Jahren sicher auch brauchen können. Schön!

24 November 2017

Eine Therme wie ein Raumschiff

Bad Aibling kannte ich bislang nur aus uralten Berichten: Hier wohnte in 60er-Jahren einer der Autoren, die für die Heftromanserie Pate standen, an der ich heute noch arbeite. Hier trafen sich Science-Fiction-Fans, hier wurden Grundlagen für die spätere Fan-Szene gelegt, von denen ich in den 80er-Jahren lernen konnte.

Und in Bad Aibling gibt es eine Therme. Sie ist schön, wenngleich nicht besonders groß – und eigentlich müsste man nicht unbedingt von Karlsruhe aus bis ins bayerische Alpenvorland fahren. Doch die Therme weist eine Besonderheit auf: Sie wird von großen Kuppeln beherrscht, die dem ganzen Ensemble tatsächlich den Charakter eines Raumschiffes geben.

Im Innern ist die Therme sauber und gepflegt; es gibt einen schönen Saunabereich, bei dem sich einige Einrichtungen auf »der anderen Seite« des Saunagartens befinden. Als ich mich dort aufhielt, herrschte teilweise ein kaltes Regenwetter vor.

Wenn ich dann vom Hauptgebäude aus in eine der außerhalb gelegenen Saunen gehen musste, nieselte es kühl auf mich herunter. Beim Gang zur Sauna fand ich das immer unangenehm. Ging ich dann zurück, aufgehitzt durch den Aufenthalt in neunzig Grad, war mir das Wetter völlig egal.

Aber ich genoss den Aufenthalt dort sehr. Ich las in aller Gemütsruhe einen Krimi, der im feuchtkalten England des 19. Jahrhunderts spielte – das gab eine schöne Übereinstimmung. Ich ließ mich durch das warme Wasser der Therme treiben, ich schwitzte in den unterschiedlichen Saunen und pennte bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit ein.

In den Science-Fiction-Kuppeln von Bad Aibling entspannte ich schön. Und das ist das wohl wichtigste, was ich dann heute über diese Stadt sagen kann ...

23 November 2017

Wir müssen in die Politik

Es war eines dieser Gespräche, die ich in jüngster Zeit öfter führte. Wir sprachen über Politiker und Parteien, ärgerten uns lautstark über die FDP und ihre Führung, steigerten uns in eine Wut auf die CSU und ihre Machenschaften hinein, gingen über zur CDU und ihrer wachsweichen Vorsitzenden, die sich aber wundersamerweise immer wieder durchsetzen kann, wehklagten über die SPD, die nicht sozialdemokratisch ist, und so weiter ...

Und dann sah sie mich an und sagte: »Leute wie wir müssen in die Politik. Wir ärgern uns nur, wir stänkern nur herum, aber wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir in eine Partei eintreten.« Nur dann könnten wir etwas ändern, alles andere sei doch verschwendete Zeit.

Ich starrte vor mich hin. Klar, sie hatte recht. Theoretisch funktioniert Demokratie ja so: Engagierte Bürger gehen in die Parteien, bringen sich ein und sorgen dafür, dass ihre Themen auf die Agenda kommen. So entstanden beispielsweise die Grünen – in der erstarrten Drei-Parteien-Republik der späten 70er-Jahre musste sich jemand finden, der sich für die Umwelt engagierte.

Aber jetzt? »Ich war schon einmal politisch aktiv«, sagte ich und verschwieg in diesem Fall meine Mitarbeit in der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands. »Ich war Juso, ich war bei der SPD, ich war in verschiedenen politischen Gruppen. Und es hat mich von Sitzung zu Sitzung mehr angeekelt.«

»Aber wenn das alle machen, gehen halt nur die Leute in die Politik, die auf solche Gremien und Diskussionen ernsthaft Lust haben.« Sie blieb stur. »Wenn man engagiert sein will, muss man sich auch engagieren, so einfach ist das.«

Unsere Diskussion endete bald, wir gingen nicht zu sehr ins Detail. Letztlich blieb es bei Konjunktivsätzen mit vielen »wir müssen« und »man sollte«. Ich sehe mich tatsächlich nicht in einer Partei; allein die Vorstellung lässt mich vor Grauen erzittern.

Aber das kann’s ja auch nicht sein …

22 November 2017

Ein »ordentlicher Roman«

Als »einen ordentlichen Roman im klassischen Gewand, allerdings ohne großartige Innovationen« bezeichnet die Seite »buchkritik.at« meinen Roman »Das blutende Land«. Die Rezension verfasste Alfred Ohswald, den ich nicht kenne; sie fällt recht zwiespältig aus, wobei der Rezensent allerdings die verschiedenen Seiten berücksichtigt.

Mit manchem Lob muss ich mich allerdings noch anfreunden. Bei »Erzähltechnisch gibt es auch wirklich kaum etwas auszusetzen« freue ich mich sehr.

Aber dann geht's mit den Einschüben los: Ich beherrsche das »durchaus« – also nicht so richtig – und mit »einem gewissen handwerklichen Können«, was ja ebenfalls nicht so richtig begeistert klingt.

Es ist also kein Verriss geworden, aber auch keine Lobeshymne. Ich glaube, damit kann ich dann doch ganz gut leben ...

21 November 2017

Schöne Aktion von Suhrkamp

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das mutig finden soll oder einfach nur »cool«: Der Suhrkamp-Verlag hat die Aktion »wiederentdeckt« gestartet. Was damit gemeint ist? Man bietet auf einen Schlag über 1500 Bücher neu an, die seit längerer Zeit verlagsvergriffen waren. Die sogenannte Backlist wird somit stark aufgewertet.

Warum ich das mutig finde? Es ist sehr aufwendig, eine sogenannte Backlist zu pflegen. Schließlich muss man ein Buch, das schon länger existiert, dafür mit einer gewissen Auflage drucken, legt es irgendwohin, wo es hoffentlich nicht kaputtgeht, und hofft dann, die gedruckte Auflage in einer vernünftigen Zeit verkaufen zu können.

