31 Dezember 2007

Punkrock zum Jahresende

Die letzte ENPUNKT-Radiosendung im freien Radio Querfunk in Karlsruhe - an diesem Sonntag, 30. Dezember, war mir ein wenig melancholisch zumute: Das Jahr war ja nicht gerade mein persönliches Highlight.

Ich spielte konsequenterweise Emopunk, in diesem Fall von Bitume und Turbostaat, aber auch Streetpunk, um die Gegensätze zu betonen, in diesem Fall unter anderem von Strongbow, Evil Conduct oder The Kleins. Das krachte schön und gab eine gute Mischung.

Zwischendurch allerlei anderes Zeugs, wie etwa Lost Lyrics oder Rantanplan, Pascow oder Chefdenker - sehr viel deutschsprachiges Zeugs mit Schmackes also. Damit der Jazz nach meiner Sendung besonders gut klingt, mache ich immer entsprechenden Sound: In diesem Fall verabschiedete ich meine Hörerinnen und Hörer mit kratzigem No-Wave-Punk von Les Savy Fav ins Neue Jahr.

30 Dezember 2007

Terrorgruppe Reloaded

In den 90er Jahren gehörte die Terrorgruppe aus Berlin zu den erfreulichsten Erscheinungen in der deutschsprachigen Punkrock-Landschaft: sarkastische, manchmal zynische Texte, stets auf den Punkt gebracht, dazu flotter Punkrock mit viel Melodie und auch ziemlichem Schmackes.

Die Burschen versuchten nie, den Punkrock neu zu erfinden, sondern spielten einfach ihr Ding. Das zogen sie dann auch auf Konzerten ziemlich konsequent durch. Nie werde ich vergessen, wie Archie sich in Karlsruhe unter dem Motto »Verhindert deutsches Leben« ein Kondom durch die Nasenlöcher zog ... und andere Schoten noch mehr.

Die Terrorgruppe-CDs der 90er Jahre kommen jetzt wieder neu raus; dieser Tage höre ich ständig »Melodien für Milliarden«. Im Beiheft kommen »alte« Weggefährten der Band zu Wort. Auch ich habe ein bißchen was über die gemeinsame Geschichte geschrieben; freut mich, daß das gedruckt wurde.

Zur Dokumentation schiebe ich den entsprechenden Text in die Kommentarspalte dieses Textleins – dort bitte weiterlesen! Und selbst fleißig Terrorgruppe hören!

29 Dezember 2007

Mein Fugazi-Desaster

Für feinsinnige Gespräche und dezentes Turteln bei Kerzenschein ist das »Déjà Vu« in Herrenberg definitiv nicht geeignet: Die Musik ist dafür schlicht zu laut. Aber letztlich kommt kein Mensch in diese Kneipe, um sich über anspruchsvolle Themen zu unterhalten - man will Bier trinken, sich unterhalten und vielleicht auch rauchen.

Ja, rauchen: Es gibt einen »Nebenraum«, in dem geraucht werden kann und der durch eine Glasscheibe abgetrennt wurde. Die Tatsache, daß dieser Raucherbereich größer ist als die eigentliche Kneipe (der Raum um die Theke herum), spricht natürlich Bände.

Ich war an diesem Samstag abend der einzige, der nicht trinken konnte, weil ich nach Hause fahren mußte. Also war ich auch der einzig nüchterne - und das war doch ein bißchen anstrengend. Laut dröhnten Hardrock-Klassiker und andere Musik der 80er Jahre, die Stücke könnte theoretisch jeder mitsingen; man mußte dagegen anschreien, was meinen angesoffenen Mitreisenden und Kumpanen ja leichter fiel als mir als einzig Nüchternem ...

Auf einmal kam ein Stück, das ich kannte: Der Bass-Lauf war absolut charakteristisch. In den späten 80er Jahren und auch anfangs der 90er Jahre hatte ich zu diesem Stück mit großer Begeisterung getanzt. »Das ist Fugazi!« rief ich und freute mich. Der »Waiting Room« hatte angefangen, und ich wackelte vor Begeisterung mit dem Kopf.

Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt und seinen CD-Player gemacht. Der Bass-Lauf ging weiter wie bisher, aber es kam nicht die berühmte Pause nach den ersten 25 Sekunden, sondern irgendwann setzte Frauengesang ein, dazu irgendwelches Computerschlagzeug und anderer Kram. Ich war entsetzt.

Irgendwelche Disco-Produzenten haben anscheinend den Fugazi-Basslauf genommen und als Basis für irgendeinen Dancefloor-Schmodder genommen. Der Abend war gelaufen ... und zu allem Überfluß konnte ich ja nichts trinken, weil ich als einziger nüchtern bleiben mußte.

Mann ...

28 Dezember 2007

1982 - ein Bild und seine Geschichte


Da dieses Foto im Jahr 2007 tatsächlich zweimal »zitiert« worden ist, möchte ich es in diesem Blog auch einmal vorstellen: Es stammt aus dem Jahr 1982, genauer aus dem heißen Sommer dieses Jahres, und es wurde in Mönchengladbach aufgenommen. Zu sehen sind Achim Mehnert aus Köln (links im Bild) und ich aus Freudenstadt (rechts im Bild, mit langen Haaren).

Wir beide lernten uns damals am Rand eines Science-Fiction-Treffens kennen, des sogenannten EuroCons, der in diesem Jahr in Mönchengladbach veranstaltet wurde. Achim und ich spielten Fußball - das Spiel war eigentlich als »Profis gegen Fans« angekündigt worden, da aber nicht genügend Profis spielen wollten, wurde das Spiel kurzerhand in »Kölner gegen Terraner« oder so umgemünzt. Lustig war's, wer verloren oder gewonnen hat, weiß ich nicht mehr, aber danach kannte ich einen Haufen lustig-versoffener Kölner, darunter eben jenen Achim Mehnert.

Später wurden rituell Fanzines verbrannt, also Fan-Zeitschriften. Und wie es sich gehört, packten wir unsere eigenen Hefte in die Flammen: Achim warf »Ubik« ins Feuer, ich »Der Freak« - also nix mit Bücher- oder Romanheft-Verbrennung, was spätere »Generationen« sich aus dem Finger saugten.

Heute ist Achim Mehnert Science-Fiction-Autor, wohnt immer noch in Köln, trinkt immer noch Kölsch und hört immer noch dieselben Bands. Ich bin Science-Fiction-Redakteur, wohne in Karlsruhe, trinke immer noch allerlei Bier und höre immer noch laute Musik - und demnächst werden wir wieder einmal bei einem Projekt zusammenarbeiten.

Nach 25 Jahren ist das keine schlechte Bilanz, finde ich. Und da ist so ein albernes Foto sogar eine richtig gute Erinnerung.

27 Dezember 2007

Das OX übers Garoua-Tier


»Mit Punkrock hat das nichts zu tun, ein Reiseführer ist das Buch auch nicht, aber trotzdem lesenswert und unterhaltsam und es macht auf jeden Fall neugierig auf Reiseziele abseits des gängigen Pauschaltourismus« - das schreibt Joachim Hiller in der aktuellen Ausgabe des OX-Fanzines.

Die Ausgabe 75 gibt's mit schickem Ärzte-Cover am Kiosk oder per Internet zu bestellen. Wer nur die Besprechung meines Buches lesen mag, muß auf den entsprechenden Link klicken.

Schadet beides nix, finde ich.

Konzert vor Weihnachten

Ein wenig spät, dieser Bericht, aber egal. Sonntag, der 23. Dezember, ist ja sooo lange auch nicht her.

Kalt war's an diesem Abend. Immerhin rochen die Fleischabfälle, die in den offenen Containern vor der Schlachterei lagen, diesmal nicht so intensiv. Vielleicht waren sie gefroren, vielleicht war ich auch schon erkältet.

In der Alten Hackerei in Karlsruhe war es auf jeden Fall warm, kein Wunder angesichts der vielen Leute, die sich in den Räumlichkeiten der gepflegten Punkrock-Bar drängten. Im Schätzen war ich schon immer schlecht, an die 120 bis 150 Besucher waren es aber sicher.

