28 Februar 2016

Volkstod am Samstag

»Wer links wählt, unterstützt den Volkstod.« Das Plakat, das die Nazis bei ihrer Kundgebung am Samstag, 27. Februar 2016, in der Innenstadt von Karlsruhe zeigten, war sehr eindeutig in seiner Wortwahl. Und es bestätigte mich darin, dass ich ab und zu auf die Demonstrationen gegen Nazis gehe – man kann diesen Leuten die Straße nicht widerspruchsfrei überlassen.

Als ich gegen halb sechs Uhr abends auf dem Stephansplatz eintraf, sammelten sich die Nazis auf einer Seite des Platzes; es war um diese Zeit vielleicht ein Dutzend Männer. Auf der anderen Seite hatten sich einige hundert Gegendemonstranten eingefunden: stramm linke Leute, die ich seit Jahren kannte, die Antifa, einige normale Bürger, ein Mensch mit einer Tierschutzfahne, die er hektisch schwenkte. Die Kundgebung lief noch, also bekam ich die Reden nicht.

Die Rednerin, deren Namen ich nicht kannte, palaverte genau den linken Sermon, der mich früher immer von solchen Kundgebungen vertrieben hatte. Sie redete von Klassenkampf und anderen Dingen, was womöglich richtig war, aber an dem Tag nichts auf dem Platz verloren hatte.

Ich sah Passanten, die stehenblieben, die sich vielleicht auch in eine Demonstration gegen die Nazis eingereiht hätten, die dann aber kopfschüttelnd weitergingen. So kann man dafür sorgen, dass man »unter sich« bleibt.

Nach der Dame sprach ein Gewerkschafter, der mit einem unglaublich peinlichen Gedicht einstieg. Und wieder flüchtete ich, um das Gerede nicht anhören zu müssen. Lieber schaute ich den Nazis zu, die immer mehr wurden, und redete mit Bekannten. Der Querfunk war mit einem Disco-Wagen vertreten, wo ABBA aus den Lautsprechern drang, wo es Tröten zum Ausleihen gab.

Als die Dämmerung hereinbrach, waren die Nazis mittlerweile gut vierzig oder fünfzig Leute. Ich gesellte mich zur Antifa und verbrachte eine gute Stunde damit, Slogans zu skandieren oder die Nazis öffentlich zu beschimpfen. Die Nazi-Reden bekam ich diesmal wegen des Trötens und Pfeifens von unserer Seite nicht mit.

Das war dann nicht unbedingt hochgeistig, aber lustig. Über den Inhalt von Slogans wie »Volkstod« mögen sich spätere Historiker den Kopf zerbrechen, »Nie-nie-nie wieder Deutschland« hatte 1992 noch eine andere Bedeutung und wirkt 2016 seltsam antiquiert. Eindeutig allerdings immer noch »Ihr habt den Krieg verloren« oder schlicht »Arschlöcher«.

Als die Nazis endlich mit ihrem Spaziergang begannen, war es mir langsam echt zu kalt. Ich ging zu meinem Rad und fuhr los. An einem nahe gelegenen Punkt der Innenstadt stellte ich mich an die Polizeikette und sah dem Nazi-Mob, wie er an mir vorbeizog; um diese Zeit waren es um die 80 Personen, wie ich schätzte, der Großteil von ihnen Männer, davon ein großer Teil von der sportlichen Fraktion.

Die Antifa zog in der Zwischenzeit mit einer spontanen Demonstration von rund 250 Leuten auf die Kaiserallee: richtig gut organisiert, mit Front-Transparent und Seiten-Transparenten. Bei Slogans wie »Samstag frei – für die Polizei« kam eher gute Stimmung auf. Immerhin konnten die Straßenbahnen und die Autos weitestgehend weiterfahren, auch die Polizei verhielt sich korrekt.

Ausgerechnet vor dem indischen Lokal »Punjab« stießen die Sprechchöre der Nazis und der Antifa aufeinander. An der Stelle schrie ich auch noch ein wenig mit, bevor ich als braver Bürger heimradelte – dort wartete schließlich die »warme Stube« auf mich ...

1 Kommentar:

  1. Servus, Klaus.
    Bedenkt man/frau, daß die Idiologen vom "Deutschblut" erwiesenermaßen mit Neandertaler-DNA leben, ergibt die sinnfreie Blutideologie erst recht keinerlei Sinn.

    Besagte Dame vom weltumspannenden "Klassenkampf" (noch so ein Ismus!) wäre mit einer Tröte effektiver gewesen, denke ich. "Thema verfehlt", hätte mein Deutschlehrer dazu notiert. Aber da stand wohl das eigene Sendungsbewusstsein vor.

    bonté

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