Ich fand es selbst immer wieder überraschend, wie schnell ich mir ein bestimmtes Verhalten angewöhnte. Nach drei Tagen in San Francisco bewege ich mich wie selbstverständlich mit Bussen durch die Nacht und nutzte das Cable Car, wenn ich schnell von dem Viertel, in dem ich wohnte, in die eigentliche Innenstadt kommen sollte.
In der Innenstadt war ich gebummelt, einmal die Market Street hoch und wieder hinunter, und nun saß ich in einem Cable Car, das mich über den Berg in den Norden der Stadt bringen sollte. Dort hatte ich unweit der Columbus Avenue ein Zimmer in einem Hostel gemietet. Ich hielt meinen kleinen Rucksack in der Hand und betrachtete die Häuser, an denen wir vorüberfuhren.
Das Cable Car war gut gefüllt, alle Sitzplätze waren belegt, und einige Leute standen. Eine blonde Frau saß schräg vor mir und las angestrengt in einem Reiseführer; sie trug einen Poncho mit dem Aufdruck »Expo 2000 Hannover«. Typ deutsche Studienrätin, dachte ich und ärgert mich gleich wieder über mich selbst und meine Vorurteile.
Einige asiatische Touristen gaben sich Mühe, allerlei Klischees zu erfüllen: Sie fotografierten wie wild die Umgebung, an der wir vorbeifuhren. Blitzlichter flackerten über die Straße.
Auf einmal hielt das Fahrzeug an. Wir hingen an der Straße, gut zwei Drittel der Strecke waren geschafft. Wenn ich nach hinten sah, erkannte ich unter mir die Market Street und ihr geschäftiges Treiben. Irgendwo in der anderen Richtung war die Station, an der ich aussteigen musste; von dort hatte ich nur einige hundert Meter bis zu diesem Hostel. Es nieselte leicht, aber für einen Tag zu Beginn des Dezember 2005 empfand ich das Wetter als erträglich.
Der Beifahrer verankerte das Fahrzeug, mit einem hörbaren Knacken rastete etwas ein. Der Fahrer stieg aus. Er blieb auf der Straße stehen, grinste und sah die Passagiere an. »Wenn jemand von Ihnen will, kann er ja weitermachen, ich gehe jetzt heim.« Er verschwand irgendwo in der Taylor Street.
Verblüfft sah ich ihm nach. Was war denn los? Die Frau mit dem Reiseführer rief empört »Was soll das?«, um ihre Frage dann in perfektem Englisch zu wiederholen. Niemand achtete auf sie. Die anderen Touristen an Bord des Cable Cars redeten durcheinander.
Einige Leute, die ihre Zeitung lasen oder Arbeitstaschen trugen, blieben völlig gelassen; ich vermutete, dass das Einheimische waren. Also lehnte ich mich zurück und wartete ab.
Es dauerte keine zwei Minuten. Ein neuer Fahrer schwang sich elegant in das Fahrzeug, der Beifahrer entriegelte die Sperre, und das Cable Car rollte weiter. Es galt, noch einige Höhenmeter zu überwinden …
Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
30 November 2021
Comic-Blick in die Steinzeit
Es ist schon einige Zeit her, dass die drei Bände der Comic-Trilogie »Neandertal« im Splitter-Verlag erschienen. Ich kam erst dieser Tage dazu, sie zu lesen – die Lektüre wurde immer hinausgeschoben, weil mich das Thema Ur- und Steinzeit eigentlich kaum interessiert. (Schon als Junge mochte ich die Steinzeit-Comics nicht, die in »Zack« veröffentlicht wurden.) Dabei ist »Neandertal« richtig gut.
Im ersten Band, der den schönen Titel »Der Jagdkristall« trägt, wird die Hauptfigur eingeführt. Laghou ist schlauer als die anderen Neandertaler seiner Sippe, ist aber gehbehindert. Deshalb halten ihn seine Brüder für einen Krüppel und für minderwertig, obwohl er es ist, der die Waffen für die Jagd herstellt und sie damit ausrüstet.
Laghou wird Zeuge eines Verrates innerhalb seiner Sippe und muss auf eine lange Wanderschaft gehen. Er lernt andere Sippen kennen, schmiedet Allianzen und kehrt – am Ende des dritten Bandes – zu seiner Sippe und zu seinem Stamm zurück. Dazu kommt eine zarte Liebesgeschichte, die sich am Ende ebenfalls zum Guten wendet.
Niemand weiß, wie das mit den Neandertalern wirklich war. Welche Kultur hatten die Frühmenschen, die vor Jahrzehntausenden in Europa lebten? Wie war ihre Sprache, wie verhielten sie sich untereinander?
Der Comic-Künstler Emmanuel Roudier geht in seiner Trilogie auch solchen Fragen nach, die er in seinen Nachworten vertieft. Sein Held ist ein Neandertaler, der sprechen kann, der Gefühle empfindet, der sich streckenweise wie ein aufgeschlossener Mensch verhält, der sich mit Wölfen anfreundet und trotzdem an Geister und andere magischen Dinge glaubt.
Roudiers Geschichte ist spannend, sie zieht einen in ihren Bann. Das liegt nicht nur an der Erzählweise, die sehr auf Abenteuer einerseits setzt, aber andererseits immer wieder Freundschaft und Kameradschaft ins Zentrum stellt, sondern vor allem an der Grafik. Die Bilder sind in einem sehr realistischen Stil gehalten, man kann sich alles sehr gut vorstellen.
Laghous Reise durch weite Ebenen, über schroffe Bergketten und tiefe Wälder ist stark illustriert. Die Begegnungen mit wilden Tieren – auch wenn es nicht immer Action gibt – finde ich eindrucksvoll gezeichnet, die Welt der Neandertaler wirkt auf mich sehr realitätsnah.
Keine Ahnung, ob man so etwas wie »Neandertal« nun als »histrorisch« oder »phantastisch« bezeichnen könnte oder sollte. Die Geschichte ist auf jeden Fall sehr gut erzählt und toll gezeichnet. Wer eine Freude an spannenden Comic-Abenteuern hat, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren!
Im ersten Band, der den schönen Titel »Der Jagdkristall« trägt, wird die Hauptfigur eingeführt. Laghou ist schlauer als die anderen Neandertaler seiner Sippe, ist aber gehbehindert. Deshalb halten ihn seine Brüder für einen Krüppel und für minderwertig, obwohl er es ist, der die Waffen für die Jagd herstellt und sie damit ausrüstet.
Laghou wird Zeuge eines Verrates innerhalb seiner Sippe und muss auf eine lange Wanderschaft gehen. Er lernt andere Sippen kennen, schmiedet Allianzen und kehrt – am Ende des dritten Bandes – zu seiner Sippe und zu seinem Stamm zurück. Dazu kommt eine zarte Liebesgeschichte, die sich am Ende ebenfalls zum Guten wendet.
Niemand weiß, wie das mit den Neandertalern wirklich war. Welche Kultur hatten die Frühmenschen, die vor Jahrzehntausenden in Europa lebten? Wie war ihre Sprache, wie verhielten sie sich untereinander?
Der Comic-Künstler Emmanuel Roudier geht in seiner Trilogie auch solchen Fragen nach, die er in seinen Nachworten vertieft. Sein Held ist ein Neandertaler, der sprechen kann, der Gefühle empfindet, der sich streckenweise wie ein aufgeschlossener Mensch verhält, der sich mit Wölfen anfreundet und trotzdem an Geister und andere magischen Dinge glaubt.
Roudiers Geschichte ist spannend, sie zieht einen in ihren Bann. Das liegt nicht nur an der Erzählweise, die sehr auf Abenteuer einerseits setzt, aber andererseits immer wieder Freundschaft und Kameradschaft ins Zentrum stellt, sondern vor allem an der Grafik. Die Bilder sind in einem sehr realistischen Stil gehalten, man kann sich alles sehr gut vorstellen.
Laghous Reise durch weite Ebenen, über schroffe Bergketten und tiefe Wälder ist stark illustriert. Die Begegnungen mit wilden Tieren – auch wenn es nicht immer Action gibt – finde ich eindrucksvoll gezeichnet, die Welt der Neandertaler wirkt auf mich sehr realitätsnah.
Keine Ahnung, ob man so etwas wie »Neandertal« nun als »histrorisch« oder »phantastisch« bezeichnen könnte oder sollte. Die Geschichte ist auf jeden Fall sehr gut erzählt und toll gezeichnet. Wer eine Freude an spannenden Comic-Abenteuern hat, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren!
29 November 2021
Aus für die Phantastika
Mit einem Schreiben vom heutigen Montag, 29. November 2021, gab Björn Sülter bekannt, dass das »Phantastika Magazin« eingestellt werden soll. Der Herausgeber und Redakteur des Fanzines möchte noch eine Abschlussausgabe publizieren, danach sei aber vorerst Schluss. Ob es irgendwann ein Comeback für das Fanzine geben wird, kann er nicht sagen. Es sei nichts ausgeschlossen.
Zu den Gründen gibt Björn Sülter, der den Verlag In Farbe und Bunt leitet, in dem das elektronische Fanzine erscheint, praktisch nichts bekannt. Diese Aussage deutet nur wenig an: »Dennoch musste ich mir eingestehen, was für ein Kampf es für mich seit 2017 war, dieses ehrenamtlich betriebene Magazin adäquat umzusetzen.«
Da ich selbst jahrelang Fanzines produziert habe, kann ich die Entscheidung gut nachvollziehen. Es ist eine irrsinnige Arbeit, sich um die Texte für eine solche Publikation zu kümmern und das ganze Drumherum irgendwie zu stemmen.
Das »Phantastika Magazin«, das jahrelang unter dem Titel »Corona Magazine« produziert worden war – nur echt mit dem »e« hinten dran! –, war ein kostenloses Fanzine, das in den vergangenen Jahren als E-Book vertrieben wurde und das es nur selten gedruckt gab. Ich habe es so gut wie nie gelesen – nur die Print-Ausgaben –, weil ich in meiner Freizeit nicht auch noch vor einem Bildschirm sitzen möchte.
Inhaltlich konnte ich mit vielen Dingen kaum etwas anfangen – es ging häufig um die populären Fernsehserien mit phantastischem Inhalt –, wenngleich es öfter um meine Arbeit ging. Trotzdem fand ich den Ansatz gut: Alle möglichen SF- und Fantasy-Universen wurden unter einem Dach versammelt.
Die Einstellung des Fanzines finde ich schade. Es wäre sinnvoll, wenn es neben der »phantastisch« aus dem Atlantis-Verlag eine weitere Publikation gäbe, die mit Verstand und Begeisterung die verschiedenen Sub-Genres der Phantastik beackert!
Zu den Gründen gibt Björn Sülter, der den Verlag In Farbe und Bunt leitet, in dem das elektronische Fanzine erscheint, praktisch nichts bekannt. Diese Aussage deutet nur wenig an: »Dennoch musste ich mir eingestehen, was für ein Kampf es für mich seit 2017 war, dieses ehrenamtlich betriebene Magazin adäquat umzusetzen.«
Da ich selbst jahrelang Fanzines produziert habe, kann ich die Entscheidung gut nachvollziehen. Es ist eine irrsinnige Arbeit, sich um die Texte für eine solche Publikation zu kümmern und das ganze Drumherum irgendwie zu stemmen.
Das »Phantastika Magazin«, das jahrelang unter dem Titel »Corona Magazine« produziert worden war – nur echt mit dem »e« hinten dran! –, war ein kostenloses Fanzine, das in den vergangenen Jahren als E-Book vertrieben wurde und das es nur selten gedruckt gab. Ich habe es so gut wie nie gelesen – nur die Print-Ausgaben –, weil ich in meiner Freizeit nicht auch noch vor einem Bildschirm sitzen möchte.
Inhaltlich konnte ich mit vielen Dingen kaum etwas anfangen – es ging häufig um die populären Fernsehserien mit phantastischem Inhalt –, wenngleich es öfter um meine Arbeit ging. Trotzdem fand ich den Ansatz gut: Alle möglichen SF- und Fantasy-Universen wurden unter einem Dach versammelt.
Die Einstellung des Fanzines finde ich schade. Es wäre sinnvoll, wenn es neben der »phantastisch« aus dem Atlantis-Verlag eine weitere Publikation gäbe, die mit Verstand und Begeisterung die verschiedenen Sub-Genres der Phantastik beackert!