Die Verkäufe sind meist eher gering, und so dauert es echt seine Zeit, bis so ein Backlist-Titel in den schwarzen Zahlen ist. Auf der anderen Seite bindet ein Verlag auf diese Weise viel Kapital: Die Bücher werden gedruckt, auch das Lager kostet Geld, und der Verkauf ist eher schleppend. Bis man also sagen kann, dass sich so ein »altes Buch« richtig lohnt, vergeht einfach einige Zeit.

Es gibt also ein Risiko bei den Verlagen. In jüngster Zeit betrachteten die meisten Verlagsleute und wohl auch Leser die E-Books als Ausweg aus der Misere – für diese muss man nicht für teures Geld drucken. Dass Suhrkamp jetzt bewusst sagt, dass sie kleine Auflagen drucken und sogar auf Print On Demand zurückgreifen, finde ich gut.

E-Books sind eine tolle Sache. Für Menschen, die aber gern ein schönes Buch in der Hand halten, ist diese Aktion ein positives Signal: Print lebt also doch!

20 November 2017

The Guilt und ihr grandioser Lazerpunk

Es gibt immer wieder Bands, die mich verblüffen und umhauen: The Guilt aus Schweden zählen dazu. Die Band schafft es tatsächlich, ihr gnadenloses Gebratze so zu servieren, dass ich durch die Wohnung oder durchs Auto springen möchte. Dabei sind es nur zwei Leute: die Sängerin Emma und der Gitarrist Tobias, die seit Dezember 2012 zusammenspielen.

Laut eigener Angabe wollten die beiden einfach laute und schnelle Musik fabrizieren, das nennen sie dann selber Aerobic-Lazerpunk, und so klingt es. Nach einer EP kam die erste längere Platte im Sommer 2017 raus; sie heißt schlicht »The Guilt« und enthält zehn Knaller zwischen Elektro und Punk, die mich echt begeistern.

Das ist ziemlich krachig und ziemlich großartig. Das Schlagzeug wummert – klar, es ist ein Drumcomputer – , die knallige Sängerin hat ein großes Stimmvolumen, der Gitarrist lässt sein Instrument mal kreischen, dann klingt es wieder punkrockig, dann kommen fast schon ruhige Töne, oder die Gitarre klingt wie ein Bass. Gelassen und abgeklärt ist da nichts.

Man muss sich vorstellen, dass der Disco-Sound der späten 70er-Jahre mit ein wenig Digital-Hardcore der 90er-Jahre und rabiatem Punkrock gekreuzt wird. Das Ergebnis ist wandlungsfähig und energiegeladen; ein extrem tanzbarer Sound zwischen Pogo und Disco-Gehüpfe. Großartig!

Eindrucksvoller Krimi-Blick nach Saudi-Arabien

Ich war nie in Saudi-Arabien. Meine Besuche in den Vereinten Arabischen Emiraten oder in Ägypten waren stets touristischer Natur – meine Informationen über arabische Sitten, Gebräuche und Staaten beziehe ich also aus den Medien, wie die meisten anderen Menschen auch. Deshalb fand ich den Roman »Totenverse« so spannend, den die amerikanische Autorin Zoe Ferraris verfasst hat.

Es ist der zweite Teil einer kleinen Krimi-Serie, die in Saudi-Arabien spielt. Ich kam aber gut in die Handlung rein; man muss nicht wissen, was im ersten Band passiert ist. Das liegt schlichtweg an den guten Figuren, die von der Autorin glaubhaft ausgestaltet und durch die Handlung geführt werden.

Der Roman beginnt damit, dass eine junge Frau am Strand von Dschidda gefunden wird. Als bekannt wird, dass sie eine Filmemacherin ist, liegt die Schlussfolgerung nahe: Sie wurde umgebracht, weil sie an einem zu westlich orientierten Filmprojekt mitwirkte. Das geht in einem streng muslimischen Land wie Saudi-Arabien offenbar nicht.

Die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen, was sich als schwierig heraussstellt: Ein Polizist kann eine Ausländerin nicht einfach verhören, er darf nicht einmal in das Haus einer unverheirateten Frau gehen. Für die junge Pathologin, die neben einem jungen Touristenführer die Hauptperson des Romans ist, sind all diese Zwänge allgegenwärtig und selbstverständlich.

Wie einengend die muslimischen Regeln sind, wird in dem Roman klar und eindeutig geschildert. Die Autorin wohnte einige Jahre in Saudi-Arabien, kennt sich also wirklich aus. Ich halte ihre Schilderungen eines Lebens zwischen Moderne und Altertum für glaubhaft und spannend, fast schon für spannender als den Kriminalfall und seine Auflösung.

Im eigentlichen Fall geht es um Moral und um den Koran, er behandelt muslimische Verse, die es eigentlich nicht geben dürfte und die viele Menschen verwirren. Das ist packend erzählt, klingt streckenweise wie ein großer, breit angelegter Gesellschaftsroman, bleibt aber immer klar in seiner Erzählweise.

»Totenverse« ist ein eindeutiger Krimi: Es gibt einen Fall, es gibt Detektivarbeit, und es gibt eine Lösung. Und es ist kein antiislamisches Werk; die Autorin zeigt die Schattenseiten des radikalen Islam und schildert das Leben mit den strengen Regeln, die in dieser Weltgegend üblich sind.

Die Einblicke in die arabische Kultur wirkten auf mich überzeugend. Wer einen ungewöhnlichen Krimi lesen möchte oder mehr über Arabien wissen will, ist hier an der richtigen Adresse. (Das Taschenbuch und das E-Book des Romans sind nach wie vor im Handel erhältlich.)

19 November 2017

Schneeflocken und Blähungen

Nachdem Kathrin Lange am zweiten Tag sehr eloquent und sehr klar ihre Arbeitsmethode »Plotten für Chaoten« vorgestellt hatte, mit der sich sicher ein Roman skizzieren und auch schreiben lässt, war ich am Sonntag mit einem Referat dran. Ich wollte darstellen, dass man mit der sogenannten Schneeflocken-Methode ebenfalls gut planen und schreiben kann – wobei diese Methode bei mir immer als Blähmethode bezeichnet wird.

