Auf einer Veranstaltung lernte ich eine deutsche Verlagsangestellte kennen. Sehr belesen, sehr klug, sehr intellektuell, natürlich ein Doktor-Titel. Irgendwie kamen wir auf den Erfolg der »Harry Potter«-Bücher zu sprechen.
»Es gab ja deutsche Verlage, die haben das Buch abgelehnt«, lästerte ich nicht zum ersten Mal bei diesem Thema. »Die Lektoren dort werden sich doch heute schwarz ärgern.«
Sie schüttelte den Kopf. »Na ja«, wandte sie ein, »der eine Verlag, den ich kenne und der es abgelehnt hat, bekam nur die ersten hundert Seiten. Und nach diesen ersten hundert Seiten mußte eine Entscheidung fallen.«
Wer sich jetzt wundert: Das ist nicht ungewöhnlich. Häufig werden Bücher von Verlagen auch angekauft, obwohl noch keine einzige Zeile geschrieben worden ist. Man investiert da gewissermaßen in die Zukunft, weil man ja glaubt, irgendwann einen großen Erfolg zu landen.
»Aber«, so fügte die Kollegin hinzu, »ich hätte genauso gehandelt. Ich habe die ersten hundert Seiten nämlich auch gelesen. Eine Ansammlung von Klischees, lauter kindisches Zeugs.«
Jetzt schüttelte ich den Kopf. Mich hatte Harry gleich gepackt; ich fand die Geschichte des Jungen, der bei seinen grausigen Zieheltern und seinem blöden Vetter aufwachsen muß, packend. Aber ich habe auch in mancherlei Hinsicht ein kindliches Gemüt und stehe auf Unterhaltungsliteratur.
Schon blöd, wenn in deutschen Verlagen manchmal Leute über Bücher entscheiden müssen, die manchmal rein gar nichts mit dem Inhalt anfangen können ...
Mich hat Harry Potter auch gepackt, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Ich hab mich am Anfang ber die übertriebenen Darstellungen, wie Harry von allen drangsaliert und ungerecht behandelt wird, ein bisschen geärgert. Es war mir einfach etwas zu übertrieben und zu sehr auf dieses "armer kleiner Junge wird plötzlich zu etwas besonderem" - Image abgestellt.
AntwortenLöschenAllerdings, nach mehrmaligem Lesen (bzw. Hören) ist das nicht mehr so und HP zog mich vollends in seinen Bann.
Und noch etwas zu dieser Verlagsangestellten: Wenn in diesem Verlag solche Bücher verlegt werden sollen, dann sollte man auch die entsprechenden Leute für so etwas haben. Ich werde als Verlag nie auf dem GEbit der Kinder- und Jugendliteratur Erfolg haben, wenn ich einen Reich-Ranicki (beispielsweise) als Lektor beschäftige.
Letztlich ist "Harry Potter" ja auch bei einem Verlag gelandet, wo sich die Leute mit Kinder- und Jugendbüchern auskannten - und die haben dann einen sehr guten Job gemacht. Wahrscheinlich wären die Bücher in Deutschland "auch so" ein Erfolg geworden, aber Carlsen hat da noch mal richtig viel Arbeit reingesteckt, was ich respektabel finde. Man hätte es sich einfacher machen können ...
AntwortenLöschenDen Anfang des Potter-Epos kann man in der Tat als übertrieben und auch klischeehaft bewerten, aber ... das sind Jugendbücher,und da muss man die Leser ja auch bei ihrer Erlebniswelt abholen, wie man so schön sagt.
Inwiefern Arbeit? Meinst Du Werbung und Merchandising oder wie ist das? Ich meine, die Bücher als solche waren ja fertig. Ist der Verlag eigentlich auch für die Übersetzungsarbeit verantwortlich?
AntwortenLöschenEs fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass das tatsächlich die Erlebniswelt von Kindern und Jugendlichen ist. Ich glaube eher, dass die Verlage, die Kinder- und Jugendbücher rausbringen, diese Erlebniswelt zu einem großen Teil mit beeinflussen, da viele Bücher für diese Altersgruppe vor solchen Klischees nur so strotzen.
Sicher ist eine gewisse Überdrehung der Verhältnisse unabdingbar, damit die Kontraste in den Augen der Lesenden Halbwüchsigen scharf genug sind, aber manchmal ist weniger eben doch mehr.
würdest du den Perry Rhodan von heute wirklich noch ankaufen?
AntwortenLöschenZum anonymen Poster: Klar würde ich PERRY RHODAN ankaufen - gerade den von heute. Der ist nämlich sooo erfolgreich, dass man's heute auch noch messen kann ...
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