Es gab für mich immer wieder einen Grund, nach Wien zu reisen. In der Hauptstadt Österreichs kannte ich einige Leute, die ich gern besuchte, und ich hatte immer wieder berufliche Gründe, die mich dorthin führten. Wenn es ging, versuchte ich private und berufliche Termine zu verbinden. Und dazu gehörte, dass ich versuchte, auf ein Punk-Konzert zu gehen.
Als ich am Samstag, 4. September 1999 ins EKH stolperte, hatte ich schon ein bisschen Bier im Kopf. Ich hatte zu Abend gegessen, ich hatte dazu einiges getrunken. Das war eine gute Grundlage für ein Konzert, das mich in euphorische Stimmung bringen könnte.
Nachdem ich die Treppe hinunter zu Konzertraum gegangen war, blieb ich allerdings verwirrt stehen. Gerade mal ein Dutzend Leute lungerte dort herum, auch in der Kneipe waren es nicht viel mehr. Als die Band später auf der Bühne stand, fanden sich vielleicht dreißig Leute ein. Es herrschte eine eher lustlose Stimmung.
Vielleicht lag es am Publikum. Ich hatte das Gefühl, einer der wenigen zu sein, die ein Bier in der Hand hielten. Die anderen wirkten – bei einem Frauenanteil von vielleicht zwanzig Prozent –, als ob sie Straight Edge betrieben und ein Bier eher seltsam fanden. Die einzige Lederjacke im Raum war auch die meine.
Aber gut, das kannte ich von manchen Hardcore-Konzerten in Deutschland nicht anders. Und da musste ich kein Referat darüber halten, dass »Hard-Core« in den 80er-Jahren noch bedeutet hatte, sich besonders viele Nieten auf die Jacke zu tackern und sich bei Konzern besonders rasant mit Bier abzuschießen Wir hatten Ende der 90er- und nicht mehr Anfang der 80er-Jahre, so einfach war das.
Ich besorgte mir an der Theke ein Bier und fragte den Mann hinterm Tresen, warum so wenig los sei. Er hob die Schultern, das sei ihm auch unklar. Wie er mir aber erzählte, hatte ich die eigentlich wichtige Band des Abends verpasst – und das ärgerte mich.
Peace Of Mind aus Göttingen hatten aufgespielt. Ich kannte von dieser Hardcore-Band diverse Platten, die mir gut gefielen, moderner und wuchtiger Hardcore mit starker Emo-Kante. Ich hatte sie noch nie gesehen, und nun waren sie mir in Wien ebenfalls durch die Lappen gefangen.
Immerhin bekam ich die nächste Band mit: eine Gruppe von Männern, die sich in ihren Aussagen sehr zurückhielten. Die Band nannte sich La Affera, und sie kam aus Polen. Mehr erfuhr ich nicht – die Band legte gleich mit einem brachialen Sound los. Es war laut, es war wuchtig, und es blies mir die Ohren fast weg.
So richtig einordnen konnte ich das nicht; weit weg vom Punk auf jeden Fall, schon irgendwie Hardcore, aber schwer auf Metal gebürstet. Manchmal klang es für mich nach Industrial; die Stücke waren laut, sie waren nicht unbedingt schnell, und sie hatten einen eigenen Charakter. Manchmal erinnerten sie mich an die holländische Band Gore, die ich in den späten 80er-Jahren mal gesehen hatte, oder auch an Neurosis, die zu der Zeit sehr angesagt waren.
An diesem Abend fand ich das eher anstrengend. Die einzelnen Stücke gingen mir nicht in den Kopf, Melodien gab es nicht. Auf den wummernden Bass und das knallige Schlagzeug konnte ich immerhin den Kopf bewegen, einige Leute in meiner Nähe zappelten ein wenig herum, aber die meisten standen ebenso da wie ich und schauten interessiert zu, ohne aber begeistert zu wirken.
Ich sah mir den Auftritt der Band bis zum Ende an, dabei trank ich Bier und stand die meiste Zeit in der Nähe des Bühnenrands. »Spannend war das nicht«, murmelte ich, als ich die Treppe hinaufstieg und das EKHG verließ. Aber vielleicht hatte ich in diesen Abend im Voraus zu viele Erwartungen gesteckt …
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