10 Juni 2024

Amerikanischer Mythos, neu erzählt

Zu den vielen Mythen, die sich um die Besiedlung von Nordamerika ranken, gehört die Geschichte von Pocahontas: Die junge Tochter eines Anführers der Powhaten – ein Volker der amerikanischen Ureinwohner – verliebt sich in einen gefangenen Engländer. Später helfen die Powhatan den weißen Siedlern dabei, auf dem neuen Kontinent Fuß zu fassen, und Pocahontas – so der Name der »Prinzessin« – geht als völkerverbindende Figur in die Geschichte der Vereinigten Staaten ein.

Es geschah damals sicher nicht so, wie es die Legenden erzählen. Doch wie waren die Begegnungen zwischen den englischen Siedlern und den Powhatan zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Virginia wirklich? Der französische Comic-Künstler Patrick Prugne, der schon mehrere Comics über die Besiedlung Neuenglands veröffentlicht hat, zeigt in »Pocahontas« seine Sicht der Dinge.

Prugne erzählt von den ersten Begegnungen zwischen Engländern und Einheimischen, zwischen den Konflikten, dann der eher zurückhaltenden Koexistenz. Pocahontas, die in Wirklichkeit Matoaka heißt, wird von ihm als aufgeschlossene junge Frau dargestellt, die die Kolonisten interessant findet und keinen Krieg möchte. Die Engländer wirken eher tumb: Sie suchen nur nach Gold und fuchteln mit ihren Waffen herum, scheinen nicht das geringste Interesse an den Menschen im Land und ihren Sitten zu haben.

Und so kommt eins zum anderen: Zuerst helfen die Powhatan, den Engländern über den Winter zu kommen, dann droht die große Schlacht ...

Das alles erzählt der Comic-Künstler ohne Aufgeregtheit. Zwar gibt es ein wenig Action, vor allem aber konzentriert er sich auf die internen Auseinandersetzungen auf beiden Seiten. Die Hauptfiguren treten klar hervor, auf sie stützt sich die Geschichte, und das wirkt auf mich glaubhafter als manche Legende und sogar spannender als die historische »Wahrheit«.

Prugnes Bilder sind sanfte Aquarelle, bei denen er die unendlichen grünen Wälder Nordamerikas gegen die Waffen und Helme der englischen Soldaten setzt. Seine Darstellung von Menschen und Natur unterscheidet sich vom klassischen Abenteuer-Comic ebenso wie von anderen Stilrichtungen; das zieht einen bei der Lektüre geradezu in die Welt des frühen 17. Jahrhunderts hinein.

»Pocahontas« reiht sich damit in die Reihe der anderen Werke dieses Comic-Künstlers ein. Der Comic spielt mit Farben und Eindrücken, er vermittelt ein packendes Bild in eine historische Epoche, und er stellt die »alte Welt« der indigenen Völker der »neuen Welt« der europäischen Kolonisten entgegen. Stark gemacht! Wer sich einen Einblick verschaffen möchte, wie schön Prugnes Bilder sind, schaue sich die Leseprobe im Netz an.

Erschienen ist der Comic als Hardcover im Splitter-Verlag. Er umfasst 96 Seiten.

(Diese Rezension erschien bereits im Oktober 2023 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN. Ich bringe sie an dieser Stelle, damit ich sie für mich dokumentiere.)

1 Kommentar:

  1. Informationen zu »Pocahontas« gibt es auf der Internet-Seite des Splitter-Verlags. Hier:

    https://www.splitter-verlag.de/pocahontas.html

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