27 Februar 2016

Der Große Steini

Wie der Große Steini wirklich hieß, tut für diese Geschichte nichts zur Sache. Anfangs der 80er-Jahre lernte ich ihn kennen, er war der große Bruder eines Klassenkameraden.

1980 oder 1981 waren einige der coolen Jungs in meinem sozialen Umfeld mit »80erle« unterwegs, also mit Mopeds, die teilweise ganz schön frisiert waren. Und gelegentlich fuhr ich mit einigen älteren Jungs, die schon ein Auto hatten, mit auf ein Dorffest.

Wir trafen an einem späten Abend im Sommer 1981 in der Gemeinde im Murgtal ein. Es lief die übliche Tanzmusik, Disco à la Boney M. und Hardrock wie Status Quo wechselten sich ab; es wurde getanzt und gesoffen.

Wir waren da, weil wir Mädchen kennenlernen wollten; wir tranken Bier und taten cool, aber wir tanzten nicht. Vor allem ich, der ich sehr schüchtern war, hielt mich mit meinem Bier im Hintergrund. Die meiste Zeit hielten wir uns in der großen Halle auf, wo wir den anderen Leuten zuschauten und ansonsten unter uns blieben.

Der Große Steini war echt groß. Er war knapp über zwanzig und eine beeindruckende Erscheinung: Seine Oberarme hatten mehr Umfang als meine Oberschenkel, er überragte mich um einen halben Kopf und war gut doppelt so breit. Ein echter Muskelprotz, dazu noch nett und lustig.

Es sollte ihm nichts nutzen. Warum er mit der örtlichen Rocker-Bande in Streit geriet, erfuhr ich an diesem Abend nicht. Es gab irgendwann vor Mitternacht eine üble Schlägerei im Vorraum.

Rechts ging es zu den Klos, links ging es zu den Treppen, die hinaus auf die Dorfstraße führten, direkt vor uns waren die Türen zur Halle. Und irgendwo dazwischen stand der Große Steini gegen gut ein halbes Dutzend oder mehr Rocker, allesamt in seinem Alter oder knapp darunter. Mit seinen dicken Fäusten hielt er sie gut auf Distanz, doch dann setzten sie Mofa- und Fahrradketten ein, schlugen ihn zu Boden, wo sie auf ihn eintraten und einprügelten.

Am Ende schwamm der Boden vor Blut. Wir waren entsetzt und erstarrt und vor allem heilfroh, dass man uns nicht auch noch die Fresse einschlug. Irgendjemand rief einen Krankenwagen, vielleicht der Hausmeister, und wir anderen verzogen uns.

Niemand von den Anwesenden rief die Polizei, niemand von uns ging hinterher zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Obwohl der Große Steini übel zusammengeschlagen worden war, redete er nicht mit der Polizei. Niemand von uns hätte in dieser Zeit mit »den Bullen« geredet; sie waren außerhalb unseres Umfeldes und wurden eher als gemeinsamer Gegner wahrgenommen.

So lernte ich den Großen Steini an einem Abend kennen, sah ihn fallen, schämte mich fürchterlich für mein Nichtstun und sah ihn danach nie wieder. Es sollte nicht die einzige brutale Schlägerei in diesem Sommer 1981 sein ...

2 Kommentare:

  1. Hoi, Klaus.
    Der Mob (in Überzahl!) ist und bleibt ein feiges, hinterhältiges Rudel - egal ob damals Rocker, ideologische Schläger, oder heutzutage der Wanderzirkus der "örtlichen Flüchtlingsgegner". Das Szenario vom "Mut" innerhalb der größeren Gruppe bleibt allen gemein.

    bonté

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  2. Ich kann verstehen, dass Du Dich heute dafür schämst, aber Du weißt es selbst: Ihr hättet keine Chance gehabt, ihm zu helfen. Einfach entsetzlich! Ich möchte so was nicht erleben und es tut mir leid für Dich, dass Du es erleben musstest!

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