13 Juni 2024

Patrioten und Nazis

Die späten 80er-Jahre, irgendwo in der schwäbischen Provinz: Mit einem Skinhead stand ich vor einem Jugendhaus. Wir genossen die Pause zwischen zwei Punk-Bands, um in Ruhe ein Bier zu trinken und zu tratschen. Den Typen mochte ich, auch wenn er politisch eher undurchsichtig war: Zwar ging er gern auf Punk-Konzerte, aber ich wusste, dass er die Kameraden aus der Kolb-Stube zumindest gut kannte.

»Ich bin ein unpolitischer Skinhead«, erklärte er mir. »Ich bin ein Patriot, ich bin für Deutschland, aber mir ist egal, wer uns regiert, und ich habe nichts gegen Ausländer.«

Mit der Logik von Skinheads hatte ich oft meine Probleme. Ich verstand nicht, wie man stolz darauf sein konnte, ein Arbeiter zu sein und sich als »Working Class« zu stilisieren; ich kapierte nicht den Stolz auf die Kleinstadt, aus der man kam, oder die Region, der man sich zugehörig fühlte.

Dieser Skinhead war allerdings nicht auf den Kopf gefallen und konnte seinen Standpunkt vertreten. Weil er sich als Patriot betrachte, so argumentierte er, sei er gegen Nazis. Die würden schließlich, so seine Logik, gegen nationale Interessen handeln. Man sehe ja – rein historisch betrachtet –, was dabei herausgekommen sei, als zum letzten Mal die Nazis an der Macht gewesen seien.

»Also müssten die Patrioten den Nazis aufs Maul hauen?«, fragte ich vorsichtig nach.

»Na klar.« Er grinste. »Patrioten gegen Nazis. Das wäre doch auch ein tolles Motiv für ein T-Shirt oder einen Aufnäher.«

In der Folge klagte er über irgendwelche Studenten, die sich »SHARP«-Aufnäher auf die Jacken pinnten und damit die Skinhead-Idee verrieten. Das war dann ein wenig anstrengend, und ich war froh, als die nächste Band zu spielen anfing.

In jünger Zeit denke ich gelegentlich an dieses Gespräch: Wie es denn wäre, so überlege ich, wenn Menschen, die sich als Patrioten verstehen, kapieren würden, dass eine rechtsradikale Partei ja gegen ihre Interessen verstößt und sie ihre politische Heimat eigentlich an anderer Stelle finden müssten? Oder wäre das zu sehr um die Ecke gedacht?

1 Kommentar:

  1. Struppi5:43 PM

    Hier dürften einige gedanklich schwer in's rotieren gelangen. Du sagst ja das ein "Patriot" was richtiges meint. Das ist doch völlig undenkbar!

    Ich halte es mit dem, was du Mitte der 80 gezeigt hast, man muss dem anderen zuhören damit man ihn versteht. Hab ich auch nie anders gemacht, auch heute noch.

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