Warum fing ich in den 90er-Jahren irgendwann damit an, Punkrock-Geschichten und sogar Punkrock-Romane zu schreiben? Schon damals war ja klar, dass ich damit kein Geld verdienen konnte. Punks selbst waren nicht als große Literaturfreunde bekannt, und über Punk zu lesen, interessierte die meisten Menschen einfach nicht.
Der Grund lag für mich auf der Hand: Es gab immer wieder Berichte über Punks. Sie tauchten als Nebenfiguren in Filmen und Romanen auf, meist als Bösewichte oder skurriles Beiwerk. Sie waren selten handelnde Personen, und wenn sie es waren, merkte man, dass die Schreiber keine Ahnung von der Szene hatte. In meiner Wahrnehmung wurde über Punk geschrieben, meist aus einer Perspektive von »oben herab«, von Wissenschaftlern und Journalisten.
Und ich hatte die Idee, quasi von »innen« zu schreiben. Wie fühlt sich Punk an, wie kann man vermitteln, was in jemandem vorgeht, der sich für Punkrock begeistert, der auf Konzerte geht, der auf Demos herumrennt, der vielleicht ziellos sein Leben vergeudet? Ich wollte kein Geschichtsbuch schreiben, keine Ansammlung von Musik-Informationen präsentieren, sondern ich wollte erzählen.
Dabei war schnell klar, dass ich verfremden musste. Selbst war ich nie einer der »harten Punks«. Ich trug nie eine Nietenlederjacke, war meist zu faul, an meinen Haaren irgendwas zu machen, ging immer arbeiten und schnorrte nie, wohnte nie in einem besetzten Haus und war wohl das, was manche spöttisch als »part time punk« bezeichneten.
Aber ich war weit genug in der Szene drin, vor allem lang genug, um einigermaßen zu wissen, wie sich das Punk-Dasein anspielt. Und deshalb glaube ich auch, dass meine Punk-Geschichten authentisch genug sind. Nicht sonderlich literarisch, aber authentisch. Sie spielen aus nachvollziehbaren Gründen in den 80er- und 90er-Jahren. Davor war ich zu jung, danach seltener bei krassen Aktionen dabei.
Ein Krimi-Schriftsteller muss kein Mörder sein, um glaubhaft über Morde zu schreiben. Man merkt einem Autor aber an, wenn er weiß, wovon er spricht. Wenn er oder sie Action schreibt und weiß, wie es sich anfühlt, einen Schlag ins Gesicht zu bekommen. Zumindest glaube ich das.
Bei meinen Geschichten, die im Punkrock-Milieu der 80er- und 90er-Jahre spielen, geht es mir um einen authentischen Blick. Ich versuche mich so gut wie möglich zu erinnern, versuche dann aber auch so weit wie möglich von meinem wirklichen Ich wegzukommen – ohne meinen Blick von damals zu verleugnen. Mein literarisches Ich ist nicht identisch mit meinem wirklichen Ich, die beiden sind aber eng verwandt.
Deshalb kann ich übrigens keinen Punk-Roman schreiben, der beispielsweise im Jahr 2020 spielt. Ich habe keine Ahnung, wie sich Punk für die Punks von heute anfühlt. Ich kann nur sagen, wie sich Punk für mich anfühlt – heute, vor zwanzig Jahren oder eben vor dreißig oder vierzig Jahren. Es ist eine subjektive Angelegenheit, die keinen Raum lässt für objektives Betrachten. (Ein objektives Buch über Punk könnte ich kaum schreiben.)
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