Also erläuterte ich erst einmal, wie ich versucht hatte, meinen Fantasy-Roman »Das blutende Land« zu planen. Dabei stellte ich fest, wie schwierig es war, solche Abläufe – ich nicht verschriftlicht habe – den Außenstehenden zu erklären. Entsprechend zahlreiche waren die Zwischenfragen, auch deshalb, weil ich mich teilweise wohl unverständlich ausgedrückt hatte. Ich war hinterher ziemlich verschwitzt ...

Was ich an dieser Methode spannend finde, ist die Tatsache, dass man sehr früh mit dem Schreiben anfangen kann und nicht alles durchplanen muss. Der Roman wird grob skizziert, man kann dann auch an den unterschiedlichsten Stellen zu schreiben anfangen und ist beispielsweise auch recht frei darin, einzelne Handlungsblöcke zu formulieren – problematisch könnte aber schon sein, dass man viel nachplanen muss.

Wir verbrachten den Sonntag noch einmal mit intensiver Arbeit an den Romanen. Sowohl meine Mitdozentin Kathrin Lange als auch ich führten viele Einzelgespräche, die hoffentlich den jeweiligen Autorinnen und Autoren (es waren zwölf Frauen und vier Männer) weiterhelfen würden. Und als wir um 12.30 Uhr dann Feierabend hatten, fühlte ich mich gebührend geschlaucht ...

18 November 2017

Das Plotten stand im Zentrum

Der zweite Seminartag in Wolfenbüttel ist üblicherweise derjenige, der am längsten dauert und das anstrengendste Programm aufzuweisen hat. Das liegt schlichtweg daran, dass wir mehr Stunden zur Verfügung haben, in denen wir die Autorinnen und Autoren mit Theorie und Praxis vollstopfen können. Der heutige Samstag, 18. November, war hierfür wieder ein gutes Beispiel.

Nachdem wir gestern vor allem eingereichte Texte besprochen und ein Redaktionsgespräch geführt hatten, setzten wir morgens zuerst die Arbeit an den Texten fort. Die Teilnehmer hatten eine Szene aus ihrem jeweiligen Romanprojekt vorgelegt, dazu eine Handlungsübersicht sowie eine Liste mit Fragen und kritischen Punkten. Das konnten wir in den Gesprächen teilweise sehr gut diskutieren.

Kathrin Lange stellte nach dem Mittagessen ihre Methode vor, der sie den schönen Titel »Plotten für Chaoten« gegeben hat. Mit dieser Methode kann man in der Tat die Handlung eines Romans sehr gut entwerfen – man muss sich allerdings darauf einlassen. Nach einem Vortrag und einer Diskussionsrunde ging es an die eigentlichen Arbeiten.

Vor allem der Abend bestand für die Autorinnen und Autoren darin, mithilfe von Zetteln und Kartons, Pinnwänden und dicken Filzstiften das aufzuschreiben, was sie in ihrem Roman verwenden wollten. Kathrin und ich versuchten zu helfen, wo das möglich war; natürlich diskutierten die Teilnehmer auch untereinander.

Es herrschte eine sehr kreative Stimmung, die ich mochte und die mir viel Vergnügen bereitete. Ich bin sicher, dass die meisten Teilnehmer diese gute Stimmung nach Hause mitnehmen werden. Und vielleicht wird aus dem einen oder anderen Romanprojekt tatsächlich ein fertiger Roman, der veröffentlicht wird – das würde mich freuen.

17 November 2017

Der Fischer, das Kind und die Bahn

In der Straßenbahn konzentriere ich mich meist auf meine Zeitung und blende die Geräusche um mich aus. An diesem Morgen ist es anders, und ich brauche einige Zeit, um zu verstehen, was eigentlich abgeht.

Links von mir sitzen eine Frau und ein Mädchen, beide haben einen dunklen Teint und sehen aus, als ob sie aus Südostasien kämen. Zuerst haben sie sich in einer Sprache unterhalten, die ich gut ausblenden kamm, weil ich keine einzige Silbe verstehe. Doch jetzt benutzt das Mädchen immer mehr deutsche Wörter.

Da erkenne ich sie. »Fischer Fritz frische Fische« sagt das Kind in einem recht ordentlichen Deutsch. Die Frau sagt etwas in ihrer Sprache, das Kind lacht und wiederholt leise, aber so, dass ich es noch verstehe: »Fischer Fritz frische Fische.«

Einen Augenblick lang zuckt der urdeutsche Instinkt in mir hoch, das Kind zu verbessern, mich zu ihm hinüberzubeugen und ganz ruhig den alten Zungenbrecher »Fischer Fritz fischt frische Fische« herunterzurappen. Aber ich lasse es. Nicht nur deshalb, weil ich nicht als Besserwisser dastehen möchte, sondern auch deshalb, weil ich mich garantiert versprechen würde. Und blamieren will ich mich nun mal nicht.

Ich stecke den Kopf wieder in meine Zeitung und lese Artikel über das aktuelle Weltgeschehen mit all seinem Wahnwitz. Und rechts von mir übt das Kind weiter, »Fischer Fritz frische Fische«, immer wieder unterbrochen von leisen Bemerkungen der Frau.

16 November 2017

Als Vorlesepate in einer Grundschule

24 Augenpaare schauten mich erwartungsvoll an, gelächelt wurde kaum, eher schlug mir ein wenig Skepsis entgegen: Ich hatte meine erste Lesung in einer ersten Klasse. Selbstverständlich brachte ich kein Buch mit, das ich selbst geschrieben hatte, das wäre für die sechsjährigen Kinder sicher nicht ideal gewesen – ich hatte ein Buch von Astrid Lindgren unterm Arm.

Die Lehrerin stellte mich vor, ich erzählte ein wenig von mir und meiner Arbeit. Um zu zeigen, was ich beruflich mache, zeigte ich ihnen Silberbände. Die Kinder waren hin und weg; Raumschiffe und Aliens, dazu Wackelbilder und Silberumschlag – es war danach echt schwierig, sie auf das Vorlesen zu konzentrieren.

