»Wieviel von Ihren Geschichten ist denn authentisch?« Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird, wenn die Rede auf mein Buch »Für immer Punk?« kommt. Für viele Leute ist offenbar klar, dass alles, was auf den Seiten dieser Kurzgeschichtensammlung auftaucht, im Großen und Ganzen wirklich so passiert ist, dass es sich um »wahre Geschichten« handelt, die ich einfach nur ausgewalzt habe.
Am Beispiel der Kurzgeschichte »Der King vom Ziegeltal« möchte ich darstellen, wieviel echt wahr ist. In der Story geht es um einen Jugendlichen namens »Dobbs«, der auf einem Dorffest im sogenannten Ziegeltal zusammengeschlagen wird. Bei diesem Dorffest gibt es auch einen Haufen von Jungmännern, die irgendwann – aufgestachelt von einer Volksmusik-Kapelle – lauthals »Sieg Heil!« skandieren.
Und die Geschichte geht so los: »Woher Dobbs seinen Spitznamen hatte, wusste niemand. Weder zu seinem Vor- noch zu seinem Familienamen gab es eine Beziehung. Jeder nannte ihn Dobbs, wahrscheinlich nach einer Nebenfigur aus einer Fernsehserie, aber er selbst hätte sich viel lieber ›King‹ nennen lassen.«
Soweit der Anfang, soviel zu Dobbs. In der Geschichte beschreibe ich ihn entsprechend weiter: »Er wirkte bereits angetrunken, sein rundes Gesicht glänzte unter der schlecht gebauten Tolle im Licht der Festbeleuchtung, die Lederjacke umspannte den Bauch, als müsste sie eine Presswurst bändigen.«
Es gab einen Menschen, auf den die Beschreibung passt. Aber weder hieß er Dobbs, noch wurde er in meinem Beisein auf einem Dorffest zusammengeschlagen. Solche Feste hatten oft Schlägereien zur Folge, und ich lief dort gelegentlich in eine Faust hinein – von daher geschahen solche Episoden immer wieder.
Es gab das Ziegeltal und seine Feste, und ich erlebte einmal wirklich einen Abend mit Volksmusikkapelle und frenetisch »Sieg Heil!« brüllendem Publikum. Aber das war nicht zu Beginn der 80er-Jahre, sondern an ihrem Ende.
Die von mir geschilderte Optik ist eher realistisch; ich sah nicht sonderlich »punkig« aus: »zu meiner Frisur, zu meiner zerrissenen Hose, der dünnen Jacke und den kaputten Turnschuhen. Ich wusste, dass ich anders aussah als die anderen, und das war teilweise absolut beabsichtigt.« Das ist immerhin ein wenig authentisch.
Die Geschichte ist typisch für das ganze Buch. Deshalb handelt es sich um keine Dokumentation über den »frühen Punkrock«, sondern um eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten. Es ist also – tätä! – tatsächlich Literatur. Journalismus wäre etwas völlig anderes ...
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