09 November 2012

Ein Kommissar voller Melancholie

Der holländische Commissaris Van Leeuwen ist »Held« einer kleinen Krimi-Reihe, die der deutsche Schriftsteller Claus Cornelius Fischer verfasst. Die ersten zwei Romane hatte ich bereits gelesen, dieser Tage knöpfte ich mir den dritten Fall vor. Der Roman trägt den Titel »Totenengel« und ist ohne Vorkenntnisse kapierbar, entfaltet seine volle Wucht aber vor allem dann, wenn man mehr über den Commissaris und sein Vorleben erfährt.

Der Roman spielt in Amsterdam, eine Stadt, die voller Licht ist, die aber für Van Leeuwen nicht hell und fröhlich wirkt, sondern grau und zerbrechlich. Nach dem Tod seiner geliebten Frau ist der Polizist nämlich selbst ziemlich fertig. Um Schlaf zu finden, hält er sich beispielsweise oft im Bahnhof auf und schläft dort auf einer Bank; daheim hält ihn die Erinnerung an die Frau vom Schlafen ab.

In dieser Situation kommt es zu einer Reihe von Morden. Schnell stellt sich heraus, dass die Opfer eines gemeinsam haben: Sie sind schwerkrank, leiden an fürchterlichen Schmerzen oder haben ein so schweres Schicksal, dass ihr Tod wie eine Erlösung wirkt. Ihr Mörder scheint also zu glauben, dass er ihnen bei ihrem letzten Gang behilflich ist ...

Die Ausgangsposition macht schon klar: Dieser Krimi kommt ohne viel Action aus, er geht eher in die emotionale Tiefe und in die Psychologie. Claus Cornelius Fischer seziert den Fall ebenso wie den Kommissar mit all seinen Problemen, mit seinen Irrungen und Wirrungen.

Van Leeuwen leidet selbst, er ist selbst ein potenzielles Opfer für den Mörder. Gleichzeitig schafft dieses Leiden einen Bezug zwischen ihm und dem Täter – der Roman steuert konsequent auf seinen Höhepunkt zu. Die Lektüre ist dabei nicht immer einfach; der Kommissar ist depressiv, und der Roman wirkt streckenweise ebenfalls sehr depressiv. In gewisser Weise ist er eine ideale Herbstlektüre ...

Ich fand »Totenengel« beeindruckend: Der Autor hat einen Stil, der mit vielen Bildern arbeitet, der anspruchsvoll ist, ohne langweilig zu sein. Dialoge und szenische Beschreibungen stimmen stets, die Erzählperspektive ist immer eindeutig und überzeugend zugleich. Von der Weinerlichkeit vieler aktueller deutschsprachiger Romane ist »Totenengel« meilenweit entfernt, mit den knalligen Serienkiller-Krimis, wie sie heutzutage modern sind, hat er ebenfalls nicht viel gemeinsam.

Es ist ein ruhiger Roman, dennoch ist er sehr spannend. Man wird als Leser in die Handlung hineingezogen, und man folgt mit wachsendem Interesse und zugleich Grauen den Ermittlungen des Kommissars – und man macht sich unweigerlich Gedanken dazu, wie man sich in manchen Situationen selbst verhalten würde ... Toller Roman! Ich freue mich schon auf den vierten Van-Leeuwen-Krimi, der bereits vorliegt. Alles übrigens bei Lübbe veröffentlicht!

3 Kommentare:

  1. Klingt gut. Schwingt da irgendwie die Simenon-Tradition mit?

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  2. Der Vergleich ist nicht falsch. Simenon erzählt halt viel knapper, bei Fischer werden die Beschreibungen schon mal ausführlich - aber nicht penetrant.

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  3. Dann kommt das mal auf meine Liste noch zu lesender Bücher, danke!

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