Ich las den Anfang von »Michel aus Lönneberga«, konkret, die Geschichte mit Michel und dem Suppentopf. (Wer die nicht kennen sollte, möge sie sich dringend besorgen und ebenso dringend den Text lesen.) Dabei stellte ich fest, dass die Geschichte für heutige Kinder schon fremdartig wirken kann: Wissen die wirklich, was ein Pferdefuhrwerk ist und dass man auf einem Hof durchaus auch Knechte und Mägde beschäftigt?

Die Aufmerksamkeit der Kinder war durchaus wechselhaft. Manche waren völllig fasziniert und hörten konzentriert zu, andere konnten keinen fünf Sekunden lang still sitzen. (Übrigens egal, ob es »biodeutsche« Kinder oder Migrantenkinder waren.) Ich las deshalb auch nicht am Stück vor, sondern zeigte Bilder oder stellte – zusammen mit der Lehrerin – mal eine Zwischenfrage.

Ich brachte die Unterrichtsstunde ganz gut rum, denke ich. Hinterher bedankten sich die Kinder alle einzeln, so nach dem Motto, »das war toll, dass du uns vorgelesen hast«. Dann stürmten sie in den Pausenhof hinaus; das war doch spannender als so ein alter Mann und seine Bücher.

Um es klar zu sagen: Ich war abschließend verschwitzt, ich fand das anstrengend. Mein Respekt vor Lehrerinnen und Lehrern in der Grundschule, der sowieso schon groß ist, war weiter gewachsen.

15 November 2017

Die angeblich älteste Kneipe der Welt

Das »Café Vlissinghe« behauptet von sich, »probably the oldest pub« der Welt zu sein. Seit 1515 wird angeblich in den Mauern des ehrwürdigen Gebäudes ausgeschenkt, Bier und allerlei andere Getränke – und natürlich musste ich dort selbst ein Bier trinken.

Sagen wir so: Wer durch Brügge spaziert, glaubt alles, was an den Häusern steht. Die sehen nicht nur so aus, als stünden sie seit dem Mittelalter, die riechen häufig auch so.

Wobei ich im »Vlissinghe« kein schlechtes Gefühl hatte. Das Café ist in einer eher bescheidenen Seitenstraße zu finden, am Rand der turbulenten Altstadt von Brügge, in einer Ecke, in der die Busladungen von Touristen nicht ganz so oft hinfinden.

Es wird tatsächlich flämisch gesprochen, und die meisten Gäste sahen aus, als seien sie aus der Stadt. Touristen wie ich wurden allerdings als selbstverständlich wahrgenommen, mit meinem schlechten Englisch kam ich gut durch.

Von außen sieht die Kneipe ganz gewöhnlich aus, auch innendrin haut sie einen nicht um: Tische und Stühle auf einem Holzboden, eine Theke, einfach eine Kneipe, die gemütlich wirkt und sicher nicht den Charakter eines Sterne-Restaurants ausstrahlt, das ja auch nicht sein möchte. Es riecht nach Bier und Essen, ganz normales Gaststubenessen, und es läuft Musik, die einen nicht aufregt.

Dahinter kommt ein schöner Biergarten. Als ich dort saß und ein schönes belgisches Bier trank, kam immer wieder die Sonne heraus; das tat richtig gut. Ansonsten hatte ich einen eher kühlen Tag erwischt. Der Biergarten ist wirklich ein Garten – es gibt Rasen und Büsche, einige Tische stehen herum, und das Personal muss über eine Treppe hinaus ins Freie.

Das ist gemütlich, ein schöner Ort, um bei einem Bier den Nachmittag zu vertrödeln. Das machte ich in Brügge jetzt einmal – ich bin sicher, dass ich mal wieder im Biergarten des »Vlissinghe« sitzen werde. Ich muss schließlich auch noch die anderen Biersorten ausprobieren!

14 November 2017

Atomic und ihr angenehmer Gitarrensound

Wer aus dem Bayerischen Wald kommt und sich Atomic nennt, hat schon einmal gesundes Selbstbewusstsein als Band. Die Band wurde 1997 gegründet, der Name bezog sich aber anscheinend auf das »Atomic Café« in München.

Diverse Tonträger wurden seit 2006 veröffentlicht, die Band hatte viele Auftritte und gewann einige Preise. Ich kenne nur die zweite Platte, die »Coming From The Streets« heißt, 2008 herauskam und ausgesprochen netten IndieRock oder auch meinetwegen IndiePop bietet. Sicher wird es jemanden geben, der die Band auch in eine Emo-Ecke stecken wird.

Was die Burschen machen, ist klassisch anmutende Gitarrenmusik, die unsereins immer noch sehr gern hören mag, die mal an die Beatles erinnert, ohne peinlich zu sein, die aber auch mal moderne Anklänge an Oasis und Co. nimmt. Manchmal geht's ordentlich voran, dann wieder gibt es nachdenkliche Stücke, deren Melodien gut ins Ohr gehen.

Textlich servieren die Jungs eher Liebeslieder und persönliche Songs; vielleicht ist das ein Grund, warum der schicken Langspielplatte kein Textblatt beiliegt. Insgesamt ist das tolle Musik zum Anhören; eine Band, die ich spät entdeckt habe, die mir aber gut gefällt.

Eine Dystopie als Parabel auf unsere Zeit

Der Roman »Die Stadt der Wahrheit« wurde in den USA bereits 1990 veröffentlicht, erhielt später den Nebula Award und wurde 1993 als Taschenbuch in deutscher Sprache publiziert. Warum ich ihn erst dieser Tage las, kann ich so genau nicht sagen – aber der schmale Roman von James Morrow passt tatsächlich gut in die aktuelle Zeit.

Der Autor, der mir vor allem durch seinen brillanten Roman »Das Gottesmahl« in hervorragender Erinnerung ist, stellt eine Welt vor, in der es keine Lügen mehr gibt. Lügen sind ausgerottet, alle Menschen sprechen die Wahrheit.

