Als ich am Samstag mit leichter Verspätung in Richtung Marktplatz radelte, überlegte ich mir noch, wo ich mein Rad abstellen sollte. Ich ging aufgrund der Berichte von anderen Demonstrationen davon aus, dass auch in Karlsruhe viel los sein würde, dass ich aber keine Probleme haben dürfte, in der Nähe des Stadtzentrums mein Rad abzustellen.
Aber als ich über den Zirkel fuhr, wurde mir klar, dass meine Erwartungen übertroffen wurden. Schon da, gut 500 Meter vom Marktplatz entfernt, wimmelte es von Menschen. Platz für Räder gab es auch keinen mehr; ich stellte mein Rad irgendwo ab.
(Später hieß es überall, es seien über 20.000 Leute gewesen, die sich an der Demonstration gegen Rechtsradikale beteiligt hatten. Keine Ahnung, ob das stimmt – wenn ich mir entsprechende Luftaufnahmen anschaue, glaube ich das sofort.)
Ich brauchte lang, um überhaupt nur an den Rand des Marktplatzes zu kommen. Die Menschen standen dicht gedrängt, aus allen Richtungen strömten weitere hinzu. Ich sah die Stände des Blumenmarktes, die von der Menge umgeben waren und deren Verkäufer an diesem Tag sicher einen schlechten Umsatz machten, und ich sah den kleinen Lautsprecherwagen, der für eine Demo von vielleicht tausend Leuten ausreichte, nicht aber für die Menge.
Weil ich mich ein wenig umsehen wollte, machte ich kehrt, ging durch Nebenstraßen und stieß dann bei der Hauptwache wieder auf den Rand des Marktplatzes. Auch hier standen die Menschen dicht gedrängt, hier hörte man immerhin ab und zu mal etwas aus den Lautsprechern.
Es war allerdings ein großartiges Wetter: Wir hatten Minusgrade, überall lag Schnee, aber die Sonne schien vom Himmel. Überall um mich herum standen Leute, die lachten und sich freuten; es herrschte eine beeindruckend gute Stimmung.
Wer genau auf der kleinen Bühne sprach, bekam ich nicht mit. Eine Rednerin holte zum großen Rundumschlag aus und führte den aufkeimenden Faschismus mal wieder auf den Kapitalismus zurück – dieser Theorie konnte ich schon früher nichts abgewinnen –, machte aber klar, dass die Anwesenden vielleicht nicht alle die gleiche Meinung hätten, sich aber einig seien, dass man die Nazis stoppen müsse. Das fand ich dann auch gut.
Irgendwann setzte sich die Demo in Bewegung. Ich hatte mittlerweile mehrere Bekannte getroffen, und wir gingen als Gruppe mit, wobei wir wir uns weniger an den Sprechchören beteiligten, als über Gott und die Welt laberten. Beim Gang durch die Straßen zog sich die Demonstration ewig in die Länge, und meine Bekannten lösten sich irgendwann aus dem Zug. Ich spazierte selbst zum Marktplatz zurück.
Dort trudelten immer mehr Leute ein, vor allem jüngere Menschen, die ich – im weitesten Sinn – zum Antifa-Spektrum zählen würde. Die Polizei, die sonst bei Antifa-Demonstrationen sehr martialisch auftritt, hielt sich sehr zurück. Nur wenige Beamte standen herum und unterhielten sich mit Demonstranten. Aus den Lautsprechern kam laute Musik, es schien sich eine Party zu entwickeln. Ich schätzte, dass sich gegen 15 Uhr schon wieder um die tausend Leute eingefunden hatten.
Weil ich daheim noch einiges zu tun hatte, verließ ich den Marktplatz, fand zu meinem Fahrrad zurück und radelte quer durch die Stadt zurück. Überall waren Leute unterwegs, die sichtlich von der Demonstration kamen, überall spazierten Grüppchen durch die Stadt, die teilweise selbstgemalte Plakate und Transparente trugen.
Dieses positive Bild von einer friedlichen Innenstadt ohne Hass und Wut – ich hatte genügend Aufmärsche von Rechtsradikalen, Coronaleugnern und »Querdenkern« gesehen, bei denen man den blanken Hass in den Gesichtern der Leute wahrgenommen hatte – trug ich mit nach Hause. Und ich hoffte, dass es lange bleiben würde.
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