Idle Class aus dem Jahr 2016
Um es klar zu sagen: Natürlich ist das, was Idle Class machen, immer noch Punkrock – es hat nur nicht so viel mit dem zu tun, was man 1976/77 aus den USA und aus England hörte, und auch nicht so viel mit den frühen 80er-Jahren und dem wütenden Irokesen-Soundn dieser Tage. Nein, die Band ist eindeutig beeinflusst von Emo-Klängen der 90er- und Nuller-Jahre, und wüsste ich nicht, dass sie aus Münster kommt, hätte ich die Band nach Gainesville in Florida verlegt.
Im Jahr 2016 kam die Langspielplatte »of glass and paper« heraus, die ich dieser Tage mal wieder anhörte. Ich finde sie immer noch richtig gut, wenngleich die fünf Herren aus Münster natürlich nicht das Rad neu erfinden. Wer irgendwann mal Hot Water Music gehört und gesehen hat, wird Ähnlichkeiten feststellen – aber das schadet wirklich nicht.
Die Band spielt modernen Melodie-Punk, schwungvoll und mit Schmackes, manchmal schnell und ein wenig aggressiv, meist aber mit mittlerem Tempo, manchmal sogar fast balladesk und langsam. Die Texte sind in englischer Sprache und recht lang; das ist weit entfernt von Parolen oder schlichtem »Ich find dich doof«-Punkrock. Und die Vinylscheibe ist zu allem Überfluss mit ihrem Cover und ihrem Textblatt richtig schön gestaltet.
Alles in allem ist »of glass and paper« ein gelungenes Gesamtpaket, eine melancholisch anmutende Platte mit viel »Emo«, ohne aber weinerlich zu sein, und damit eigentlich optimal geeignet für eine eher herbstliche Jahreszeit. Na dann!
Im Jahr 2016 kam die Langspielplatte »of glass and paper« heraus, die ich dieser Tage mal wieder anhörte. Ich finde sie immer noch richtig gut, wenngleich die fünf Herren aus Münster natürlich nicht das Rad neu erfinden. Wer irgendwann mal Hot Water Music gehört und gesehen hat, wird Ähnlichkeiten feststellen – aber das schadet wirklich nicht.
Die Band spielt modernen Melodie-Punk, schwungvoll und mit Schmackes, manchmal schnell und ein wenig aggressiv, meist aber mit mittlerem Tempo, manchmal sogar fast balladesk und langsam. Die Texte sind in englischer Sprache und recht lang; das ist weit entfernt von Parolen oder schlichtem »Ich find dich doof«-Punkrock. Und die Vinylscheibe ist zu allem Überfluss mit ihrem Cover und ihrem Textblatt richtig schön gestaltet.
Alles in allem ist »of glass and paper« ein gelungenes Gesamtpaket, eine melancholisch anmutende Platte mit viel »Emo«, ohne aber weinerlich zu sein, und damit eigentlich optimal geeignet für eine eher herbstliche Jahreszeit. Na dann!
28 November 2021
Die Magie der Träume
Das ist ein Film, den ich mir auf jeden Fall im Kino angesehen hätte – aber weil ich Kinos nach wie vor nicht traue, war ich froh, ihn bei einem Streaming-Kanal mitbekommen zu haben: »Die Magie der Träume« erschien 2020 offiziell unter dem Titel »Come Away« und wurde 2021 auch auf den deutschsprachigen Markt gebracht.
Er spielt mit zwei Klassikern der Literatur und ist gleichzeitig ein Film voller Magie. Wer mag, kann ihn also in die Fantasy-Ecke stecken. Und trotz aller Schwächen – er zieht sich ein wenig und kommt mir recht unentschlossen vor – habe ich mich dabei gut unterhalten und würde ihn auch weiterempfehlen. Im Prinzip werden Elemente aus »Peter Pan« sowie »Alice im Wunderland« genommen und zu einer neuen Geschichte verarbeitet.
Es geht um zwei Kinder – Alice und Peter –, die gerne miteinander spielen, die sich in phantastische Geschichten flüchten und die durch einen Schicksalsschlag ziemlich aus der Bahn geworfen werden. Auch die Ehe ihrer Eltern wird damit schwerst gestört, dazu kommen finanzielle Schwierigkeiten. Die Kinder wagen sich auf eigene Faust in die finsteren Gassen von London, wo sie unter anderem auf einen geheimnisvollen Hutmacher stoßen …
Ich will an dieser Stelle nicht anfangen, den Film nachzuerzählen. Die Schauspieler sind gut, man folgt vor allem den Kindern gern bei ihren Abenteuern, bei ihren Niederlagen und Erfolgen. Phantastische und träumerische Elemente werden immer wieder gut eingesetzt, so dass der Fantasy-Fan auch dann auf seine Kosten kommt, wenn er schon ein wenig älter als zehn, zwölf Jahre ist …
Sicher kein Muss-Film, sicher keiner der Streifen, von denen man in zehn Jahren noch schwärmt – aber gelungene Kino-Unterhaltung für Kinder sowie Erwachsene mit kindlichem Herzen (also mich)!
Er spielt mit zwei Klassikern der Literatur und ist gleichzeitig ein Film voller Magie. Wer mag, kann ihn also in die Fantasy-Ecke stecken. Und trotz aller Schwächen – er zieht sich ein wenig und kommt mir recht unentschlossen vor – habe ich mich dabei gut unterhalten und würde ihn auch weiterempfehlen. Im Prinzip werden Elemente aus »Peter Pan« sowie »Alice im Wunderland« genommen und zu einer neuen Geschichte verarbeitet.
Es geht um zwei Kinder – Alice und Peter –, die gerne miteinander spielen, die sich in phantastische Geschichten flüchten und die durch einen Schicksalsschlag ziemlich aus der Bahn geworfen werden. Auch die Ehe ihrer Eltern wird damit schwerst gestört, dazu kommen finanzielle Schwierigkeiten. Die Kinder wagen sich auf eigene Faust in die finsteren Gassen von London, wo sie unter anderem auf einen geheimnisvollen Hutmacher stoßen …
Ich will an dieser Stelle nicht anfangen, den Film nachzuerzählen. Die Schauspieler sind gut, man folgt vor allem den Kindern gern bei ihren Abenteuern, bei ihren Niederlagen und Erfolgen. Phantastische und träumerische Elemente werden immer wieder gut eingesetzt, so dass der Fantasy-Fan auch dann auf seine Kosten kommt, wenn er schon ein wenig älter als zehn, zwölf Jahre ist …
Sicher kein Muss-Film, sicher keiner der Streifen, von denen man in zehn Jahren noch schwärmt – aber gelungene Kino-Unterhaltung für Kinder sowie Erwachsene mit kindlichem Herzen (also mich)!
26 November 2021
Spezielles Schuhwerk
»Wir haben ein spezielles Messegeschenk für Sie«, sagte die große Frau zu mir. Sie hatte ihre blonden Haare hinter dem Kopf zusammengekämmt und überragte mich um gut einen Kopf. Mit ihren Business-Klamotten wirkte sie streng, aber sie lächelte mich strahlend an.
»Aha«, sagte ich, ein kompletter Satz kam mir nicht über die Lippen. Nicht in diesem Augenblick, nicht bei dieser Gelegenheit.
Ich hielt mich auf der Frankfurter Buchmesse auf. Die Hallen waren voll, wie sie das in jedem Jahr waren, die Luft war stickig, und der Lärm brandete auf mich ein. Unter meinem Jackett – die Krawatte hatte ich weggelassen – trug ich ein Hemd mit Unterhemd, und das Unterhemd klebte schon feucht auf meinem Rücken.
Die Frau lächelte immer noch, als hätte man ihr den Gesichtsausdruck festgeklebt. »Moment«, sagte sie und beugte sich zur Seite. Sie kam wieder hoch und hielt einen Umschlag aus Papier in der Hand. »Hier, ein spezielles Geschenk für Sie. Wir würden uns freuen, wenn Sie unser Geschenk auch nutzen würden.«
Ich sah sie wohl verwirrt an, denn sie nickte mir auffordernd zu. Also nahm ich ihr den Umschlag ab und öffnete ihn vorsichtig. Vorsichtig zog ich den Inhalt heraus: Es waren zwei Schuhe, beide von der Form klassischer Birkenstock-Sandalen, allerdings recht groß.
Den Umschlag legte ich auf den Tresen des Messestandes, die Schuhe betrachtete ich genauer. Sie waren aus Papier hergestellt worden, das bedruckt worden war. Sowohl die Sohlen als auch das Obermaterial bestanden aus zahllosen Lagen aus Papier, dicht gepresst und offensichtlich recht stabil. Ich erkannte Buchstaben und einzelne Wörter, konnte aber keinen Zusammenhang herstellen.
»Was ist das eigentlich?«, fragte ich.
Sie strahlte mich wieder an. »Wir haben einen Weg gefunden, die Retouren aus den Buchhandlungen sinnvoll zu verwenden«, sagte sie. »Wir machen Schuhe daraus. Und ich fände es toll, wenn Sie unsere Schuhe anziehen und damit auf der Messe herumgehen würden.«
Immer noch hielt ich die Schuhe in der Hand und drehte sie hin und her. Vergeblich versuchte ich, das Namensschild der Verlagsangestellten auf ihrer Brust zu lesen.
»Schauen Sie doch hier«, sagte sie, »wie viele Menschen unsere neuen Schuhe nutzen.« Sie wies auf den Messegang.
Da fiel es mir auf. Überall waren Menschen unterwegs, die diese seltsamen Sandalen trugen. Meist hatten sie die Sandalen einfach über ihre Schuhe gezogen, andere hatten offenbar ihre Schuhe irgendwo stehen gelassen und bewegten sich nun mit Socken und Sandalen über die Messe.
»Das ist … interessant«, sagte ich langsam, weil mir nichts besseres in den Sinn kam. Und als ich meinen Blick schweifen ließ, sah ich den Zugang zu einer Messehalle, in der keine Verlagsstände aufgebaut, sondern nur Regale, die bis an den Rand mit diesen Schuhen aus Papier vollgestopft waren. »Vielleicht sollte ich bei dieser Aktion mitmachen.«
Da wachte ich auf.
»Aha«, sagte ich, ein kompletter Satz kam mir nicht über die Lippen. Nicht in diesem Augenblick, nicht bei dieser Gelegenheit.
Ich hielt mich auf der Frankfurter Buchmesse auf. Die Hallen waren voll, wie sie das in jedem Jahr waren, die Luft war stickig, und der Lärm brandete auf mich ein. Unter meinem Jackett – die Krawatte hatte ich weggelassen – trug ich ein Hemd mit Unterhemd, und das Unterhemd klebte schon feucht auf meinem Rücken.
Die Frau lächelte immer noch, als hätte man ihr den Gesichtsausdruck festgeklebt. »Moment«, sagte sie und beugte sich zur Seite. Sie kam wieder hoch und hielt einen Umschlag aus Papier in der Hand. »Hier, ein spezielles Geschenk für Sie. Wir würden uns freuen, wenn Sie unser Geschenk auch nutzen würden.«
Ich sah sie wohl verwirrt an, denn sie nickte mir auffordernd zu. Also nahm ich ihr den Umschlag ab und öffnete ihn vorsichtig. Vorsichtig zog ich den Inhalt heraus: Es waren zwei Schuhe, beide von der Form klassischer Birkenstock-Sandalen, allerdings recht groß.
Den Umschlag legte ich auf den Tresen des Messestandes, die Schuhe betrachtete ich genauer. Sie waren aus Papier hergestellt worden, das bedruckt worden war. Sowohl die Sohlen als auch das Obermaterial bestanden aus zahllosen Lagen aus Papier, dicht gepresst und offensichtlich recht stabil. Ich erkannte Buchstaben und einzelne Wörter, konnte aber keinen Zusammenhang herstellen.
»Was ist das eigentlich?«, fragte ich.
Sie strahlte mich wieder an. »Wir haben einen Weg gefunden, die Retouren aus den Buchhandlungen sinnvoll zu verwenden«, sagte sie. »Wir machen Schuhe daraus. Und ich fände es toll, wenn Sie unsere Schuhe anziehen und damit auf der Messe herumgehen würden.«
Immer noch hielt ich die Schuhe in der Hand und drehte sie hin und her. Vergeblich versuchte ich, das Namensschild der Verlagsangestellten auf ihrer Brust zu lesen.