Gegen die Kälte setzten Blitztrumpf aus Karlsruhe ein entsprechendes Bühnen-Outfit: schicke Kurzhaar-Scheitel-Frisuren, schicke Hawaii-Hemden, kurze Hosen. Ich fand, dass das einen guten Kontrast zu Kapuzenpullovern, Wollmützen und Lederjacken gab.

Die Band war auf jeden Fall gut, sie gefällt mir immer besser - da merkt man, dass Punkrock-erfahrene Herren auf der Bühne stehen und nicht nur irgendeine Punkrock-Einheitssoße spielen. Und spätestens wenn Blitztrumpf dann Agent Orange nachspielen, wird klar, woran mich ihr Sound erinnert: an die rockigen Teile des frühen Kalifornien-Punks. Sehr schön!

Den Höhepunkt des Abends bildeten trotzdem Trend. Die durchgeknallten Burschen aus der Pfalz zeigten, daß deutscher Punkrock mit ziemlich anders klingenden Texten auch auf der Bühne super funktioniert. Bei Liedern wie »Ich bin bereit - zum Selbstmordattentat« oder »Willi, was soll das mit dem Blut« kam richtig Bewegung ins dann schon reichlich angesoffene und fröhliche Publikum.

Ins Bild paßte, daß mir später ein Pfälzer gegen das Bein pinkelte. Tatsächlich: Anständige Männer, die wir waren, gingen die meisten Stehpisser raus an den Schlachthof und nicht auf das Klo, und der schwerst angetrunkene Mann, der unartikuliert Pfälzisch radebrechte, der neben mir stand, pinkelte und torkelte, verriß einmal seinen Strahl so, daß ich einen Schwapp gegen die Wade bekam.

Na super! Ich nahm an, daß mehr Bier als sonst in dem Urin war, nahm's als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, stritt nicht herum und wechselte an der Theke der Alten Hackerei auf Bionade.

Ein gelungener Abend also ...

23 Dezember 2007

Rezension in der »Klappe«

Die »Klappe auf« ist wohl nach wie vor das beliebteste und am weitesten verbreitete Stadtmagazin für den Raum Karlsruhe. Die Januar-Ausgabe 2008 liegt bereits jetzt vor - klar, die Feiertage stehen vor der Tür.

In dieser Ausgabe wird mein Buch »Das Tier von Garoua« besprochen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Erfreulicherweise ist die Besprechung auch auf der Homepage zu finden, weshalb ich den Link hier reinstelle. (Man muß ein bißchen nach unten scrollen, es ist erst die dritte Rezension.)

Hat mich sehr gefreut. Eine schöne Weihnachtsüberraschung!

Zu kalt fast zum Lesen

Die bittere Kälte, die am Freitag abend, 21. Dezember 2007, ganz Süddeutschland umfangen hielt, hatte auch Heidelberg im Griff. Und inmitten von Heidelberg dann eben auch den Weihnachtsmarkt (wo ich einen tollen Parkplatz direkt in der Tiefgarage unter dem Markt fand) sowie das Café Gegendruck, wo der tapfere Ofen vergeblich gegen die Kälte ankämpfte.

Zwischen 15 und 20 Leute waren zu meiner Lesung gekommen; angesichts des saukalten Wetters völlig in Ordnung, wie ich finde. Lustig: Allein vier Leute entpuppten sich als Exil-Freudenstädter, Menschen also, die ursprünglich aus Lombach und Loßburg, Freudenstadt und sonstwoher stammten. Die Welt ist klein ...

Ich las vor allem aus »Das Tier von Garoua«, aber auch die Geschichte »Mein erster Kuß hieß Monika«, die bisher nur in einem ENPUNKT-Fanzine veröffentlicht worden ist. Leider verlas und versprach ich mich öfter als üblich; schieben wir das mal auf die Kälte (ich fror echt an den Füßen) und auf die funzelige Beleuchtung.

Den Leuten schien es trotzdem gefallen zu haben, denn hinterher konnte ich recht viele Bücher und Fanzines verkaufen. Sehr schön!

21 Dezember 2007

Glitzerwelt

Die Felder und Wiesen rings um Karlsruhe und Rastatt sehen aus, als hätte jemand einige Tonnen Puderzucker fein verstreut. Heute morgen fuhr ich über die B 36, und rings um mich herrschte weiße Stille. Beeindruckend. Darüber hing ein neblig-grauer Himmel, der alles zu verschlucken schien.

