19 Dezember 2013

Die Kirche im Dorf lassen

Am Heiligen Abend des Jahres 1983 lief im Jugendzentrum »Murgtäler Hof« das Lied »Sympathy For The Devil« der Rolling Stones. In späteren Jahren wurde um den Weihnachtsbaum gepogt – und auch mal besoffen in den Baum hineingepurzelt.

Das hat niemandem geschadet. Aus uns allen »ist was geworden«. Was jetzt aber, dreißig Jahre danach, an einer Schule in Stuttgart ausgetragen wird, ist völlig absurd. Wie sehr sich manche Dinge zurückentwickelt haben und wie weit manche Ängste gediehen sind, lässt sich hier schön abzeichnen.

Die Schüler und die Lehrer des Gottlieb-Daimler-Gymnasiums der Stadt wollten kein Weihnachtsfest machen, sondern eine »Multikulturelle Feier zum Fest der Werte« veranstalten. Darauf hatten sich alle verständigt; auch der Pfarrer einer nahegelegenen Kirche.

Das geht so aber nicht in einem Land, wo an jeder Ecke die Rechtskonservativen stehen und meinen, die »Tradition« verteidigen zu müssen. 1983 hatten sie diese Ängste nicht, scheint mir im Nachhinein. Es gab in den bekannten rechtskonservativen bis rechtsradikalen Foren die einschlägigen Artikel; die Schulleiterin wurde mit Name, Adresse und Foto »öffentlich gemacht«, und es kam die zu erwartende Reaktion: haufenweise Protest-Mails.

In punkto Empörung sind die Rechten echt klasse. Und in punkto Feigheit sind dann viele Politiker auch klasse: Das Fest wurde jetzt »sicherheitshalber« abgesagt, die Polizei kümmert sich drum.

Mein Vorschlag: Lasst die Kirche tatsächlich mal im Dorf. In einer Stadt ticken die Uhren anders. Niemand wird unterdrückt, wenn eine Schule einmal das ach so Heilige Fest umtauft; niemand wird gezwungen, auf sein eigenes, sehr privates Weihnachtsfest zu verzichten

Mir sind christliche wie muslimische Feiertage recht egal, aber selbstverständlich ist das Recht eines jeden Einzelnen, seine religiösen Feste feiern zu dürfen, jederzeit zu verteidigen. (Okay, Menschenopfer bei satanistischen Riten sind was anderes ...) Aber dass einige Leute in diesem Land in Sachen Freiheitsbegriff gehörig einen an der Waffel haben, belegt dieses Beispiel wieder einmal ganz hervorragend.

3 Kommentare:

  1. Die Rechten gehen mir nicht am Arsch vorbei, aber das ist hier nicht mein Thema.
    Was mich eher stört: Es heißt nicht "Fest der Werte", ihr Spacken.
    Es heißt "Weihnachten"!

    My.

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  2. Ich bin ganz bestimmt nicht rechtsradikal, ausländerfeindlich oder sonstiges, und religiös bin ich auch nicht, aber es geht mir gehörig gegen den Strich, wenn da Feste umbenannt werden. So wie das Laternenfest im Kindergarten, das jetzt Sonne Mond und Sterne Fest heißt. Oder dass der Nikolaus nicht mehr in den Kindergarten kommen darf. Ne, sorry, hab ich kein Verständnis für.

    Ist mir doch egal wie die ihr Weihnachtsfest feiern. Von mir aus können die eine Palme schmücken und die Sterne verkehrt herum aufhängen und welche Musik die hören und wie viel die saufen ist doch deren Sache. Ich finde, das Glühweintrinken ist sogar das Lustigste an Weihnachten, und die Rolling Stones mochte ich schon immer. Aber das ist eine öffentliche Schule bzw. eine Stadt und ganz egal was die da veranstalten, die können nicht einfach Weihnachten umtaufen. Da fehlen mir die Worte für. Was machen die nächstes Jahr am Nationalfeiertag? Tag der deutschen Einheit, der EU und von allen anderen auch?

    Ne, also komm. Da muss man nicht rechts sein um das dämlich zu finden.

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  3. »In punkto Empörung sind die Rechten echt klasse.«

    Allerdings. Dem Selbstbild nach heißt Rechtssein stark sein, festverwurzelte Überzeugungen haben und im Namen einer schweigenden Mehrheit zu sprechen. In der Praxis bedeutet es pausenloses Gejammer über Werteverfall und Gutmenschendiktatur, tränenreiche Empörungsrituale und das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen.

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