»Schauen Sie doch hier«, sagte sie, »wie viele Menschen unsere neuen Schuhe nutzen.« Sie wies auf den Messegang.
Da fiel es mir auf. Überall waren Menschen unterwegs, die diese seltsamen Sandalen trugen. Meist hatten sie die Sandalen einfach über ihre Schuhe gezogen, andere hatten offenbar ihre Schuhe irgendwo stehen gelassen und bewegten sich nun mit Socken und Sandalen über die Messe.
»Das ist … interessant«, sagte ich langsam, weil mir nichts besseres in den Sinn kam. Und als ich meinen Blick schweifen ließ, sah ich den Zugang zu einer Messehalle, in der keine Verlagsstände aufgebaut, sondern nur Regale, die bis an den Rand mit diesen Schuhen aus Papier vollgestopft waren. »Vielleicht sollte ich bei dieser Aktion mitmachen.«
Da wachte ich auf.
Albtraum-Comic mit Verwirrungen
Es ist eine verwirrende Geschichte, mit der man beim Anhören des Hörspiels »Albtraum-Comic« konfrontiert wird. John Sinclair, der Geisterjäger, hat wilden Sex, wird mit einer fiesen Polizeikontrolle konfrontiert, schlägt sich mit Werwölfen herum, stolpert über einen Mord und eine Entführung – und alles scheint nicht so richtig zusammenzupassen. Erst nach einiger Zeit erkennt der Held der Gruselserie, welche Zusammenhänge es gibt.
Die »John Sinclair«-Hörspielfolge trägt den Titel »Albtraum-Comic«, basiert auf einem Heftroman aus dem Jahr 1985 und braucht einige Zeit, bis die Geschichte wirklich rund läuft. Bis zu diesem Punkt herrscht einiges an Verwirrung vor – bei den Figuren ebenso wie bei den Hörerinnen und Hörern. Man erkennt dann schon, das alles einer gewissen Logik unterliegt.
Spannend wäre jetzt, im Detail herauszufinden, was aus dem Original-Roman stammt und was die Macher von Zaubermond Audio hinzufügten, als sie aus dem Roman ein Hörspiel entwickelten. Seit ich immer wieder »John Sinclair«-Hörspiele höre, fällt mir auf, wie gut die alten Hefte umgesetzt werden. Das ist spannend gemacht und hat eine innere Logik, die den Figuren sogar eine Entwicklugn ermöglicht.
Fast schon witzig ist bei diesem Hörspiel übrigens die parallele Handlung um einen Comic-Zeichner, der in ständigen Geldnöten steckt, der Ärger mit seiner Vermieterin hat und vor allem von seinen Rachegedanken beherrscht wird. Das ist – wie immer – gut gemacht: Die Dialoge sind gut, die Geräusche stets stark, die Handlung ist dynamisch.
Respekt!
Die »John Sinclair«-Hörspielfolge trägt den Titel »Albtraum-Comic«, basiert auf einem Heftroman aus dem Jahr 1985 und braucht einige Zeit, bis die Geschichte wirklich rund läuft. Bis zu diesem Punkt herrscht einiges an Verwirrung vor – bei den Figuren ebenso wie bei den Hörerinnen und Hörern. Man erkennt dann schon, das alles einer gewissen Logik unterliegt.
Spannend wäre jetzt, im Detail herauszufinden, was aus dem Original-Roman stammt und was die Macher von Zaubermond Audio hinzufügten, als sie aus dem Roman ein Hörspiel entwickelten. Seit ich immer wieder »John Sinclair«-Hörspiele höre, fällt mir auf, wie gut die alten Hefte umgesetzt werden. Das ist spannend gemacht und hat eine innere Logik, die den Figuren sogar eine Entwicklugn ermöglicht.
Fast schon witzig ist bei diesem Hörspiel übrigens die parallele Handlung um einen Comic-Zeichner, der in ständigen Geldnöten steckt, der Ärger mit seiner Vermieterin hat und vor allem von seinen Rachegedanken beherrscht wird. Das ist – wie immer – gut gemacht: Die Dialoge sind gut, die Geräusche stets stark, die Handlung ist dynamisch.
Respekt!
25 November 2021
Informationslöcher in pandemischen Zeiten
Gezwungenermaßen muss ich mich – wie die meisten anderen Leute auch – in diesen Tagen ständig mit der Corona-Pandemie beschäftigen. In diesem Zusammenhang versuchte ich mich über die Corona-Regeln zu informieren, die seit kurzem in Baden-Württemberg gelten. Dazu ging ich – was ich für schlüssig halte – auf die offizielle Internet-Seite der Stadt Karlsruhe.
Dort fand ich leider keine – was ich hilfreich gefunden hätte – klare Übersicht, sondern haufenweise Links zu anderen Unterseiten. Vielleicht war ich zu dämlich, aber auf den ersten und zweiten Blick gab es keine konkrete Information, die mir rasch weitergeholfen hätte.
Was ich dann fand, war in grausigem Beamtendeutsch verfasst. Damit hatte ich schon immer meine Probleme, obwohl es mein Job ist, mich mit Sprache zu beschäftigen. Wie sollen Menschen damit klarkommen, die aus migrantischen Familien kommen, die ihre Probleme mit der deutschen Sprache haben oder die generell mit Schachtelsätzen und umständlichen Formulierungen fremdeln?
Also ging ich auf die Seite eines örtlichen Nachrichtenportals, dem ich sonst nicht so viel Vertrauen schenke. Dort fand ich eine Reihe von Informationen, mit denen ich mich vertraut machen konnte. Sie waren meiner Ansicht nach auch verständlich. Wenn man sich gut in der deutschen Sprache auskannte, versteht sich …
Danach war ich ein wenig schlauer. Trotzdem frage ich mich, warum es offensichtlich die Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen nicht für nötig halten, die »Maßnahmen« so darzustellen, dass sie ein normaler Mensch auch verstehen kann. Ich wundere mich nicht, dass das viele Leute nicht kapieren.
Ganz banal gefragt: Wäre es in einer solchen Pandemie, in der jeden Tag die Leute zu Hunderten sterben, nicht sinnvoll, eine ganz ordinäre Postwurfsendung in alle Briefkästen der Stadt stecken zu lassen? Idealerweise in verständlichem Deutsch mit Übersetzungen in andere Sprachen oder zumindest Links zu Seiten, wo diese Anordnungen in russisch, türkisch, italienisch, arabisch und serbisch – um mal einige Beispiele zu nennen – nachgelesen werden können?
Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, ein bisschen Geld von den vielen hundert Millionen, die der Umbau des Staatstheaters kosten wird, in die Information der einfachen Bürger zu stecken. Es ist so frustrierend! Ich weiß mittlerweile wieder, warum ich viele Jahre lang nur ungültig gewählt habe …
Dort fand ich leider keine – was ich hilfreich gefunden hätte – klare Übersicht, sondern haufenweise Links zu anderen Unterseiten. Vielleicht war ich zu dämlich, aber auf den ersten und zweiten Blick gab es keine konkrete Information, die mir rasch weitergeholfen hätte.
Was ich dann fand, war in grausigem Beamtendeutsch verfasst. Damit hatte ich schon immer meine Probleme, obwohl es mein Job ist, mich mit Sprache zu beschäftigen. Wie sollen Menschen damit klarkommen, die aus migrantischen Familien kommen, die ihre Probleme mit der deutschen Sprache haben oder die generell mit Schachtelsätzen und umständlichen Formulierungen fremdeln?
Also ging ich auf die Seite eines örtlichen Nachrichtenportals, dem ich sonst nicht so viel Vertrauen schenke. Dort fand ich eine Reihe von Informationen, mit denen ich mich vertraut machen konnte. Sie waren meiner Ansicht nach auch verständlich. Wenn man sich gut in der deutschen Sprache auskannte, versteht sich …
Danach war ich ein wenig schlauer. Trotzdem frage ich mich, warum es offensichtlich die Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen nicht für nötig halten, die »Maßnahmen« so darzustellen, dass sie ein normaler Mensch auch verstehen kann. Ich wundere mich nicht, dass das viele Leute nicht kapieren.
Ganz banal gefragt: Wäre es in einer solchen Pandemie, in der jeden Tag die Leute zu Hunderten sterben, nicht sinnvoll, eine ganz ordinäre Postwurfsendung in alle Briefkästen der Stadt stecken zu lassen? Idealerweise in verständlichem Deutsch mit Übersetzungen in andere Sprachen oder zumindest Links zu Seiten, wo diese Anordnungen in russisch, türkisch, italienisch, arabisch und serbisch – um mal einige Beispiele zu nennen – nachgelesen werden können?
Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, ein bisschen Geld von den vielen hundert Millionen, die der Umbau des Staatstheaters kosten wird, in die Information der einfachen Bürger zu stecken. Es ist so frustrierend! Ich weiß mittlerweile wieder, warum ich viele Jahre lang nur ungültig gewählt habe …
The Dimensions knallen ordentlich
Vier knallige Stücke auf einer EP, die mich umblasen: Die erste Platte von The Dimensions aus Köln kam 2007 heraus, es folgten weitere »kleine« Tonträger – aber diese erste mit dem Titel »Stereo« fand ich einfach großartig. Die vier Stücke werden von der Band auf den Punkt gezaubert, ohne Drumherum oder den Versuch, irgendwie anspruchsvoll zu sein.
Die englischsprachigen Texte erzählen vom Leben im Hier und Jetzt, sie sind sarkastisch, aber nicht zynisch. Auf politische Aussagen wird verzichtet, stattdessen wird in »Come on in« ein Statement zur eigenen Sicht auf Punkrock geliefert: »punkrockshows just got my heart!«
Musikalisch ist das lupenreiner Punk, der von 1977 und dem frühen Sound beeinflusst ist, aber eine rotzige 80er-Jahre-Attitüde als Ergänzung mitliefert. Alle vier Stücke wissen zu überzeugen und machen richtig Spaß. (Ich habe mir die EP gekauft, aber natürlich kann man sich das alles auch digital anhören.)
Die englischsprachigen Texte erzählen vom Leben im Hier und Jetzt, sie sind sarkastisch, aber nicht zynisch. Auf politische Aussagen wird verzichtet, stattdessen wird in »Come on in« ein Statement zur eigenen Sicht auf Punkrock geliefert: »punkrockshows just got my heart!«
Musikalisch ist das lupenreiner Punk, der von 1977 und dem frühen Sound beeinflusst ist, aber eine rotzige 80er-Jahre-Attitüde als Ergänzung mitliefert. Alle vier Stücke wissen zu überzeugen und machen richtig Spaß. (Ich habe mir die EP gekauft, aber natürlich kann man sich das alles auch digital anhören.)
24 November 2021
Ich unter HipHoppern
Seit Jahrzehnten trage ich gern Stoffturnschuhe, die meist von der Marke Converse stammen, nicht immer allerdings. Ich trage sie üblicherweise, bis sie erledigt sind und zerfallen. So auch in diesem Sommer. Und nachdem ich das Paar Schuhe weggeworfen hatte, wollte ich neue Converse-Treter kaufen.
Das stellte sich als gar nicht so einfach aus. In dem Schuhladen, in dem ich sie in all den Jahren erstanden hatte, gab es nur Restexemplare. »Wir lassen die auslaufen«, sagte die freundliche Verkäuferin. »Die sind nicht mehr so gefragt.«
Nach einigem Hin und Her ging ich in einen Laden, der mir schon von außen unsympathisch war, so ein Geschäft, in dem es eben nur Turnschuhe aller Art gab. HipHop wummerte aus den Boxen, überall standen Leute herum. Ich wurde gepflegt ignoriert.
Die einzigen Leute in meinem Alter waren Eltern, die mit ihren Teenagern da waren. Ich hielt einen Verkäufer an und bat ihn, mir Converse in Schwarz zu bringen. Meine Größe kannte ich ja. Er nickte und verschwand. Drei Minuten später war er wieder da, hielt mir eine Schachtel hin und verschwand wieder.
Ich probierte die Schuhe an, stellte fest, dass sie passten – es ist ganz praktisch, wenn Schuhe und Füße eine Einheitsgröße haben –, packte sie in den Karton zurück. Der Verkäufer war nirgends zu sehen, also ging ich zur Kasse.