Die sogenannte Brutalotruppe – also die Polizei – sorgt dafür, dass die Regeln durchgesetzt werden, Rock-Bands nennen sich »Redlichkeit« und machen entsprechende Musik. Und damit auch wirklich alle die Wahrheit sprechen, werden Kinder im Alter von zehn Jahren mithilfe einer derben Gehirnwäsche dazu gebracht, künftig Schmerzen bei Unwahrheiten zu empfinden.

Das klingt wie eine Parabel auf unsere heutige Zeit, auf sogenannte Fake News und Alternative Fakten. Tatsächlich ist die Welt, die James Morrow entwirft, nicht bis ins letzte Detail durchdacht. Der Autor wollte keine komplette Gesellschaft entwickeln, sondern eine menschliche Geschichte erzählen, in der es eben um Wahrheit und Lüge geht.

Spätestens dann, als der Sohn des Helden an einer unheilbaren Krankheit leidet, wird die bisher skurrile Geschichte immer emotionaler und trauriger. Der Held stellt fest, dass es unter der Stadt Veritas eine Stadt der Lügen gibt, zu der er Zugang findet. Er wird zum Schwindler, zu einer Person also, die bewusst die Unwahrheit sagen kann. Das alles tut er nur, damit sein Sohn in seinen letzten Lebensmonaten nicht zu sehr leidet.

Auch die Stadt der Lüge wird zu einer Art Diktatur. Gleichzeitig entwickelt sich die Geschichte zu einer moralischen Parabel über Liebe und Zuneigung, sie endet zuletzt traurig und hoffnungsvoll zugleich.

Es gibt durchaus Gründe, warum »Die Stadt der Wahrheit« so in Vergessenheit geraten ist – das Werk taucht ja nie auf einer »Bestenliste« auf –, und einer der Gründe ist sicher die eher dünne Handlung. Der Roman wirft Fragen auf, er stellt seine Hauptfigur vor zentrale Entscheidungen, und er ist sehr emotional.

Damit ist der Roman ein gutes Beispiel für moderne Science Fiction, die komplett ohne Raumschiffe und Supertechnik auskommt, stattdessen gesellschaftliche Themen aufgreift. Lesenswert – leider nur sehr schwierig zu bekommen.

13 November 2017

Ein Blick auf den Säbtämbä

Es ist immer wieder schön, in alten Fanzines zu blättern. Heute machte ich das in einer Ausgabe des »Fandom Observer«. Die Macher hielten es damals offenbar für einen Luxus, eine Bandnummer aufzudrucken oder diese im Impressum zu nennen – das Heft erschien im September 1990, der auf dem Cover als »säbtämbä« bezeichnet wird. (Man kann dann leicht errechnen, dass es die Ausgabe 15 gewesen sein muss.)

Mancher Humor früherer Zeiten ist nach Jahrzehnten nicht mehr nachvollziehbar, auch manche Auseinandersetzungen dieser Jahre sind völlig unverständlich. So gibt es eine Rubrik, in der Hermann Ritter unter dem Titel »Zum Scheiß der Zeit« eine aktuelle Fan-Diskussion weiter befeuert; darüber hinaus wimmelt es mehr oder weniger witzigen Angriffen auf andere Science-Fiction-Fans.

Immerhin wird über den FreuCon berichtet, den ich mitveranstaltete; ebenso gab es eine Rezension meines Fanzines »Enpunkt«. Darüber hinaus werden Berichte über Veranstaltungen wie den Comic-Salon in Erlangen oder die Science-Fiction-Tage NRW veröffentlicht; der aktuelle Kinofilm jener Tage war »Total Recall«.

Alles in allem war der »Fandom Observer« damals ein sehr fannisches Fanzine, dem Quatsch eher zugeneigt als einer wie auch immer gearteten kritisch-seriösen Berichterstattung. Man machte sich sowieso lieber über die seriösen Fans lustig – das änderte sich später bekanntlich.

Als Zeitdokument vor allem der 90er-Jahre ist meine »FO«-Sammlung ein Schmuckstück in der Fanzine-Bibliothek. Ich habe nicht zum letzten Mal darin geblättert ...

12 November 2017

Italienische Skanimateure

»Das sind ganz schlimme Animateure«. Das war einer der Kommentare während des Konzerts am Samstagabend, 11. November 2017, in der »Alten Hackerei«. Auf der Bühne stand die Band NH3 aus Italien, und der Kommentar war völlig berechtigt. Die sieben Männer boten eine mitreißende Show, schienen aber irgendwie den kleinen Punkrock-Club mit der großen Bühne eines Festivals zu verwechseln, vor der sich Tausende von partyhungrigen Jugendlichen tummeln.

Auf der Bühne wurde in die Hände geklatscht, dann wurde das Publikum dazu aufgefordert, eifrig mitzuklatschen. Man schrie eifrig »Jump jump jump« und wollte, dass wir mitspringen. Dann wurde zum Mitgrölen ebenso animiert wie zu anderen gemeinsamen Bewegungsabläufen. Ich fand das eher lustig, machte aber – logisch ... – bei keinem einzigen Animationsprogramm mit.

Dabei hätte die Band das nicht nötig gehabt. Die Musik war knallig, eine rasante Mischung aus Punkrock der modernen Sorte mit Ska. Super gespielte Bläsersätze, ein hervorragender Sänger, der keine Sekunde lang stillstand, eine insgesamt mit viel Spielfreude aufwartende Band – das war alles sehr gut.

Aber was sollten die Versuche, jemanden zu animieren? Im Raum waren höchstens hundert Leute, durchaus gemischt, und die meisten bewegten sich auch. Wenn man von der Bühne allerdings mit »are you tired?« zum hektischen Mitmachen angeregt wird, führt das nicht zum erwünschten Effekt. Na ja, und am Ende wurde das Publikum mit »you are fucking amazing« dann doch gelobt.