Klingt kitschig, ich weiß, aber mich beeindruckt das immer. Ich komme mir vor, als sei ich ein kleines Kind, das staunend auf die große, weite Welt blickt.

Das Universum ist eine Zuckerbäckerlandschaft.

20 Dezember 2007

Gute Vorweihnachtsnachricht

Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass die dreiteilige Verfilmung des »Herrn der Ringe« großartig war. Erbsenzähler, die Fehler gefunden haben oder sich darüber ärgerten, dass die Handlung nicht eins zu eins den Büchern folgte, sind mir egal. Diese Verfilmung hat zu Recht Maßstäbe gesetzt.

Und wenn ich jetzt höre, daß auch »Der kleine Hobbit« verfilmt wird, freue ich mich richtig. Vor allem, wenn wieder Peter Jackson beteiligt ist. Damit dürfte auch diese Tolkien-Vorlage – der Vorläufer des »Herrn der Ringe« - zu einem großen Erfolg werden. Eine Meldung, die marketingtechnisch geschickt in die Vorweihnachtszeit plaziert wurde.

Kann ja sein, daß sich Jackson dann wieder auf seine Vergangenheit als Underground-Filmer konzentriert: Die knuffigen Deppen, die in »Bad Taste« durch die Handlung stolpern, sehen zumindest teilweise aus wie die doofen Orks, die Bilbo Beutlin austrickst.

Und üben kann er schon vorher: Allen Ernstes soll der gute Herr Jackson in diesem Jahr ja den Comic-Klassiker »Tim und Struppi« verfilmen. Von Zwergen, Elfen und Hobbits zu Detektiven in seltsamen Hosen und kläffenden weißen Kötern – und dann wieder zurück zu Hobbits und anderem Fantasy-Zeugs.

Ich freue mich schon jetzt. Ganz der Fantasy-Fan ...

19 Dezember 2007

Spiegel und Chaostage

Mannomann, ist das schon sooo lang her? Die Chaostage in Hannover ... herrje, da könnte ich ja auch noch Bücher mit füllen. (Kommt sicher irgendwann.)

Heute auf Spiegel-Online: Karl Nagels Erinnerungen an die Chaostage. Super-Text, klasse Bilder, amüsantes Video.

Unbedingt lesen!

Kumpel Günther

Politiker, die ich richtig verabscheue, gibt es viele. Ich vermute, das liegt an dem Beruf, den sie gewählt haben, und an den Sprechblasen, die sie permanent in die Luft pusten müssen. Und meine Abneigung ist eine Mischung aus Neid (»Boah, so viel Geld verdienen.«) und Erleichterung (»Gottseidank muß ich nicht zu jedem Anlass meine Klappe aufreißen.«), wenn ich das mal so durchdenke.

Und es gibt natürlich Politiker, die ich seit Jahren geistig-moralisch begleite und bei deren Aussagen mir regelmäßig schlecht wird. Dazu zählt Günther Oettinger, den ich noch aus meiner frühen Politaktivisten-Zeit kenne. Nicht persönlich, aber der Mann war in den 80er Jahren Vorsitzender der baden-württembergischen Jungen Union und von daher mitverantwortlich für den Quatsch, den meine Altersgenossen zeitweise verbreiteten.

Im Jahr 2007 blamierte sich Oettinger, der es dank jahrelanger Vetternwirtschaft und geschickter Intrigen bis in das Amt des Ministerpräsidenten im »Muschderländle« geschafft hat, gründlichst, indem er den Alt-Nazi Hans Filbinger im Nachhinein als Widerstandskämpfer gegen das Dritte Reich darstellen wollte. Das war dann sogar den konservativen Christdemokraten ein bißchen zuviel ...

Und jetzt? Jetzt ist der arme Kerl permanent wegen irgendwelcher Beziehungsgeschichten in der Presse. Seine Noch-Ehefrau läßt sich irgendwie von ihm scheiden und macht mit einem Porsche-Manager rum - so berichten die Klatschblätter und das Internet. Die Personalie scheint also wichtig zu sein.