Die Verkäuferin hatte meterlange Fingernägel in grellem Orange, kaute eifrig auf ihrem Kaugummi herum und ignorierte mich, so gut es ging. Immerhin konnte ich bezahlen – per Karte –, wobei auf so lästige Sachen wie »Danke« weitestgehend verzichtet wurde.
Sehen wir alles positiv: Ich hatte nach höchstens zehn Minuten ein Paar neuer Schuhe, genau die Marke und die Farbe, die ich wollte. Das wollte ich, mehr nicht. Aber wer mir noch einmal erzählt, im Einzelhandel gäbe es eine gute Beratung und deshalb sei dieser der Online-Bestellung überlegen, den lache ich aus.
Das stellte sich als gar nicht so einfach aus. In dem Schuhladen, in dem ich sie in all den Jahren erstanden hatte, gab es nur Restexemplare. »Wir lassen die auslaufen«, sagte die freundliche Verkäuferin. »Die sind nicht mehr so gefragt.«
Nach einigem Hin und Her ging ich in einen Laden, der mir schon von außen unsympathisch war, so ein Geschäft, in dem es eben nur Turnschuhe aller Art gab. HipHop wummerte aus den Boxen, überall standen Leute herum. Ich wurde gepflegt ignoriert.
Die einzigen Leute in meinem Alter waren Eltern, die mit ihren Teenagern da waren. Ich hielt einen Verkäufer an und bat ihn, mir Converse in Schwarz zu bringen. Meine Größe kannte ich ja. Er nickte und verschwand. Drei Minuten später war er wieder da, hielt mir eine Schachtel hin und verschwand wieder.
Ich probierte die Schuhe an, stellte fest, dass sie passten – es ist ganz praktisch, wenn Schuhe und Füße eine Einheitsgröße haben –, packte sie in den Karton zurück. Der Verkäufer war nirgends zu sehen, also ging ich zur Kasse.
Die Verkäuferin hatte meterlange Fingernägel in grellem Orange, kaute eifrig auf ihrem Kaugummi herum und ignorierte mich, so gut es ging. Immerhin konnte ich bezahlen – per Karte –, wobei auf so lästige Sachen wie »Danke« weitestgehend verzichtet wurde.
Sehen wir alles positiv: Ich hatte nach höchstens zehn Minuten ein Paar neuer Schuhe, genau die Marke und die Farbe, die ich wollte. Das wollte ich, mehr nicht. Aber wer mir noch einmal erzählt, im Einzelhandel gäbe es eine gute Beratung und deshalb sei dieser der Online-Bestellung überlegen, den lache ich aus.
Ein deutscher Science-Fiction-Klassiker
Als ich den Roman »Das Gedankennetz« erstmals las, galt er schon als Klassiker, und ich war noch ein Teenager. Es war etwa 1980 oder 1981, ich hatte mir ein preiswertes Goldmann-Taschenbuch vom Flohmarkt besorgt und verstand den Roman nicht so richtig. Damals war meine Science-Fiction-Lektüre noch stark von Heftromanen bestimmt …
Dieser Tage las ich den Roman erneut: in der schönen Hardcover-Edition des Verlages p.machinery. Dort erscheint eine Werkausgabe mit den Werken des Schriftstellers Herbert W. Franke, und »Das Gedankennetz« ist der zweite Band dieser Werkausgabe. Es ist ein richtig schönes Buch, das gut in der Hand liegt und sich auch sehr gut lesen lässt.
Sprachlich wirkt der Roman schon sehr wuchtig: Der Autor arbeitet mit starken Bildern und Vergleichen, er lässt seine phantastischen Planeten in immer neuen Eindrücken vor dem Auge des Lesers erscheinen. Manchmal ist das fast zu viel, aber wenn man bedenkt, dass dieser Roman erstmals 1961 veröffentlicht wurde, empfinde ich das als einen überraschend reifen Stil.
Der Inhalt ist kryptisch: Hauptperson ist Eric Frost, den man in mehreren Rollen kennenlernt. Mal ist er auf einer Erkundungsmission auf einer fremden Welt, dann ist er der getreue Freund eines mächtigen Mannes, dem er bei der Flucht hilft, dann wieder ist er Gefangener einer Diktatur, die ihn unter ein Gedankennetz legen und verhören will.
Man braucht als Leser einige Zeit, um zu erkennen, dass sich Frost in einer Kette von Simulationen befindet. Und man ist sich am Ende nicht mehr so richtig klar darüber, wo die Simulation eigentlich anfängt und aufhört. Das ist – vor allem in den einzelnen Großkapiteln – spannend erzählt und bildmächtig geschildert.
Der Roman ist immer noch lesenswert, er ist erstaunlich gut gealtert. Das kommt daher, weil die beschriebene Technik (man tippt halt auf Schreibmaschinen und benutzt Lochkarten) zwar veraltet ist, aber keine große Rolle spielt. Wichtig sind die Figuren und ihr Verhältnis; die Science-Fiction-Idee mit der simulierten Wirklichkeit ist zudem immer noch aktuell.
Lesenswerter deutschsprachiger Science-Fiction-Klassiker!
Dieser Tage las ich den Roman erneut: in der schönen Hardcover-Edition des Verlages p.machinery. Dort erscheint eine Werkausgabe mit den Werken des Schriftstellers Herbert W. Franke, und »Das Gedankennetz« ist der zweite Band dieser Werkausgabe. Es ist ein richtig schönes Buch, das gut in der Hand liegt und sich auch sehr gut lesen lässt.
Sprachlich wirkt der Roman schon sehr wuchtig: Der Autor arbeitet mit starken Bildern und Vergleichen, er lässt seine phantastischen Planeten in immer neuen Eindrücken vor dem Auge des Lesers erscheinen. Manchmal ist das fast zu viel, aber wenn man bedenkt, dass dieser Roman erstmals 1961 veröffentlicht wurde, empfinde ich das als einen überraschend reifen Stil.
Der Inhalt ist kryptisch: Hauptperson ist Eric Frost, den man in mehreren Rollen kennenlernt. Mal ist er auf einer Erkundungsmission auf einer fremden Welt, dann ist er der getreue Freund eines mächtigen Mannes, dem er bei der Flucht hilft, dann wieder ist er Gefangener einer Diktatur, die ihn unter ein Gedankennetz legen und verhören will.
Man braucht als Leser einige Zeit, um zu erkennen, dass sich Frost in einer Kette von Simulationen befindet. Und man ist sich am Ende nicht mehr so richtig klar darüber, wo die Simulation eigentlich anfängt und aufhört. Das ist – vor allem in den einzelnen Großkapiteln – spannend erzählt und bildmächtig geschildert.
Der Roman ist immer noch lesenswert, er ist erstaunlich gut gealtert. Das kommt daher, weil die beschriebene Technik (man tippt halt auf Schreibmaschinen und benutzt Lochkarten) zwar veraltet ist, aber keine große Rolle spielt. Wichtig sind die Figuren und ihr Verhältnis; die Science-Fiction-Idee mit der simulierten Wirklichkeit ist zudem immer noch aktuell.
Lesenswerter deutschsprachiger Science-Fiction-Klassiker!
23 November 2021
Eindrucksvoll-düsterer Blick auf das Kriegsende
Als vor einigen Jahren der französische Künstler Jacques Tardi seinen Comic »Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag II B« veröffentlichte, erregte er damit großes Aufsehen. Der Autor und Zeichner erzählte von seinem Vater, der in der französischen Armee war, von der Wehrmacht bereits 1940 gefangen genommen wurde und bis 1945 in einem deutschen Kriegsgefangenenlager verbringen musste.
Mit »Der lange Marsch durch Deutschland« liegt seit einiger Zeit der zweite Teil vor, den ich allerdings dieser Tage erst gelesen habe. Ich finde ihn eindrucksvoll, weil er so düster und realistisch ist, manchmal so traurige Eindrücke vermittelt und gelegentlich sogar Galgenhumor zeigt. Er erzählt von endlosen Märschen und allerlei Greueln, vor allem von der Sinnlosigkeit eines Krieges.
René Tardi sitzt in Hammerstein in einem Kriegsgefangenenlager; damals ein Teil von Westpreußen. Als sich die russische Front nähert, beschließen die Deutschen, viele Lager zu evakuieren. Nicht nur die Häftlinge der Konzentrationslager, sondern auch die Soldaten aus den Kriegsgefangenenlagern werden in endlosen Kolonnen nach Westen geschickt.
René Tardi ist dabei. Mit blutigen Füßen und hungrigen Mägen marschieren die französischen Gefangenen kreuz und quer durch Westpreußen und Brandenburg, Mecklenburg und Niedersachsen. Sie durchqueren Waldstücke und ausgebombte Städte, sie kehren um und laufen im Kreis. Sie werden von den Wachleuten geschunden, hoffen nur auf das Kriegsende und freuen sich über ein Stück Brot.
»Der lange Marsch durch Deutschland« ist ein eindrucksvoller Comic. Die Zeichnungen sind in klassischem Schwarzweiß, keine Grautöne, keine Farbe. Das passt zur Geschichte, die lakonisch erzählt wird, mit trockenen Dialogen und immer wieder ergänzt durch historische Details – diese helfen dann, die Ereignisse einzuordnen.
Der Autor lässt nichts aus ... Die Rache der Kriegsgefangenen entlädt sich an ihren Peinigern, aber auch an Zivilisten. Er berichtet von Bombenkrieg und Vergewaltigungen, erzählt von den mörderischen Taten der Deutschen.
Illustriert wird die Geschichte vor allem von den Bildern endloser Marschkolonnen. Anfangs sind es die französischen Kriegsgefangenen, später treffen sie auf KZ-Häftlinge, noch später sieht man immer mehr Scharen von ausgebombten und flüchtenden Deutschen. Das Grauen des Kriegs wird durch die teilweise streng subjektive, dann aber auch durch die manchmal distanzierte Erzählweise eindrucksvoll vermittelt.
»Der lange Marsch durch Deutschland« ist alles andere als leichte Kost, aber ein eindrucksvolles Werk. Tardi hat das Ende des Zweiten Weltkriegs auf seine Weise in einen Comic verwandelt, der keine Heldengeschichten erzählt, sondern die Realität in Bilder fasst. Starkes Werk!
(Erschienen ist der Hardcover-Band in der Edition Moderne: eine schöne Ausgabe, die man auch aus künstlerischen Aspekten wegen der Zeichnungen immer mal wieder in die Hand nehmen kann.)
Mit »Der lange Marsch durch Deutschland« liegt seit einiger Zeit der zweite Teil vor, den ich allerdings dieser Tage erst gelesen habe. Ich finde ihn eindrucksvoll, weil er so düster und realistisch ist, manchmal so traurige Eindrücke vermittelt und gelegentlich sogar Galgenhumor zeigt. Er erzählt von endlosen Märschen und allerlei Greueln, vor allem von der Sinnlosigkeit eines Krieges.
René Tardi sitzt in Hammerstein in einem Kriegsgefangenenlager; damals ein Teil von Westpreußen. Als sich die russische Front nähert, beschließen die Deutschen, viele Lager zu evakuieren. Nicht nur die Häftlinge der Konzentrationslager, sondern auch die Soldaten aus den Kriegsgefangenenlagern werden in endlosen Kolonnen nach Westen geschickt.
René Tardi ist dabei. Mit blutigen Füßen und hungrigen Mägen marschieren die französischen Gefangenen kreuz und quer durch Westpreußen und Brandenburg, Mecklenburg und Niedersachsen. Sie durchqueren Waldstücke und ausgebombte Städte, sie kehren um und laufen im Kreis. Sie werden von den Wachleuten geschunden, hoffen nur auf das Kriegsende und freuen sich über ein Stück Brot.
»Der lange Marsch durch Deutschland« ist ein eindrucksvoller Comic. Die Zeichnungen sind in klassischem Schwarzweiß, keine Grautöne, keine Farbe. Das passt zur Geschichte, die lakonisch erzählt wird, mit trockenen Dialogen und immer wieder ergänzt durch historische Details – diese helfen dann, die Ereignisse einzuordnen.