Irgendwie passte das für mich nicht zusammen. Die Band, die mit »No Border No Nation« einen echten Hit hat und auch sonst musikalisch zu überzeugen wusste, verspielte bei mir mit diesem ganzen Theater echt viel Kredit. Bei aller Freude über das Konzert und die eigentlich gelungene Show – für meinen Geschmack war das echt zu viel Animation.

11 November 2017

Junger Anzeigenblatt-Redakteur

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Im Frühsommer 1988 wurde ich auf eine Weise, die ich irgendwann noch erzählen muss, zum Redakteur des Anzeigenblattes mit dem schönen Titel »Anzeiger Freudenstadt«. Mein Chef hatte vor, eine »richtige Redaktion« einzurichten. Dass man dafür einen jungen Mann verpflichtete, der gerade mal 24 Jahre alt geworden war, hatte sicher einen wichtigen Doppel-Grund: Ich war »billig« zu haben, und man kannte mich.

Und so bezog ich mein Büro in einem Wohnhaus in Freudenstadt. Ich hatte einen ganz gewöhnlichen Küchentisch und einen billigen Schreibtischstuhl; darauf stellte ich meine elektrische Schreibmaschine und legte los. In einem Schrank baute ich mir ein Archiv auf, in dem ich alle möglichen Dinge zum Landkreis Freudenstadt, zu diversen Autohäusern und anderen Themen ablegte.

Jede Woche erschien eine Zeitung, jede Woche hatte ich zwischen zwei und sechs Seiten zu füllen, dazu die sogenannten Kollektive. Ich hatte einen Stall von freien Mitarbeitern, die meist aus den Vereinen kamen, aber nicht schreiben konnten. Und so schrieb und redigierte ich von morgens bis abends, stand jeden Dienstag in der Druckerei und machte an den riesigen Leuchttischen mein Layout, um mich dann am Mittwoch über eine fertige Zeitung zu freuen.

Es waren spannende eineinhalb Jahre, die ich nicht missen möchte. Ich lernte viel in dieser Zeit, vor allem lernte ich aber, schnell zu schreiben. Über seltsame Vorschläge aus der Chefetage – das war damals das Nachbarzimmer – lernte ich ebenfalls viel, aber das ist eine andere Geschichte.

10 November 2017

Gee Strings sind einfach »so gee«

Irgendwie kann diese Band bei mir nichts falsch machen: Die Gee Strings aus Aachen, Köln und Umgebung spielen seit den späten 90er-Jahren zusammen, ich habe sie mehrfach gesehen, und ihre Platten sind einfach gut. Nach wie vor mixt die Band den alten 77er-Punkrock neu auf, dynamisch und flott gespielt, mit einer Sängerin, die eine gute Stimme hat und auch auf der Bühne überzeugt.

2016 wurde die Platte »I'm So Gee« aufgenommen; die Band ging dafür in ein Studio im französischen Besancon. Zehnmal gibt's rotzigen Punkrock mit englischen Texten, der schwerstens nach dem uralten England-Punk klingt und sich auch keine Mühe gibt, die klassischen Vorbilder zu verleugnen.

Die Stücke sind manchmal ... hm ... selbstreferentiell, womit sie bei mir natürlich auf offene Ohren stoßen. Wer von seinem »Punk Rock Heart« singt oder ein »Hate To Say« rausrotzt, den verstehe ich einfach sehr schnell – und allein deshalb sind die Stücke für mich schon mal Ohrwürmer.

Ich denke aber, dass die Platte auch für jüngere Leute ein Knaller sein sollte. Altmodisch oder abgeschmackt klingt das Ganze nämlich nicht.

Cool und dynamisch: Die Gee Strings packen's einfach immer wieder! Gern bei nächster Gelegenheit in einem Punkrock-Schuppen in Karlsruhe ...

09 November 2017

Ein Bier am Flughafen

Wortlos schob mir der bärtige Typ hinter dem Tresen die Flasche Bier hinüber. Als ich nach der Flasche griff, merkte ich, dass meine Finger zitterten. Das Glas war kalt, direkt aus dem Kühlschrank. Die Feuchtigkeit kondensierte in der Hitze des Nachmittags, Wasser lief über meine Finger.

Er nickte mir zu. »Das brauchst du jetzt.«

»Du weißt Bescheid?«, würgte ich hervor.

»Jeder hier weiß es«, gab er zurück. »Trink!«

Ich starrte an ihm vorbei auf die triste Gegend. Kempton Park war ein weißer Vorort von Südafrika; hinter hohen Zäunen wohnten die Weißen der Gegend, die ihre sauber rasierten Hecken und ebenso sauber geschnittenen Rasenflächen gegen Banditen verteidigten. Ich stand am Tresen eines Hostels, das in Sichtweite des Flughafens der Metropole erbaut worden war und einen eher schlichten Eindruck machte.

Flugzeuge glänzten in der Sonne, einige Vögel schwebten darüber, die Luft flirrte über der vierspurigen Umgehungsstraße in der Luft. Der Rasen des Hostels war verdorrt, nur die Bierhütte wurde richtig frequentiert. Dort lief Musik, dort gab es kalte Getränke.

Ich nahm einen Schluck Bier und genoss es, die kühle Flüssigkeit den Hals hinunterlaufen zu lassen. »Das war knapp«, sagte ich.

»Ich hab dich gewarnt«, sagt er. »Fahr nicht nach Jo'burg, es ist zu gefährlich.«

»Ich war hier vor zehn Jahren, da konnte ich nachts spazieren gehen, und es ist nichts passiert.«

»Fuck!« Er spuckte auf den Boden. »Zehn Jahre, das ist eine Ewigkeit.«

Wir schrieben den November 2003, Sommer in Südafrika. Zweieinhalb Stunden zuvor war ich mitten in Johannesburg angegriffen, geschlagen, mit einem Messer am Hals bedroht und ausgeraubt worden. Direkt vor der Hauptpost; mir reichte es vorerst.

Ich trank weiter. Beim dritten Schluck nahm ich wahr, dass der Typ hinterm Tresen, dessen Namen ich mir nie merken konnte, seine Lieblingsplatte aufgelegt hatte. Dido lief, melodischer Frauengesang mit Elektronik-Gedudel. Nach zwei Tagen hatte ich mich schon richtig daran gewöhnt und fand es sogar gut.