Oettingers Beziehungsleben ist seine Sache, das geht mich nichts an, und so spannend finde ich ihn dann doch nicht. Aber auch hier bin ich in meiner Sichtweise gespalten: Einerseits gönne ich es ihm von Herzen, daß er öffentlich durch den Kakao gezogen wird, andererseits hat das nun mal nichts mit seiner Politik zu tun. Die sollte doch bitteschön kritisiert werden.

Aber es ist nun mal einfacher, über gescheiterte Ehen und schief sitzende Frisuren zu diskutieren. Und manchmal auch einfach lustiger ...

18 Dezember 2007

15 Jahre dabei

Manchmal kann ich es selbst nicht glauben, heute wurde ich dafür geehrt: Ich arbeite sehr 15 Jahren in derselben Firma. Im Rahmen der Betriebsversammlung gab's dafür heute einen Geschenkkorb: viel Alkoholika, ein bißchen Süßes noch dazu. Sehr freundlich.

Daß ich einmal 15 Jahre lang für PERRY RHODAN und Konsorten verantwortlich sein sollte, hätte ich mir nie träumen lassen. Dafür sind in diesen Jahren zu viel Sachen passiert, die gottseidank außerhalb unserer Büroräume niemand mitbekommen hat.

Immerhin gibt es die Serie noch, obwohl damals einige Leute geunkt hätten, sie würde Band 2000 nicht erreichen oder ohnehin bald eingestellt werden. »Pass auf, dass du nicht der Totengräber von PERRY RHODAN wirst«, sagte damals Achim Sturm.

Bislang bin ich's nicht geworden. Ich habe auch nicht vor, es zu sein. Ob ich allerdings noch mal 15 Jahre auf den Buckel packen möchte, bezweifle ich mal ...

17 Dezember 2007

Lesung in Mannheim

Für den Januar hat »mein« Verlag jetzt eine Lesung in Mannheim vereinbart, also am Verlagssitz gewissermaßen. Da werde ich in erster Linie mein Buch »Das Tier von Garoua« vorstellen.

Die Lesung findet am Donnerstag, 17. Januar 2008, statt, sie beginnt um 19.30 Uhr. Ort ist die Buchhandlung Waldkirch, Hauptstraße 71, 68259 Mannheim-Feudenheim. Es wird übrigens sogar ein kleines Angebot an afrikanischem Fingerfood (aus Ghana) geben.

16 Dezember 2007

Trip in die Hansestadt

Fuhr ich früher nach Hamburg, hing ich entweder in den besetzten Häusern am Hafenrand oder in den Wohnungen von Bekannten ab, besuchte Punk-Konzerte oder lief mit dem pogoanarchistischen Pöbel und mit viel »Saufen Saufen!«-Gebrüll durch die Innenstadt.

Wie sehr sich das ganze verändert hat, belegt wunderbar mein Hamburg-Aufenthalt in der letzten Woche: rein geschäftlich und mit einem derart engen Zeitplan, daß für Privatkram praktisch keine Zeit blieb.

Ich reiste in Anzug und Krawatte (es ging teilweise in »feindliches Gebiet«, da empfiehlt es sich eh, den Kampfanzug zu tragen ...), ich kam mit dem Flugzeug, und ich bewegte mich ausschließlich auf bürgerlichem Terrain. Das feine Hotel Intercontinental, in dem ich zu Mittag aß, die Mönckebergstraße, durch die ich zweimal ging, das Alsterufer, in dessen Nähe ich zu Abend futterte, die hochfeudale Warburgstraße und deren Umfeld, wo ich mit einem Rechtsanwalt redete, das Elbufer mit einem Büro-Glaskasten und so weiter ...

Nix mit Wohnungen in Ottensen und in St. Pauli, nix mit Punk-Konzert in der Lohbusch, nix mit Plattenläden aufm Schulterblatt, nix mit Dönerbude an der Ecke.

Boah, bin ich alt geworden.