Der Autor lässt nichts aus ... Die Rache der Kriegsgefangenen entlädt sich an ihren Peinigern, aber auch an Zivilisten. Er berichtet von Bombenkrieg und Vergewaltigungen, erzählt von den mörderischen Taten der Deutschen.
Illustriert wird die Geschichte vor allem von den Bildern endloser Marschkolonnen. Anfangs sind es die französischen Kriegsgefangenen, später treffen sie auf KZ-Häftlinge, noch später sieht man immer mehr Scharen von ausgebombten und flüchtenden Deutschen. Das Grauen des Kriegs wird durch die teilweise streng subjektive, dann aber auch durch die manchmal distanzierte Erzählweise eindrucksvoll vermittelt.
»Der lange Marsch durch Deutschland« ist alles andere als leichte Kost, aber ein eindrucksvolles Werk. Tardi hat das Ende des Zweiten Weltkriegs auf seine Weise in einen Comic verwandelt, der keine Heldengeschichten erzählt, sondern die Realität in Bilder fasst. Starkes Werk!
(Erschienen ist der Hardcover-Band in der Edition Moderne: eine schöne Ausgabe, die man auch aus künstlerischen Aspekten wegen der Zeichnungen immer mal wieder in die Hand nehmen kann.)
22 November 2021
Endlich die erste Impfung
Die Frau wirkte in ihrem Beruf kompetent, sie stand – wie man so schön sagt – mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Aber sie war nicht bislang geimpft, wie mir sagte, hatte sich aber für einen Impftermin in dieser Woche angemeldet.
»Die Zahlen sind so hoch derzeit, da lasse ich mich halt auch impfen«, sagte sie.
»Warum haben Sie das denn bisher nicht gemacht?«, fragte ich höflich.
»Ach.« Sie winkte ab. »Keine Zeit, kein Nerv, und ich bin ja immer gesund, und ich passe auf, dass ich Abstand halte und Maske trage. Das wird schon gutgehen, dachte ich.«
Wir führten ein ruhiges Gespräch. Es gab keinen Anlass, ihr Vorwürfe zu machen – sie machte einen intelligenten und ruhigen Eindruck.
Im weiteren Gespräch kam sie auf die eigentlichen Probleme während der Pandemie. »Am gefährlichsten sind die Geimpften, die nicht aufpassen«, erklärte sie. »Die umarmen sich, die machen wieder Bussi-Bussi wie vor der Pandemie und halten keine Abstände; Masken haben sie eh keine auf.« Dabei wisse man doch, dass auch Geimpfte die Krankheit weiter verbreiten könnten.
Es war ein seltsames Gespräch. Die Frau war keine Corona-Leugnerin, und sie war weit davon entfernt, Parolen plärrend durch die Straßen zu ziehen. Am Ende war ich ein wenig ratlos.
»Die Zahlen sind so hoch derzeit, da lasse ich mich halt auch impfen«, sagte sie.
»Warum haben Sie das denn bisher nicht gemacht?«, fragte ich höflich.
»Ach.« Sie winkte ab. »Keine Zeit, kein Nerv, und ich bin ja immer gesund, und ich passe auf, dass ich Abstand halte und Maske trage. Das wird schon gutgehen, dachte ich.«
Wir führten ein ruhiges Gespräch. Es gab keinen Anlass, ihr Vorwürfe zu machen – sie machte einen intelligenten und ruhigen Eindruck.
Im weiteren Gespräch kam sie auf die eigentlichen Probleme während der Pandemie. »Am gefährlichsten sind die Geimpften, die nicht aufpassen«, erklärte sie. »Die umarmen sich, die machen wieder Bussi-Bussi wie vor der Pandemie und halten keine Abstände; Masken haben sie eh keine auf.« Dabei wisse man doch, dass auch Geimpfte die Krankheit weiter verbreiten könnten.
Es war ein seltsames Gespräch. Die Frau war keine Corona-Leugnerin, und sie war weit davon entfernt, Parolen plärrend durch die Straßen zu ziehen. Am Ende war ich ein wenig ratlos.
Wonk Unit geht neue Wege
Dass ich Wonk Unit mag, habe ich schon gelegentlich geschrieben. Ich sah die Band aus England mehrfach live, halte sie vor allem auf der Bühne für unschlagbar und mag auch ihre Platten. Im Oktober 2021 erschien die neue Platte der Band: als Vinyl, CD und natürlich ebenso im Download: »Uncle Daddy« geht dabei einige neue Wege.
Nach wie vor baut die Art, wie die Band ihre Stücke schreibt, stark auf Melodien auf, die der Sänger mit seiner Stimme nach vorne peitscht, schnell und dynamisch. Doch während die Band bei manchen Platten immer mal wieder einen Gang zurückscaltet, lässt sie es diesmal krachen: Der Sänger brüllt gelegentlich, die Dynamik der Stücke ist schneller und knalliger, und manchmal wirkt das Ganze wie Hardcore-Punk aus den 80er-Jahren.
Auffällig ist die Rolle der Keyboarderin. Diese hat einige Stücke beigesteuert, die sie auch singt – das gibt einen schönen Gegensatz zum männlichen Sänger. Ihre helle Stimmt gibt den Stücken einen ganz anderen Charakter, viel melodischer und lockerer. Wenn danach gleich wieder ein Punk-Kracher des Sängers kommt, gibt das der Platte mehr Abwechslung. Während der Sänger durch die Stücke stampft, tänzelt die Keyboarderin gewissermaßen …
Die neue Platte von Wonk Unit ist Punkrock, wie ich es mag: Melodie und Schmackes in zwanzig flotten Stücken, die gut ins Ohr gehen und mich auf baldige Konzerte hoffen lassen. Klasse!
Nach wie vor baut die Art, wie die Band ihre Stücke schreibt, stark auf Melodien auf, die der Sänger mit seiner Stimme nach vorne peitscht, schnell und dynamisch. Doch während die Band bei manchen Platten immer mal wieder einen Gang zurückscaltet, lässt sie es diesmal krachen: Der Sänger brüllt gelegentlich, die Dynamik der Stücke ist schneller und knalliger, und manchmal wirkt das Ganze wie Hardcore-Punk aus den 80er-Jahren.
Auffällig ist die Rolle der Keyboarderin. Diese hat einige Stücke beigesteuert, die sie auch singt – das gibt einen schönen Gegensatz zum männlichen Sänger. Ihre helle Stimmt gibt den Stücken einen ganz anderen Charakter, viel melodischer und lockerer. Wenn danach gleich wieder ein Punk-Kracher des Sängers kommt, gibt das der Platte mehr Abwechslung. Während der Sänger durch die Stücke stampft, tänzelt die Keyboarderin gewissermaßen …
Die neue Platte von Wonk Unit ist Punkrock, wie ich es mag: Melodie und Schmackes in zwanzig flotten Stücken, die gut ins Ohr gehen und mich auf baldige Konzerte hoffen lassen. Klasse!
21 November 2021
Panzerfaust
Nachdenklich stand ich vor der Werkbank meines Vaters. Er hatte sie von seinem Vater übernommen, der sie selbst hergestellt hatte, und im Verlauf der Jahre immer wieder ausgebaut. Es war ein massives Ding aus schwerem Holz, mit einer Schraubzwinge und stabilen Schubladen. An der Wand dahinter hing Werkzeug, darüber kam ein Regalbrett. An diesem wiederum hatte mein Vater allerlei Zeichen aus Blech und Stoff befestigt.
Auf eines davon zeige ich. Ich erkannte einen symbolisierten Panzer, mehr aber nicht. »Was ist das?«
Er sah hin und zuckte mit den Achseln. »Ein Panzervernichtungsabzeichen.«
Zu den anderen Symbolen fragte ich ihn nicht. Auf einem glänzte ein Hakenkreuz, und es war mir klar, dass das mit dem Krieg zu tun hatte. Aus Büchern wusste ich immerhin schon, was ein Eisernes Kreuz war. Mein Vater redete so gut wie nie über die Jahre 1943 bis 1948, den Krieg und die Gefangenschaft, und wenn, blieb es bei Andeutungen.
»Wo hast du das erhalten?« Ich ging in die Grundschule und las viele Bücher, wusste aber nicht viel über den Krieg. Er lag auch schon dreißig Jahre zurück.
»In der Slowakei. Anfang 1945.« Mein Vater hob die Schultern. »Viele Möglichkeiten hatten wir nicht.«
»Was ist geschehen?«
Zuerst sagte er nichts. Er stand da, die Bierflasche in der rechten Hand, die linke Hand in eine Tasche seiner Latzhose gesteckt. Sein Gesicht kam mir irgendwie leer vor, fast ohne Ausdruck, und er schien ins Nichts zu blicken. Dann fing er unvermittelt zu reden an.
»Wir saßen in einer alten Fabrik, unsere Gruppe und unser Leutnant. Wir hatten jeder mindestens eine Panzerfast und ein Gewehr. Und wir warteten. Wir guckten auf eine große Wiese, und am anderen Ende kam der Wald. In dem steckten die Russen, und wir sollten sie aufhalten. Dann kam ein Panzer aus dem Wald, rollte langsam auf uns zu. Der Leutnant sagte, wir sollten warten und nichts tun. Der sei nur ein Lockvogel, im Wald seien noch mehr. Also haben wir gewartet. Und dann fuhr der Panzer wieder zurück, hielt am Waldrand, und dann kamen ganz viele Panzer auf uns zu. Wir haben gewartet, bis sie ganz nahe heran waren, und dann haben wir sie mit den Panzerfäusten geknackt. Als alle gebrannt waren, sind wir abgehauen.«
»Und dann?«, fragte ich gespannt.
»Nichts und dann«, gab er barsch zurück. »Wir sind gelaufen und gelaufen, bis wir bei unserer Kompanie waren, und dann ging es weiter zurück, und …« Er brach ab, nahm einen großen Schluck Bier und ließ mich stehen. Ich hörte, wie er in die Garage ging und etwas am Auto machte, und ich wusste, dass ich ihn nichts mehr zu fragen brauchte.
Es war eine der wenigen Gelegenheiten, an denen er etwas erzählte. Über das Panzervernichtungsabzeichen wurde nie wieder gesprochen. Eines Tages fehlte es einfach.
Auf eines davon zeige ich. Ich erkannte einen symbolisierten Panzer, mehr aber nicht. »Was ist das?«
Er sah hin und zuckte mit den Achseln. »Ein Panzervernichtungsabzeichen.«
Zu den anderen Symbolen fragte ich ihn nicht. Auf einem glänzte ein Hakenkreuz, und es war mir klar, dass das mit dem Krieg zu tun hatte. Aus Büchern wusste ich immerhin schon, was ein Eisernes Kreuz war. Mein Vater redete so gut wie nie über die Jahre 1943 bis 1948, den Krieg und die Gefangenschaft, und wenn, blieb es bei Andeutungen.
»Wo hast du das erhalten?« Ich ging in die Grundschule und las viele Bücher, wusste aber nicht viel über den Krieg. Er lag auch schon dreißig Jahre zurück.
»In der Slowakei. Anfang 1945.« Mein Vater hob die Schultern. »Viele Möglichkeiten hatten wir nicht.«
»Was ist geschehen?«
Zuerst sagte er nichts. Er stand da, die Bierflasche in der rechten Hand, die linke Hand in eine Tasche seiner Latzhose gesteckt. Sein Gesicht kam mir irgendwie leer vor, fast ohne Ausdruck, und er schien ins Nichts zu blicken. Dann fing er unvermittelt zu reden an.
»Wir saßen in einer alten Fabrik, unsere Gruppe und unser Leutnant. Wir hatten jeder mindestens eine Panzerfast und ein Gewehr. Und wir warteten. Wir guckten auf eine große Wiese, und am anderen Ende kam der Wald. In dem steckten die Russen, und wir sollten sie aufhalten. Dann kam ein Panzer aus dem Wald, rollte langsam auf uns zu. Der Leutnant sagte, wir sollten warten und nichts tun. Der sei nur ein Lockvogel, im Wald seien noch mehr. Also haben wir gewartet. Und dann fuhr der Panzer wieder zurück, hielt am Waldrand, und dann kamen ganz viele Panzer auf uns zu. Wir haben gewartet, bis sie ganz nahe heran waren, und dann haben wir sie mit den Panzerfäusten geknackt. Als alle gebrannt waren, sind wir abgehauen.«
»Und dann?«, fragte ich gespannt.