Als ich auf die Flasche starrte, sah ich, dass sie zitterte. Auch wenn ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, steckte der Schock tief in mir. Meine Hose war zerrissen, die Bande hatte meinen Geldbeutel und mein leeres Brillen-Etui gestohlen; meinen kleinen Rucksack mitsamt der Wasserflasche und den Kopien meines Passes hatten sie mitgenommen. Mir selbst war nichts passiert.

»Mann..« Ich schüttelte den Kopf. »Das war knapp.«

Er verneinte. »Nein. Du hattest Glück.«

»Was?«

»Glück. Sie hätten dir auch einfach die Kehle durchschneiden können.«

An diesem Tag sprachen wir nicht mehr viel. Es war nicht nötig. Ich ließ mir das Bier schmecken, hörte der Musik zu, starrte auf Flugzeuge, hing meinen Gedanken nach und sagte nicht viel.

Man ließ mich in Ruhe. Ich bekam mit, dass sie hinter meinem Rücken über mich redeten, aber man hielt sich zurück. Das war mir recht.

An diesem Tag im November brauchte ich nur Bier und Ruhe. Manchmal gibt es Tage, an denen das vollauf genügt.

08 November 2017

Lübbe und Oolipo und das Streaming

Noch auf der Buchmesse führte ich ein Gespräch mit einem Kollegen, der bei der Bastei-Lübbe AG arbeitet. Er erzählte mir von Streaming und von den entsprechenden Erfolgen in diesem Bereich; kein Anzeichen von Krise. Am Dienstag, 7. November, gab die Aktiengesellschaft bekannt, dass »die mit hohem finanziellen Aufwand entwickelte Streaming-Plattform für Leseinhalte oolipo die erwarteten und notwendigen Nutzerzahlen bislang bei Weitem nicht erreicht hat«.

Bekanntlich wurde die Plattform im März 2017 gestartet, nachdem man sie schon 2015 angekündigt hatte. Man wolte vor allem Serien über »ein eigenes Tool« veröffentlichen. Im Zentrum stand das Streaming, weil man darin einen echten Wachstumsmarkt sah. Bis 2019 wollte man weltweit rund zwei Millionen Nutzer erreichen.

Davon ist jetzt keine Rede mehr. Lübbe spricht klar davon, dass man die Nutzerzahlen nicht erreichen konnte. Des weiteren gibt man bekannt, dass man keine neuen Investoren gefunden hat. Man wolle nun »keine weiteren Mittel in das Projekt« stecken und es »außerplanmäßig« abschreiben. Die Presseerklärung spricht von einer Belastung von drei Millionen Euro.

Spannend ist eine weitere Aussage: Der neue Vorstandsvorsitzende Carel Halff – der Mann, der Weltbild groß machte – möchte »die strategische Ausrichtung des Konzerns insgesamt detailliert auf operative Chancen und Risiken hin analysieren«. Was das heißt, wird man in den nächsten Wochen und Monaten erfahren.

Ich bin nicht sicher, wie ich das alles einzuschätzen habe. Die Entwicklung bei Lübbe beobachte ich sowohl privat als auch beruflich mit großem Interesse. Man versucht, neue Wege zu gehen, was in einer sich ändernden Welt sicher nicht schlecht ist. Neue Impulse sind wichtig. Oftmals kamen mir aber die Versprechungen und Äußerungen zu groß vor – bei Oolipo konnte ich mir nie so richtig vorstellen, dass dieses Konzept so einfach aufgehen würde.

Grundsätzlich ist die Idee richtig: Streaming ist ein Modell für die Buchbranche, mit dem sie künftig stärker arbeiten wird. Nein, mit dem sie arbeiten muss. Die Nutzer werden das erwarten.

Auch die Idee, verstärkt auf Serien zu setzen, ist gut. Sie passt zum Markenkern bei Bastei-Lübbe, der jahrzehntelang von Heftromanserien wie »Jerry Cotton« und »John Sinclair« geprägt worden ist; Serienleser sind zudem treue Leser.

Woran Oolipo letztlich gescheitert ist – wobei das Projekt ja nicht gestoppt wird, aber ... –, weiß ich nicht. Vielleicht lag es an der Qualität der gebotenen Produkte, vielleicht war das Marketing nicht gut genug? Wer hat als Endkunde in den vergangenen Monaten denn von der Plattform erfahren?

Ich hoffe nur, dass bei der Bastei Lübbe AG nicht der Sinn für Innovationen schwinden wird. Das wäre die falsche Reaktion ...

07 November 2017

Wie ich 1983 ein politisches Gedicht schrieb

Mit dem politischen Bewusstsein des Jungautors, als der ich mich im Jahr 1983 fühlte, war es nicht so weit her: Am 22. Dezember 1983 entstand das kurze Gedicht »Na ja, und Marx?«, das mit rebellischer Attitüde beginnt, in einer Mixtur aus wütendem Punk und linkem Agitprop, und dann mit einem Bekenntnis zum Nichtstun endet.

Es wurde aus nachvollziehbaren Gründen nie veröffentlicht; das erschien mir damals wohl zu heikel. Ich war seit einigen Monaten ein Mitglied bei den Jusos, engagierte mich – durchaus ernsthaft – in der Lokalpolitik und für unser Jugendzentrum, jobbte in einem Supermarkt und an der Tankstelle, und natürlich träumte ich davon, mit meiner Science-Fiction-Zeitschrift »Sagittarius« irgendwann mal richtig Geld zu verdienen.

So schrieb ich das Gedicht mit dem schönen Titel, tippte es später sauber ab, lochte es und hefte es in einen Ordner ab. In diesem vergammelte es dann Jahrzehnte.

Mal ganz ernsthaft: Das liest sich doch, als habe es jemand im Jahr 2017 geschrieben? Aber ebenso ernsthaft: Das ist kein Fake. Solche Dinge schrieb ich eben 1983; da war ich gerade mal zwanzig Jahre alt geworden und sollte mich eigentlich aufs Abitur vorbereiten.

