Ich mag die Comic-Serie »Largo Winch« schon seit vielen Jahren und verstehe nicht, warum sie im deutschsprachigen Raum nicht den Stellenwert hat, der ihr gebührt. Dieser Tage las ich den vierten Band der Gesamtausgabe wieder einmal, und dieser zeigt hervorragend, was diese Serie ausmacht: Geschickt verbinden der Autor und der Zeichner die Welt der Aktien und Wirtschaftsgeschäfte mit viel Action und einer Reihe von emotionalen Szenen.
Das zeigt sich auch an diesem Band: Die ersten zwei Geschichten erzählen von den Kämpfen der Hochfinanz und ihren direkten Auswirkungen auf Arbeiter in den Vereinigten Staaten. In den zwei anderen Geschichten geht es um Transaktionen mit dem chinesischen Markt, aber auch ein wenig um Tibet und vor allem um viel Action. Ich will an dieser Stelle gar nicht zu sehr ins inhaltliche Detail gehen.
Die Geschichten sind allesamt sehr spannend erzählt. Den Texten merkt man an, dass Jean van Hamme in der »wirklichen Wirtschaft« gearbeitet hat. Er weiß, was Aktien-Optionen sind, und er kann die Vorgänge bei Firmen-Transaktionen auch so vermitteln, dass sie für die Leser verständlich sind. Zudem garniert er die ganzen Wirtschaftsthemen mit sehr viel Action, flotten Dialogen und einer Prise Erotik, so dass auch jene Leser auf ihre Kosten kommen, die sich nicht für Wirtschaft interessieren.
Die Bilder wirken in ihrem Realismus teilweise atemberaubend. In den redaktionellen Anhängen wird erwähnt, wie sehr Philippe Francq als Zeichner recherchiert hat, damit beispielsweise ein Flug über Hongkong realistisch aussieht. Ich glaube das sofort. Die Action-Szenen sind dynamisch, seine Stadtansichten finde ich atemberaubend, die Figuren sehen teilweise richtig toll aus. Das ist alles auf einem sehr hohen Niveau.
Spannend ist bei allem übrigens der weltanschauliche Blick. »Largo Winch« ist keine politische Serie, zumindest vordergründig nicht. Der Held ist letztlich ein Multimilliardär, der aber allerlei Abenteuer erlebt. Das kann man getrost diskutieren und kritisieren, muss man aber nicht. Weil der Held halt auch immer wieder so agiert, dass er sich für die Armen und Unterdrückten einsetzt ...
Das kapitalistische System wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern es bleibt in sich erhalten. Trotzdem ist klar, wie stark ausgeprägt seine Schattenseiten sind – wobei sich die Serie immer wieder auf einzelne Ausbeuter konzentriert. Band vier der Gesamtausgabe zeigt das: Am Ende sitzen die Manager wieder an ihrem Tisch, es hat sich grundlegend nichts geändert, auch wenn sich das Leben einiger Menschen verbessert hat.
Darüber könnte ja, wer mag, am Ende des Comics nachdenken. Immerhin hat man auf dem Weg zum Nachdenken eine Reihe von spannenden Geschichten zu lesen …
Einige Informationen zum vierten Band der »Largo Winch«-Gesamtausgabe gibt es auf der Internet-Seite von Schreiber und Leser.
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