»Nichts und dann«, gab er barsch zurück. »Wir sind gelaufen und gelaufen, bis wir bei unserer Kompanie waren, und dann ging es weiter zurück, und …« Er brach ab, nahm einen großen Schluck Bier und ließ mich stehen. Ich hörte, wie er in die Garage ging und etwas am Auto machte, und ich wusste, dass ich ihn nichts mehr zu fragen brauchte.
Es war eine der wenigen Gelegenheiten, an denen er etwas erzählte. Über das Panzervernichtungsabzeichen wurde nie wieder gesprochen. Eines Tages fehlte es einfach.
20 November 2021
Haßloch ist kein Musterdorf mehr
Jahrelang nahmen wir es uns vor, machten es aber nie: »Komm, lass uns mal nach Haßloch fahren, dort im Supermarkt allen möglichen Kram einkaufen, den es bei uns nicht gibt, und damit die Statistik völlig durcheinander bringen.« Das geht jetzt eh nicht mehr – denn Haßloch ist kein Musterdorf mehr.
Wer das nicht versteht, dem muss ich es kurz erklären. Haßloch liegt in der Pfalz, ist im Prinzip halt ein großes Dorf, das ein wenig aus den Fugen geraten ist und heute an die 20.000 Einwohner hat. Man hat vor 35 Jahren herausgefunden, dass die Bevölkerung dort wohl typisch ist für Deutschland.
Die GfK, so ein Marktforschungsinstitut, benutzte in den Jahrzehnten seit 1986 den Ort als einen Testmarkt für neue Produkte. In Haßloch stimmte wohl das Verhältnis von Alt und Jung, von Familien und Singles und so weiter – damit konnte man gut planen. In den Läden lagen Produkte aus, die man nur in Haßloch bekam; hier konnten die großen Firmen neue Dinge ausprobieren.
Das ist jetzt Geschichte. Die GfK setzt eher auf Online-Fragereien oder gleich auf irgendwelche Smartphone-Geschichten. Damit werden die Ergebnisse schneller und angeblich auch korrekter erzeugt. Damit braucht man auch kein Marktforschungsteam vor Ort mehr.
Schauen wir mal, ob das für die GfK reicht oder ob man in wenigen Jahren eine neue Gemeinde als den typischen Musterort in Deutschland ausfindig macht. Für uns heißt es auf jeden Fall: Eine Fahrt nach Haßloch, um dort Produkte zu kaufen, die man sonst nirgends bekommt, brauchen wir wohl nicht mehr anzutreten. Wahrscheinlich haben wir nicht viel verpasst …
Wer das nicht versteht, dem muss ich es kurz erklären. Haßloch liegt in der Pfalz, ist im Prinzip halt ein großes Dorf, das ein wenig aus den Fugen geraten ist und heute an die 20.000 Einwohner hat. Man hat vor 35 Jahren herausgefunden, dass die Bevölkerung dort wohl typisch ist für Deutschland.
Die GfK, so ein Marktforschungsinstitut, benutzte in den Jahrzehnten seit 1986 den Ort als einen Testmarkt für neue Produkte. In Haßloch stimmte wohl das Verhältnis von Alt und Jung, von Familien und Singles und so weiter – damit konnte man gut planen. In den Läden lagen Produkte aus, die man nur in Haßloch bekam; hier konnten die großen Firmen neue Dinge ausprobieren.
Das ist jetzt Geschichte. Die GfK setzt eher auf Online-Fragereien oder gleich auf irgendwelche Smartphone-Geschichten. Damit werden die Ergebnisse schneller und angeblich auch korrekter erzeugt. Damit braucht man auch kein Marktforschungsteam vor Ort mehr.
Schauen wir mal, ob das für die GfK reicht oder ob man in wenigen Jahren eine neue Gemeinde als den typischen Musterort in Deutschland ausfindig macht. Für uns heißt es auf jeden Fall: Eine Fahrt nach Haßloch, um dort Produkte zu kaufen, die man sonst nirgends bekommt, brauchen wir wohl nicht mehr anzutreten. Wahrscheinlich haben wir nicht viel verpasst …
19 November 2021
Besuch von Achim
»Ich könnte dich ja demnächst besuchen«, meinte Achim Mehnert, als wir uns bei einem Con trafen. »Dann mache ich mal Urlaub in Baden.«
Ich nickte, das war eine gute Idee. Dann würde er meine neue Wohnung sehen, in der ich seit über einem Jahr meine Zelte aufgeschlagen hatte.
Wir hatten uns im Verlauf der Jahre immer mal wieder gegenseitig besucht. Ich war per Anhalter nach Köln gereist und hatte in diversen Wohngemeinschaften auf dem Fußboden übernachtet. Achim war per Anhalter in den Schwarzwald gekommen, um mich im Dorf und später in der Kleinstadt zu besuchen. Häufig waren die Besuche in Zusammenhang mit Cons gestanden: der FreuCon in Freudenstadt oder der ColoniaCon in Köln – aber wir hatten uns »auch so« besucht.
Mittlerweile war ich umgezogen und wohnte in einem Dorf in der Nähe von Rastatt. Ich war kein »normaler« Fan mehr, sondern der PERRY RHODAN-Redakteur. Wir hatten uns sogar schon darüber unterhalten, wie es denn wäre, wenn er einmal ein Taschenbuch bei uns veröffentlichen würde.
Spontan vereinbarten wir einen Termin. Achim wollte mit dem Wagen kommen, wir würden einen gemütlichen Tag verbringen, dann wollte er weiterfahren. »Eine kleine Rundreise zu Freunden«, so nannte er es.
Achim kam am späten Nachmittag an; er hatte mit seinem kleinen Auto einige Stunden für die Strecke von Köln nach Bischweier benötigt. Wir begrüßten uns, und er zeigte mir eine Kassette, die er im Rekorder seines Autos gehabt hatte. »Die hab ich die ganze Fahrt über gehört«, sagte er, »ich hab sie einfach immer wieder umgedreht.« Auf der einen Seite war Bap zu hören, die Band aus Köln, auf der anderen Bruce Springsteen, den Achim – wie viele andere Leute – nur den »Boss« nannte.
Ich hatte eine Kleinigkeit zu essen vorbereitet. Bei schönstem Wetter saßen wir in dem Garten, der zu meiner Ein-Zimmer-Wohnung gehörte, aßen gemütlich und tranken Bier. Ich ließ im Hintergrund in zurückhaltender Lautstärke ein wenig Musik laufen, von der ich glaubte, dass sie Achim und mir gleichermaßen gefallen könnte.
»Können wir meine Kassette nehmen?«, fragte Achim nach einer halben Stunde.
Ich sah ihn verwirrt an. »Die hattest du doch die ganze Zeit im Rekorder. Ich dachte, du willst mal was anderes hören.«
»Nein, nein. Ich brauche Bap und den Boss, sonst nichts.«
So war es dann auch. Achim und ich saßen in der Abendsonne. Wir aßen und tranken, wir redeten und lachten. Im Hintergrund lief entweder Bap oder Bruce Springsteen. Wenn die eine Seite der Kassette abgelaufen war, stand Achim auf, ging in die Wohnung und trat an den Rekorder, drehte die Kassette um, startete die andere Seite und kam zu mir zurück.
Als er am nächsten Morgen weiterfuhr, nahm er die Kassette natürlich mit. Wir sprachen das Thema nicht noch einmal an, aber ich war mir sicher, dass er sie ständig weiterhören würde: mal die eine Seite, dann die andere Seite, durch ganz Süddeutschland und wieder zurück nach Köln. Eine Kassette, zwei Seiten Musik. Ununterbrochen.
So war er eben.
Ich nickte, das war eine gute Idee. Dann würde er meine neue Wohnung sehen, in der ich seit über einem Jahr meine Zelte aufgeschlagen hatte.
Wir hatten uns im Verlauf der Jahre immer mal wieder gegenseitig besucht. Ich war per Anhalter nach Köln gereist und hatte in diversen Wohngemeinschaften auf dem Fußboden übernachtet. Achim war per Anhalter in den Schwarzwald gekommen, um mich im Dorf und später in der Kleinstadt zu besuchen. Häufig waren die Besuche in Zusammenhang mit Cons gestanden: der FreuCon in Freudenstadt oder der ColoniaCon in Köln – aber wir hatten uns »auch so« besucht.
Mittlerweile war ich umgezogen und wohnte in einem Dorf in der Nähe von Rastatt. Ich war kein »normaler« Fan mehr, sondern der PERRY RHODAN-Redakteur. Wir hatten uns sogar schon darüber unterhalten, wie es denn wäre, wenn er einmal ein Taschenbuch bei uns veröffentlichen würde.
Spontan vereinbarten wir einen Termin. Achim wollte mit dem Wagen kommen, wir würden einen gemütlichen Tag verbringen, dann wollte er weiterfahren. »Eine kleine Rundreise zu Freunden«, so nannte er es.
Achim kam am späten Nachmittag an; er hatte mit seinem kleinen Auto einige Stunden für die Strecke von Köln nach Bischweier benötigt. Wir begrüßten uns, und er zeigte mir eine Kassette, die er im Rekorder seines Autos gehabt hatte. »Die hab ich die ganze Fahrt über gehört«, sagte er, »ich hab sie einfach immer wieder umgedreht.« Auf der einen Seite war Bap zu hören, die Band aus Köln, auf der anderen Bruce Springsteen, den Achim – wie viele andere Leute – nur den »Boss« nannte.
Ich hatte eine Kleinigkeit zu essen vorbereitet. Bei schönstem Wetter saßen wir in dem Garten, der zu meiner Ein-Zimmer-Wohnung gehörte, aßen gemütlich und tranken Bier. Ich ließ im Hintergrund in zurückhaltender Lautstärke ein wenig Musik laufen, von der ich glaubte, dass sie Achim und mir gleichermaßen gefallen könnte.
»Können wir meine Kassette nehmen?«, fragte Achim nach einer halben Stunde.
Ich sah ihn verwirrt an. »Die hattest du doch die ganze Zeit im Rekorder. Ich dachte, du willst mal was anderes hören.«
»Nein, nein. Ich brauche Bap und den Boss, sonst nichts.«
So war es dann auch. Achim und ich saßen in der Abendsonne. Wir aßen und tranken, wir redeten und lachten. Im Hintergrund lief entweder Bap oder Bruce Springsteen. Wenn die eine Seite der Kassette abgelaufen war, stand Achim auf, ging in die Wohnung und trat an den Rekorder, drehte die Kassette um, startete die andere Seite und kam zu mir zurück.
Als er am nächsten Morgen weiterfuhr, nahm er die Kassette natürlich mit. Wir sprachen das Thema nicht noch einmal an, aber ich war mir sicher, dass er sie ständig weiterhören würde: mal die eine Seite, dann die andere Seite, durch ganz Süddeutschland und wieder zurück nach Köln. Eine Kassette, zwei Seiten Musik. Ununterbrochen.
So war er eben.
Krachkultur zur Musik
Die Zeitschrift »Krachkultur« lernte ich in den 90er-Jahren kennen; dabei handelte es sich um ein Fanzine, das sich mit krachiger Musik und knalligen Texten beschäftige. Das ist eine Weile her; die »Krachkultur« präsentiert sich seit einigen Jahren als unregelmäßig erscheinendes Magazin in Form eines Taschenbuches. Zuletzt las ich die Ausgabe 21/2020, die sich mit Musik beschäftigt.
Das Magazin ist eine Wundertüte: Texte über Musik, Kurzgeschichten und Essays wechseln sich ab. Manche Texte sind toll, andere eher langweilig – das aber ist Geschmackssache. Während ich beispielsweise »Die Freiheit der Musik« der Geigerin Franziska Pietsch sterbenslangweilig fand, mochte ich den Artikel »Ich weiß, was ich weiß« von Tom Kummer über eine – sicher erfundene – Begegnung mit Bob Dylan sehr, allein deshalb, weil das eine lahm, das andere unterhaltsam ist.
Superwitzig finde ich »Nötes of a Dirty Old Fan«, die kurzen Texte von Frank Schäfer über die Leiden und Freuden eines Metal-Fans, unverständlich ist für mich so etwas wie »Die fruchtbarsten Platten der Klassikgeschichte« oder »Alles, was Jazz ist«.