Ach ja – hier ist es:

Na ja, und Marx? 

Weltrevolution aus den Gossen,
die unteren Schichten rennen an
gegen die Bonzen,
gegen die Macht der Geldgeilen,
gegen den Wahn der Rüstungsbosse,
gegen Geistlosigkeit und Idiotie,
zertrümmern die letzten Mauern
alter Herrschaftsstrukturen.

Die Bonzen haben keine Chance
gegen das Aufbegehren der Masse.

Und ich liege im Garten,
trinke mein Bier leer.
Was geht's mich an?

06 November 2017

Das Radio blickt auf die 70er-Jahre

In mancherlei Hinsicht sind die Radiosendungen, die ich zum Jahresende im Querfunk in Karlsruhe bringe, eine einzige Folge von Abschieden – und deshalb bietet es sich an, noch mal die Musik zu spielen, mit der ich vor vielen Jahren angefangen habe. Konkret: Am gestrigen Sonntag, 5. November 2017, blickte ich mal wieder auf das England der späten 70er-Jahre und spielte Bands und Platten, die mich seitdem prägen und begeistern.

Die Sex Pistols durften nicht fehlen; ich brachte zwei Stücke aus der »Never Mind The Bollocks«. Die Platte hatte ich seit langem nicht mehr gehört; das alte Ding knistert und kratzt ganz schön, aber ich stellte fest, dass Stücke wie »Holidays In The Sun« oder »Bodies« immer noch echte Kracher sind.

Konsequenterweise brachte ich dann aber auch Public Image Ltd.; das ist kein Punk, war es nie und wollte es auch nie sein. Aber ich finde die erste Platte der Band immer noch sensationell, wenngleich sie mich natürlich nie so wegblasen wird wie in den Tagen, als ich sie zum ersten Mal hörte.

Nach wie vor liebe ich The Damned, deren erste Langspielplatte die beste Punkrock-Scheibe dieser Tage ist – finde ich. Nicht einmal meinen anderen Lieblingsbands aus dieser Zeit können mich bis heute so packen. Aber wenn ich »Neat Neat Neat« höre, möchte ich immer noch durch die Gegend pogen.

Großarttig ist nach wie vor der supermelodische Punkrock von den Buzzcocks und den Undertones; das wirkt heute nicht mehr so dynamisch wie 1977 oder 1978. Aber die Melodien zünden in meinen Ohren nach wie vor, auch vierzig Jahre danach.

Natürlich durften The Clash nicht fehlen, meine liebste Band aus dieser Zeit. Ich spielte zwei Aufnahmen aus dem Spätjahr 1976, also aus einer Zeit, die vor der offiziellen Punk-Explosion liegt, die aber ganz schön krachig klangen.

Und zum Abschluss pfefferte ich die Boomtown Rats in den Äther: eine Band, die ich immer noch mag, wenngleich ich sie wegen ihres Sängers eigentlich verabscheuen sollte. Damals war die Band klasse, und das will ich nicht vergessen.

Ich hoffe, dass die Hörer solche Ausblicke in die Vergangenheit des Moderators entschuldigen. Wenn 2018 hoffentlich jemand anders von meinem Sendeplatz aus sendet, kann diese Person ja wieder mehr in die aktuelle Zeit blicken.

05 November 2017

Lobgesang aufs »Weinkontor«

Seit ich vor über dreieinhalb Jahren schon einmal über das »Weinkontor« in diesem Blog geschrieben habe, hat sich einiges geändert. Die Welt drehte sich weiter, ich wurde ein wenig älter, und ... ach, jeder und jede denke sich selbst dazu, was sich für ihn oder sie geändert hat.

Was gleich blieb, war für mich das »Weinkontor« in Landau in der Pfalz, ein Lokal, das ich immer wieder gern ansteuere, was in diesem Fall eben heißt, dass ich im Schnitt pro Halbjahr dort bin. Deshalb hier an dieser Stelle ein kleiner Lobgesang ...
Wenn ich es schaffe, nach Landau zu kommen und das mittlerweile sehr hübsche Gebäude zu betreten, empfängt mich immer eine schöne Mischung aus schick und locker. Man muss keinen Anzug tragen, um in das Restaurant zu gehen; es gibt keine Kleiderordnung und dergleichen. Und man kann, wenn man möchte, auch durchaus preiswert essen.

Es lohnt sich allerdings, ein Menü mit drei Gängen zusammenzustellen, dazu die entsprechenden Weine – gern aus der Pfalz! – dazu zu packen und dann alles in einer schönen Atmosphäre zu genießen: im Sommer gern im Freien, mit Blick auf das Gelände der ehemaligen Gartenschau, im Winter in einem »stylischen Ambiente«. Der Service ist gut, die Beleuchtung dezent, die Musik angenehm; hier passt alles.

Leider muss bei uns immer eine Person nüchtern bleiben – das mit der Bahn hat noch nie geklappt. Aber man muss ja auch nicht immer besoffen sein ...

04 November 2017

Audible und Amazon bieten das Hörbuch

Es gibt Menschen, die mögen Hörbücher lieber als gedruckte Romane oder E-Books; das ist durchaus nachvollziehbar. Und für die gibt es meinen Fantasy-Roman »Das blutende Land« jetzt auch als Hörbuch. Als Verlag tritt Audible auf; dort kann man das Hörbuch herunterladen.

Gelesen wurde es von Oliver Schönfeld, den ich nicht persönlich kenne. Im Vorfeld haben wir einige Male per Mail kommuniziert. Man kann auf der Amazon-Seite schon mal eine Hörprobe anhören – ich bin damit übrigens sehr zufrieden.

Was ich ein wenig skurril finde: Der beschreibende Text ist richtig alt. Er stammt aus einer Zeit, als wir bei dem Buch noch mit dem Arbeitstitel »Wölfe und Jäger« operierten.

Ich vermute, dass die Kollegen bei Droemer-Knaur diesen Text an Audible lieferten, und dort wurde er bislang nicht geändert. Schöne Verwicklung!