15 Dezember 2007

Schwanz-Rock is back

20.000 Leute pilgerten laut Presseberichten zum Konzert von Led Zeppelin, angeblich haben sich 20 Millionen Leute um Eintrittskarten beworben. Die Uralt-Rocker sind zurück, und die Presse überschlägt sich vor Begeisterung.

Mir kommt fast das Kotzen.

Led Zeppelin, das ist die Band, die »früher« die »Großen« in der Schule hörten, die langhaarigen Revoluzzer (also die heutigen Rechtsanwälte und Lehrer) der späten siebziger Jahre, zumindest in der Schwarzwälder Provinz. Man hatte die Band gutzufinden, basta. Sie stand für rebellisches Verhalten und wilde Partys.

Na ja. Mag sein. In den Texten geht es praktisch immer ums Ficken, man hat eine großkotzige Männer-Attitüde, die - für die Zeit typisch - in komplexen Texten versteckt wird. Und wer mag, kann sich auch auf lange Gitarrenläufe einen runterholen.

Ich sah damals den Film »The Songs Remain The Same« oder so, zu jener Zeit mußte man den gesehen haben. Und danach war für mich klar, daß ich mit Led Zeppelin nie etwas anfangen kann. (Wahrscheinlich war ich zu dumm.)

Jetzt sind sie wieder da, die Rock-Opas. In einer Zeit, in der die Rolling Stones einmal alle zwei Jahre eine Abschiedstour veranstalten, paßt das ja. Aber muß man sich darüber tatsächlich freuen?

14 Dezember 2007

Geile neue Bands

Hölle und Teufel! Man verliert irgendwann den Anschluß an die Szene, das ist mir klar. Aber daß es derart viele gute neue und aktuelle Hardcore- und Punk-Bands gibt, war mir nicht bewußt. In den letzten Monaten hörte ich einige neue Singles und EPs, die mich total begeisterten.

Dazu zählen unter anderem Cloak/Dagger. Die stammen aus dem gleichen Loch, aus dem Avail und Strike Anywhere gekrabbelt sind, also aus Richmond, Virginia, und genau so klingt ihre erste EP (bei Grave Mistake Records): absolut schmissiger Hardcore, der mich komplett überzeugt. Super!

Vom selben Label kommt auch die Band The Frontline, die aus einem Kaff in Virginia kommt, mit brüllendem Gesang und treibendem Sound aufwartet und so klingt, als schriebe man 1989, und das meine ich positiv. Da fange ich glatt an, durch die Bude zu slammen, zu schreien und vom Sofa zu stagediven.

Oder Annotation, eine junge deutsche Band aus Ibbenbüren, was irgendwo in NRW liegt und woher die Donots stammen. Die bolzen sich auf ihrer ersten EP durch gefühlte zehn Stücke, von denen keines langweilig. Saugeil. Und das Label nennt sich auch noch Playtodestroy, da kann nix schiefgehen.

11 Dezember 2007

Das geht auf keine Bockshaut

Es war kein Vergnügen, am Samstag abend über den Weihnachtsmarkt in Darmstadt zu stolpern. Es regnete in dünnen Bindfäden, ein feuchter Wind machte uns zudem zu schaffen, und auf Glühwein hatten wir keinen Lust. Zudem trieb uns der Hunger in die Wärme - und so stolperten wir nach einigem Suchen in das Restaurant »Bockshaut«.

Als Nichtraucher, der die neuen Nichtraucherschutzgesetze manchmal selbst sehr übertrieben findet, folgte ich meinen Begleitern bereitwillig in das Raucherzimmer, das genügend Platz bot und deutlich weniger verraucht war als durchschnittliche Kneipen vor dem Nichtraucherschutzgesetz. Zumindest bekam ich stetig frische Luft, oder ich hatte nach dem feuchten Wetter in Darmstadts eher betonarchitektonischen Innenstadt kein Problem mit einem Restaurant-Nebenraum.

Die für diesen Tag auf eine Seite reduzierte Speisekarte war für die Fleisch-Fraktion ein reines Vergnügen, für Vegetarier fand sich nichts. Dafür war der Kellner superfreundlich, offerierte mündlich gleich mehrere Variationen, und der Vegetarier am Tisch wurde glücklich. Kein Schmarrn: Das gut bürgerliche Essen (Rumpsteak für die einen, Zanderfilet für die anderen, Gemüsezeugs für mich) schmeckte durchgehend, das lokale Bier vom Fass passte sehr schön, die Suppe wärmte gut durch - und leider gab es auch Nachtisch.