Interessant ist ein Interview mit dem preisgekrönten Schriftsteller Colson Whitehead, der sich über popkulturelle Themen und klassische Punk-Platten auslässt – durchaus lesenswert –, und manche Geschichten fand ich echt großartig. Für »Metal Church of Extreme Fear« sollte man zumindest ein gewisses Interesse an krachiger Musik mitbringen …
Die 200 Seiten des Buches liest sicher niemand am Stück, ich habe damit auch einige Zeit verbracht. Manche Texte kann man eh nicht zu jeder Zeit lesen, die Mischung ist aber insgesamt sehr positiv. Ich freue mich schon auf die Lektüre weiterer »Krachkultur«-Ausgaben!
Das Magazin ist eine Wundertüte: Texte über Musik, Kurzgeschichten und Essays wechseln sich ab. Manche Texte sind toll, andere eher langweilig – das aber ist Geschmackssache. Während ich beispielsweise »Die Freiheit der Musik« der Geigerin Franziska Pietsch sterbenslangweilig fand, mochte ich den Artikel »Ich weiß, was ich weiß« von Tom Kummer über eine – sicher erfundene – Begegnung mit Bob Dylan sehr, allein deshalb, weil das eine lahm, das andere unterhaltsam ist.
Superwitzig finde ich »Nötes of a Dirty Old Fan«, die kurzen Texte von Frank Schäfer über die Leiden und Freuden eines Metal-Fans, unverständlich ist für mich so etwas wie »Die fruchtbarsten Platten der Klassikgeschichte« oder »Alles, was Jazz ist«.
Interessant ist ein Interview mit dem preisgekrönten Schriftsteller Colson Whitehead, der sich über popkulturelle Themen und klassische Punk-Platten auslässt – durchaus lesenswert –, und manche Geschichten fand ich echt großartig. Für »Metal Church of Extreme Fear« sollte man zumindest ein gewisses Interesse an krachiger Musik mitbringen …
Die 200 Seiten des Buches liest sicher niemand am Stück, ich habe damit auch einige Zeit verbracht. Manche Texte kann man eh nicht zu jeder Zeit lesen, die Mischung ist aber insgesamt sehr positiv. Ich freue mich schon auf die Lektüre weiterer »Krachkultur«-Ausgaben!
18 November 2021
Gedicht über die Pressearbeit
Wenn ich von meinen frühen Schreiberfahrungen berichte, klingt das immer so toll: Mit 19 Jahren fing ich an, für die örtliche Tageszeitung zu schreiben, und bald war ich für immer mehr Themen zuständig. Im Verlauf des Jahres 1984 durfte ich auch große Themen übernehmen und wurde zeitweise für die Gerichtsreportagen eingesetzt. In meiner Wahrnehmung war das alles toll.
Bis mir dieser Tage der Text »Presseberichterstattung« in die Hände fiel. Dabei handelte es sich um den Versuch eines Langgedichtes, und ich schrieb das Ganze am 15. August 1984. Ich schrieb über den Frust bei Dorffesten, über die öden Kumpels und die wenig erquickenden Themen eines Lokaljournalisten, der viel schreibt und arbeitet, dabei aber eigentlich gar nicht zufrieden ist.
Prozesse im Amtsgericht, Festlichkeiten auf den Dörfern, kleine Vereine und ihre Sorgen – ich war den ganzen Tag über unterwegs, schrieb irgendwann und hatte einen festen Arbeitsplatz in der Redaktion. Ich war 20 Jahre alt, und ich verdiente mein Geld mit Schreiben – das hatte ich immer gewollt. Aber ich erkannte, dass das nicht alles sein würde …
Bis mir dieser Tage der Text »Presseberichterstattung« in die Hände fiel. Dabei handelte es sich um den Versuch eines Langgedichtes, und ich schrieb das Ganze am 15. August 1984. Ich schrieb über den Frust bei Dorffesten, über die öden Kumpels und die wenig erquickenden Themen eines Lokaljournalisten, der viel schreibt und arbeitet, dabei aber eigentlich gar nicht zufrieden ist.
Prozesse im Amtsgericht, Festlichkeiten auf den Dörfern, kleine Vereine und ihre Sorgen – ich war den ganzen Tag über unterwegs, schrieb irgendwann und hatte einen festen Arbeitsplatz in der Redaktion. Ich war 20 Jahre alt, und ich verdiente mein Geld mit Schreiben – das hatte ich immer gewollt. Aber ich erkannte, dass das nicht alles sein würde …
Eine Spliff-Single von 1981
Wann genau ich die Single kaufte, ist nicht mehr nachvollziehbar; irgendwann in den 80er-Jahren sicherlich. Es war Secondhand; handschriftlich hatte der vorherige Besitzer seinen Namen und den Wohnort auf die Platte gekritzelt. Immerhin nicht aufs Cover, so dass das Ding noch ziemlich gut aussieht.
Die Single ist von Spliff, einer Band, die zur sogenannten Neuen Deutschen Welle gezählt wurde, obwohl sie am Anfang eigentlich »nur« Rock-Musik mit leichtem Hang zu Punk spielte. Die Single »Rock’n’Roll Refuge« gehört zu der Phase, in der die Band noch als Spliff Radio Show unterwegs war und englischsprachige Stücke machte; erst später kam die Phase, mit der sie bekannt wurde. (»Déjà vu« war ein Stück, das ich in den 80er-Jahren oft auflegte, wenn ich im Jugendzentrum den DJ machte.)
Das Titelstück wird von einer Frau gesungen; es könnte auch von Jim Steinman produziert worden sein und passt komplett in die teilweise überproduzierte Rockmusik jener Tage. Die Melodie ist getragen, es wirkt so, als wollte die Band »anspruchsvoll« sein und unbedingt im Radio gespielt werden – das gelang dann später mit dem Deutsch-Rock.
Ich finde das Stück auf der B-Seite immer noch gut; »Tooled Fool« ist zwar auch recht überproduziert und wartet mit einer fetten Orgel auf, hat aber eine knackige Rock-Stimme und lässt es ziemlich krachen.
Die Single ist von Spliff, einer Band, die zur sogenannten Neuen Deutschen Welle gezählt wurde, obwohl sie am Anfang eigentlich »nur« Rock-Musik mit leichtem Hang zu Punk spielte. Die Single »Rock’n’Roll Refuge« gehört zu der Phase, in der die Band noch als Spliff Radio Show unterwegs war und englischsprachige Stücke machte; erst später kam die Phase, mit der sie bekannt wurde. (»Déjà vu« war ein Stück, das ich in den 80er-Jahren oft auflegte, wenn ich im Jugendzentrum den DJ machte.)
Das Titelstück wird von einer Frau gesungen; es könnte auch von Jim Steinman produziert worden sein und passt komplett in die teilweise überproduzierte Rockmusik jener Tage. Die Melodie ist getragen, es wirkt so, als wollte die Band »anspruchsvoll« sein und unbedingt im Radio gespielt werden – das gelang dann später mit dem Deutsch-Rock.
Ich finde das Stück auf der B-Seite immer noch gut; »Tooled Fool« ist zwar auch recht überproduziert und wartet mit einer fetten Orgel auf, hat aber eine knackige Rock-Stimme und lässt es ziemlich krachen.
Okay, 1981 gab’s knalligere Musik, auch aus deutschen Landen, Deutschpunk erlebte da seinen ersten Höhepunkt – aber Spliff aus diesen frühen Tagen kann ich mir echt immer noch anhören.
17 November 2021
Das Zeichen des Lockdown
»Ich muss nach Feierabend in den DM«, sagte ich in der Mittagspause der Kollegin. »Wir brauchen neue FFP-Masken und Corona-Tests.«
Sie wiegte den Kopf. »Masken haben die sicher noch, Tests sind wahrscheinlich aus.« Sie grinste. »Es wusste ja niemand, dass eine vierte Welle kommen könnte.«
»Keine Tests mehr?«
Sie grinste immer noch. »Und Klopapier gibt's auch schon keines mehr.«
»Quatsch!«
»Du wirst schon selbst sehen.«
Nach Feierabend ging ich in den DM, der sich praktischerweise im gleichen Gebäude wie unsere neuen Büros befand. Die Masken fand ich sofort, ich packte mir welche in den Einkaufskorb. Die Tests waren aus, das Regal gähnte mir staubig entgegen. Und weil ich neugierig war, guckte ich zu der Ecke, wo das Klopapier verkauft wurde.
Tatsächlich: Die Verkaufsfläche war leer. Vielleicht lag's schlicht daran, dass wir schon spät hatten – es war nach 19 Uhr – und die neue Lieferung am Morgen kommen würde. Trotzdem ...
»Das sichere Zeichen dafür, dass der nächste Lockdown kommt«, spottete ich, als ich an diesem Abend zur Kasse ging ...
Sie wiegte den Kopf. »Masken haben die sicher noch, Tests sind wahrscheinlich aus.« Sie grinste. »Es wusste ja niemand, dass eine vierte Welle kommen könnte.«
»Keine Tests mehr?«
Sie grinste immer noch. »Und Klopapier gibt's auch schon keines mehr.«
»Quatsch!«
»Du wirst schon selbst sehen.«
Nach Feierabend ging ich in den DM, der sich praktischerweise im gleichen Gebäude wie unsere neuen Büros befand. Die Masken fand ich sofort, ich packte mir welche in den Einkaufskorb. Die Tests waren aus, das Regal gähnte mir staubig entgegen. Und weil ich neugierig war, guckte ich zu der Ecke, wo das Klopapier verkauft wurde.
Tatsächlich: Die Verkaufsfläche war leer. Vielleicht lag's schlicht daran, dass wir schon spät hatten – es war nach 19 Uhr – und die neue Lieferung am Morgen kommen würde. Trotzdem ...
»Das sichere Zeichen dafür, dass der nächste Lockdown kommt«, spottete ich, als ich an diesem Abend zur Kasse ging ...
Ein junger Mann und sein Begleiter
Was für eine Geschichte! Kann man sie schon als Roman bezeichnen, oder ist es eine Novelle? Kann man sie als »leichte Unterhaltung« ansehen, oder ist es Phantastik? Ich las »Tracys Triger«, eine klassische Geschichte von William Saroyan, in der deutschen Erstausgabe von 1953, in der damaligen Übersetzung und mit den Zeichnungen jener Zeit. (Es gibt auch eine recht moderne Taschenbuchausgabe. Die kenne ich nicht.)
Tracy ist ein junger Mann, der in San Francisco davon träumt, Karriere zu machen. Seine Träume sind bescheiden: Als nächstes wäre er gern Kaffeetester in der Kaffeerösterei, in der er arbeitet. Was keiner weiß: Tracy wird die ganze Zeit von einem Tiger begleitet, der allerdings wie ein schwarzer Panther aussieht und den außer Tracy niemand sieht, mit dem er sich aber immer wieder unterhält.
Dann trifft er Laura, eine junge attraktive Frau, in die er sich spontan verliebt, und sein Leben verändert sich komplett. Wie sehr es sich wirklich verändert, merkt Tracy erst nach mehreren Jahren. Wie sein Tiger, ein Polizist und einige andere Menschen am Ende zusammenfinden, das hat etwas Phantastisches, ohne Fantasy oder dergleichen zu sein.
»Tracys Tiger« ist im Prinzip eine träumerische Liebesgeschichte, einer von den Texten, die man mit Vergnügen liest, ohne so richtig greifen zu können, worin ihre Faszination liegt. Übrigens wurde auf Basis des kurzen Romans, der offenbar einige Leute nachhaltig beeindruckt hatte, auch ein Musical aufgeführt, das ganz gute Kritiken erhielt.
»Tracys Tiger« ist ein kurzer Roman, der sich sehr leicht liest, in den man aber auch einiges hineininterpretieren könnte. Heute würde man ihn wohl in die Ecke der Popliteratur stecken. Er vermittelt einen winzigen Ausschnitt des Lebensgefühls der frühen 50er-Jahre. Auch heute noch lesenswert, finde ich!
Tracy ist ein junger Mann, der in San Francisco davon träumt, Karriere zu machen. Seine Träume sind bescheiden: Als nächstes wäre er gern Kaffeetester in der Kaffeerösterei, in der er arbeitet. Was keiner weiß: Tracy wird die ganze Zeit von einem Tiger begleitet, der allerdings wie ein schwarzer Panther aussieht und den außer Tracy niemand sieht, mit dem er sich aber immer wieder unterhält.
Dann trifft er Laura, eine junge attraktive Frau, in die er sich spontan verliebt, und sein Leben verändert sich komplett. Wie sehr es sich wirklich verändert, merkt Tracy erst nach mehreren Jahren. Wie sein Tiger, ein Polizist und einige andere Menschen am Ende zusammenfinden, das hat etwas Phantastisches, ohne Fantasy oder dergleichen zu sein.
»Tracys Tiger« ist im Prinzip eine träumerische Liebesgeschichte, einer von den Texten, die man mit Vergnügen liest, ohne so richtig greifen zu können, worin ihre Faszination liegt. Übrigens wurde auf Basis des kurzen Romans, der offenbar einige Leute nachhaltig beeindruckt hatte, auch ein Musical aufgeführt, das ganz gute Kritiken erhielt.
»Tracys Tiger« ist ein kurzer Roman, der sich sehr leicht liest, in den man aber auch einiges hineininterpretieren könnte. Heute würde man ihn wohl in die Ecke der Popliteratur stecken. Er vermittelt einen winzigen Ausschnitt des Lebensgefühls der frühen 50er-Jahre. Auch heute noch lesenswert, finde ich!
16 November 2021
Julia und die Ärzte
Wenn ich die Branchenfachzeitschrift »Der neue Vertrieb« in die Hand bekomme, was selten genug der Fall ist, lese ich immer die Beiträge, die im weitesten Sinn mit meiner Arbeit in Verbindung stehen. Wenn sich etwas Neues bei den Programmzeitschriften tut, interessiert mich das naturgemäß eher selten; gibt es spannende Entwicklungen bei den Heftromanen, ist das umso spannender für mich.
In der Ausgabe 10/2021 war unter anderem der Cora-Verlag gefragt. Interviewt wurde Miran Bilic, der bei der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland als Verlagsleiter Serie fungiert. Ich finde es beispielsweise spannend, wie die Kollegen bei Cora ihre Serien platzieren; so wird beispielsweise die Netflix-Serie »Bridgerton« von Romanen aus dem Cora-Verlag flankiert.
Im Interview äußert sich der Verlagsleiter zur Umgestaltung von Serien, aber auch zu Sachen, die nicht so gut gelaufen sind. Eine Arztromanreihe, die man im April 2021 gestartet hatte, musste man beispielsweise einstellen. Mit »Julia Ärzte Spezial« hofft man vor Weihnachten auf mehr Erfolg: Es sind Sammelbände mit Arztromanen, die einen guten Preis aufweisen und von den »Julia«-Stammleserinnen quasi mitgekauft werden. Ich könnte mir vorstellen, dass so ein Konzept sogar sehr gut funktioniert.
In den nächsten Jahren stehen übrigens Jubiläen an. Die »Julia«-Reihe wird 2023 auch schon fünfzig Jahre alt. Mal schauen, was die Kollegen aus Hamburg an Aktionen starten werden …
In der Ausgabe 10/2021 war unter anderem der Cora-Verlag gefragt. Interviewt wurde Miran Bilic, der bei der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland als Verlagsleiter Serie fungiert. Ich finde es beispielsweise spannend, wie die Kollegen bei Cora ihre Serien platzieren; so wird beispielsweise die Netflix-Serie »Bridgerton« von Romanen aus dem Cora-Verlag flankiert.
Im Interview äußert sich der Verlagsleiter zur Umgestaltung von Serien, aber auch zu Sachen, die nicht so gut gelaufen sind. Eine Arztromanreihe, die man im April 2021 gestartet hatte, musste man beispielsweise einstellen. Mit »Julia Ärzte Spezial« hofft man vor Weihnachten auf mehr Erfolg: Es sind Sammelbände mit Arztromanen, die einen guten Preis aufweisen und von den »Julia«-Stammleserinnen quasi mitgekauft werden. Ich könnte mir vorstellen, dass so ein Konzept sogar sehr gut funktioniert.
In den nächsten Jahren stehen übrigens Jubiläen an. Die »Julia«-Reihe wird 2023 auch schon fünfzig Jahre alt. Mal schauen, was die Kollegen aus Hamburg an Aktionen starten werden …
Ein Western-Klassiker sehr kompakt
Die Serie »Ringo« gehört zwar zu den Klassikern des Western-Comics, geht aber in jeglicher Betrachtung des Genres ziemlich unter. Kein Wunder: Veröffentlicht wurden die Geschichten in den 60er-Jahren, zu einer Zeit also, in der das Genre grundlegend umgekrempelt wurde. Erfolgreiche Serien wie »Blueberry« und »Comanche« begeisterten mit modernen Geschichten die Leser, und der konservativere »Ringo« geriet ein wenig in Vergessenheit. (Ich erinnerte mich auch nur sehr düster an dieser Serie.)
Das ist schade, wie die Gesamtausgabe beweist, die der Splitter-Verlag veröffentlicht hat. (Anfangs kam sie in zwei Bänden heraus; das ist die Version, die ich habe. Mittlerweile gibt es eine Gesamtausgabe in einem Buch.)
Dass William Vance einer der Großen des klassischen Abenteuer-Comics war, dürfte allgemein bekannt sein; mit »Bruno Brazil« oder »Bruce J. Hawker« schuf er Serien, die für ihre Zeit und auch danach stilbildend waren. »Ringo« wirkt ein wenig wie ein Nebenprodukt. Verschiedene Autoren schrieben über die Jahre hinweg die Texte, Vance machte daraus packende Geschichten. Der epische Charakter eines »Blueberry« fehlt, es handelt sich vor allem um normale Abenteuer, wie man sie auch im Kino zu sehen bekam.
Am Anfang sind es albenlange Geschichten. In »Der lange Weg nach Santa Fé« wird offenbar alles zusammengefasst, was man für westerntypisch hielt. Eine Postkutsche mit wertvoller Fracht, Banditen und Indianer ... dazwischen Ringo, der versucht, seinen Auftrag zu erfüllen. Und »Der Schwur von Gettysburg« fängt im Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten an, wechselt aber danach in die von Spannungen erfüllte Nachkriegszeit.
Im weiteren Verlauf der Gesamtausgabe sind Comics enthalten, die in den 70er-Jahren entstanden sind. Man merkt den Geschichten an, dass unterschiedliche Autoren daran beteiligt waren; zeitweise wirken sie wie Stückwerk, und bei der einen fehlt eindeutig der Abschluss. Unbestritten ist aber das zeichnerische Genie von William Vance.
Die Darstellung eines Schneesturms, erbitterte Kämpfe zwischen dem Eis und der Wüste, beeindruckende Gesichter in Freud' und Leid – das alles zelebrierte dieser Comic-Künstler auf einem Niveau, das mich heute noch verblüfft und begeistert. Spannend sind die Geschichten allemal, ihre Wirkung erzielen sie aber wegen der Bilder, nicht wegen der Texte.
Mit der schönen Gesamtausgabe hat der Splitter-Verlag einen Western-Klassiker in einer tollen Version in den Handel gebracht. Wer sich für Western-Comics begeistern kann oder Klassiker des frankobelgischen Abenteuer-Comics mag, muss hier zugreifen.
Das ist schade, wie die Gesamtausgabe beweist, die der Splitter-Verlag veröffentlicht hat. (Anfangs kam sie in zwei Bänden heraus; das ist die Version, die ich habe. Mittlerweile gibt es eine Gesamtausgabe in einem Buch.)
Dass William Vance einer der Großen des klassischen Abenteuer-Comics war, dürfte allgemein bekannt sein; mit »Bruno Brazil« oder »Bruce J. Hawker« schuf er Serien, die für ihre Zeit und auch danach stilbildend waren. »Ringo« wirkt ein wenig wie ein Nebenprodukt. Verschiedene Autoren schrieben über die Jahre hinweg die Texte, Vance machte daraus packende Geschichten. Der epische Charakter eines »Blueberry« fehlt, es handelt sich vor allem um normale Abenteuer, wie man sie auch im Kino zu sehen bekam.
Am Anfang sind es albenlange Geschichten. In »Der lange Weg nach Santa Fé« wird offenbar alles zusammengefasst, was man für westerntypisch hielt. Eine Postkutsche mit wertvoller Fracht, Banditen und Indianer ... dazwischen Ringo, der versucht, seinen Auftrag zu erfüllen. Und »Der Schwur von Gettysburg« fängt im Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten an, wechselt aber danach in die von Spannungen erfüllte Nachkriegszeit.
Im weiteren Verlauf der Gesamtausgabe sind Comics enthalten, die in den 70er-Jahren entstanden sind. Man merkt den Geschichten an, dass unterschiedliche Autoren daran beteiligt waren; zeitweise wirken sie wie Stückwerk, und bei der einen fehlt eindeutig der Abschluss. Unbestritten ist aber das zeichnerische Genie von William Vance.
Die Darstellung eines Schneesturms, erbitterte Kämpfe zwischen dem Eis und der Wüste, beeindruckende Gesichter in Freud' und Leid – das alles zelebrierte dieser Comic-Künstler auf einem Niveau, das mich heute noch verblüfft und begeistert. Spannend sind die Geschichten allemal, ihre Wirkung erzielen sie aber wegen der Bilder, nicht wegen der Texte.
Mit der schönen Gesamtausgabe hat der Splitter-Verlag einen Western-Klassiker in einer tollen Version in den Handel gebracht. Wer sich für Western-Comics begeistern kann oder Klassiker des frankobelgischen Abenteuer-Comics mag, muss hier zugreifen.
15 November 2021
Langsame Mode
»Slow Fashion« sei der neueste Trend, plärrt es mir aus dem Radio entgegen. Es sei klimaschonender, wenn man seine Kleidung länger trage und sich nicht ständig neue Hosen und Hemden kaufe. Die Sprecherin verkündete das, als ob sie des Pudels Kern entdeckt hätte.
Ich wusste nicht, dass ich in einem derartigen Umfang zu einem Trendsetter geworden bin. Normalerweise trage ich meine Klamotten so lange, bis sie völlig zerlöchert sind oder auseinanderfallen. In meinem Schrank befinden sich T-Shirts, die ich mir in den 90er-Jahren gekauft habe und die ich immer noch trage.
Den entsetzten Ausruf »Das willst du doch nicht ernsthaft anziehen!« höre ich immer mal wieder. Aber solange ein Band-Shirt noch nicht zu sehr hinüber ist oder man bei einem Hemd den Hemdkragen noch angucken kann, trage ich die Klamotten. Das gleiche gilt für Hosen oder Jacken; meine Lederjacke ist älter als meine Kolleginnen im Büro.
Dass man ernsthaft die Tatsache, dass man Klamotten länger tragen kann, als neuen Trend verkündet, finde ich schon eher verwirrend. Aber in der »Schnelldreher«-Zeit war es zuletzt ja modern, einmal im Halbjahr den Kleiderschrank zu entrümpeln und sich neues Zeugs zu kaufen. Ich finde es deshalb aus verschiedenen Gründen gut, wenn ich mit meiner Art von »Slow Fashion« zum Trendsetter werde …
Ich wusste nicht, dass ich in einem derartigen Umfang zu einem Trendsetter geworden bin. Normalerweise trage ich meine Klamotten so lange, bis sie völlig zerlöchert sind oder auseinanderfallen. In meinem Schrank befinden sich T-Shirts, die ich mir in den 90er-Jahren gekauft habe und die ich immer noch trage.
Den entsetzten Ausruf »Das willst du doch nicht ernsthaft anziehen!« höre ich immer mal wieder. Aber solange ein Band-Shirt noch nicht zu sehr hinüber ist oder man bei einem Hemd den Hemdkragen noch angucken kann, trage ich die Klamotten. Das gleiche gilt für Hosen oder Jacken; meine Lederjacke ist älter als meine Kolleginnen im Büro.
Dass man ernsthaft die Tatsache, dass man Klamotten länger tragen kann, als neuen Trend verkündet, finde ich schon eher verwirrend. Aber in der »Schnelldreher«-Zeit war es zuletzt ja modern, einmal im Halbjahr den Kleiderschrank zu entrümpeln und sich neues Zeugs zu kaufen. Ich finde es deshalb aus verschiedenen Gründen gut, wenn ich mit meiner Art von »Slow Fashion« zum Trendsetter werde …