»Leider« ist in diesem Fall ironisch zu verstehen. Aber ... ich meine ... wie kann man an einem so feuchten Tag glasierte Maronen anbieten? Und das Leuten, die schon von der Vorspeise und vom Hauptgericht mehr als satt sind? Kurzum: Jeder nahm noch einen Nachtisch, die Nicht-Autofahrerfraktion freute sich über eins bis drei Schnäpse, und alle waren glücklich und zufrieden.

Das »Bockshaut« ist ein gutbürgerliches Restaurant. Viele Menschen halten »gutbürgerlich« längst für eine Beschimpfung. Dieses Darmstädter Restaurant, das schon zur Tradition der Stadt gehört, beweist, dass dem nicht so sein muss ...

10 Dezember 2007

Lesung im »Gegendruck«


Wie schon erwähnt, lese ich im Dezember noch in Heidelberg, genauer im Café Gegendruck in der Altstadt. Darauf freue ich mich schon, vor allem auch deshalb, weil mir das im letzten Jahr schon sehr gefallen hat.

Die Aktivisten in Heidelberg haben jetzt auch einen sehr schönen Flyer gebastelt, den ich in diesem Blog natürlich gern präsentiere. Wirkt ja richtig seriös ...

Immer wieder lustige Spams

Heute in meinem Postfach in der Firma (ich wundere mich über nicht mehr sehr viel) eine sehr lustige Spam-Mail:

Guten Tag,

Sie als Inhaber der E-Mail-Adresse (ZENSIERT) werden hiermit zur Fahrprüfung vorgeladen. Nutzen Sie folgenden Link zur Teilnahme:

http://www.Fahrschul-Pruefer.com/

Sie werden gebeten, die Prüfung sofort durchzuführen und abzuschließen. Bitte benutzen Sie folgenden Link:

http://www.Fahrschul-Pruefer.com/


Mit freundlichen Grüßen
Ihre Führerscheinstelle
von www.Fahrschul-Pruefer.com



Ich meine ... wer reagiert ernsthaft auf so einen Quatsch? Aber lustig ist es ja trotzdem.

07 Dezember 2007

Die neuen Netz-Idioten

Manchmal lohnt es sich, die Süddeutsche Zeitung zu lesen, um sich über manche Artikel zu lesen. Dies gilt ebenfalls für die Lektüre ihrer Internet-Ausgabe. So heute.

Unter der Überschrift »Die neuen Idiotae – Web 0.0« schreibt Bernd Graff über seine Sicht auf das Internet, vor allem auf das demokratische Bloggen, Foren-Befüllen und sonstwie Im-Netz-Aktiv sein.

In seinen Augen handelt es sich um das, was dabei entsteht, um einen »Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten«. Er führt eine Reihe von Beispielen auf, die eigentlich auch alle in Ordnung sind – schließlich steht in Foren oftmals viel Mist.

Na ja, der Artikel ist teilweise ein Ärgernis, teilweise ist er durchaus lesbar. In einem hat Graff eh recht. Wer sich für richtig gute Inhalte interessiert, sollte weiterhin gedruckte Inhalte lesen ...

05 Dezember 2007

Eine Fahrt nach Malaga

Eigentlich lag ich an diesem frühen Nachmittag am Pool, bemüht, mich so zu verhalten, wie es sich für einen echten Touristen ziemte: ein Buch in der Hand und die Sonne auf dem Bauch. Und alle nur erdenklichen Wolken, die über den Strand trieben, beabsichtigte ich zu ignorieren. Sollten sie einfach über dem Meer abregnen!

Doch dann nieselte es, nicht schlimm, aber nervig, und ich änderte meine Pläne.
Und fuhr mit der Bahn nach Malaga. Nicht, weil das eine besonders schöne Großstadt war – das wusste ich, seit ich anno 1987 dort durchgefahren war, auf dem Weg nach Westafrika. Ich wollte nach Malaga, weil das die nächste Großstadt war und ich die Hoffnung hatte, dort auf echte Menschen zu treffen, nicht nur auf Touristen und servile Hilfsgeister, die um sie herumscharwenzelten.

Doch der einsetztende Regen zog mir einen Strich durch die Rechnung. In unaufhörlichem Gepladder knallte Wasser auf die Straßen der Stadt herunter. Ich mit dünner Hose und ebenso dünnem Hemd hatte keine sonderlich guten Karten an diesem Tag.

Ziemlich befeuchtet zog ich mich in ein Café zurück. Die schnöselige Bedienung, ein blonder Zwerg von vielleicht eineinhalb Metern, behandelte mich wie ein Stück Dreck. Kein Wunder, ihr war bewusst, dass ich nicht ihrer hübschen blauen Augen hier war oder ihres gastronomischen Angebots wegen – drei Stück Kuchen, die wohl seit der Franco-Ära auf Kunden warteten -, sondern schlicht wegen der Tatsache, dass dieser Laden Trockenheit versprach.

Kurze Zeit später verließ ich das Café, weil es nicht mehr regnete, glücklich, dem eisigen Blick der Blondine entronnen zu sein, und ging durch eine Nebenstraße. Ich guckte in die Luft und nicht auf die Straße, und ich pitschpatschte mit meinen Converse-Schuhen durch eine schätzungsweise knöcheltiefe Pfütze.

Das hatte ich davon. Klatschnasse Socken, triefnasse Schuhe, feuchtes Hemd und feuchte Hose, und dann noch gut zwanzig Kilometer von der Klamottenwechselstelle in meinem Hotelzimmer entfernt. Ich beschloss, meine künftigen Reisen wieder in harmlose Ziele zu verlegen, Westafrika, Südostasien oder Nordamerika.

Spanien, das war nichts; da regnete es andauernd.

04 Dezember 2007

Kein Horror-Roman, schlimmer


Das Recht auf Kacken ist ein elementares. In Mitteleuropa betrachtet man es als so elementar, daß es als unschicklich gilt, das Thema außerhalb von Beschimpfungen anzusprechen. Ganz anders in vielen Slums der Dritten Welt: Da es buchstäblich keine Toiletten und definitiv kein Abwassersystem gibt, wird Stuhlgang für die zig Millionen Bewohner dieser alptraumhaften Unterkünfte zu einem echten Problem. Wohin mit der Scheiße?

Das mag sich jetzt lustig anhören, ist es aber nicht. Und das Buch »Planet der Slums« von Mike Davis, das ich gelesen habe, macht auch klar, warum das Thema ein so ernsthaftes ist: Es hat letztlich auch etwas mit Menschenwürde zu tun, die unsereins als Mitglied des kapitalistisch-reichen Europa den Armen der Dritten Welt schlichtweg vorenthält.

Das hier ist kein einfaches Sachbuch, sondern ein dramatisches. »Planet der Slums« spart nicht an drastischen Details, listet aber auch Zahlen auf: Schätzungsweise eine Milliarde Menschen kämpfen weltweit in Slums ums Überleben, unter Bedingungen, die hierzulande unvorstellbar sind und die noch nicht einmal ein Afrika-Reisender wie ich zu Gesicht bekommt. Und es besteht so gut wie keine Hoffnung.

Das empfinde ich als den grausigsten Aspekt dieses Buches, das schlimmer als jeder Horror-Schmöker daher kommt: dass die sogenannten Helfer aus der Ersten Welt, seien es die Weltbank und ihre Büttel oder irgendwelche Nichtregierungsorganisationen, am Los der Ärmsten der Armen nichts ändern wollen oder können. Alle Strukturanpassungen der letzten Jahre haben die Situation nämlich nur weiter verschärft.

Das Verdienst von Mike Davis ist, in diesem Sachbuch einem kritischen Leser zumindest die Augen zu öffnen. Die eigenen Schlüsse daraus muss dann jeder selbst ziehen.

Mike Davis: Planet der Slums
Deutsche Erstausgabe
Übersetzung: Ingrid Scherf
Verlag Assoziation A, Berlin / ISBN 978-3-935936-56-9
Paperback, 248 Seiten