Die Sonne schien, es war ein warmer Tag im Frühsommer. Meine Mutter und ich saßen in der Küche, am Esstisch hatte sich mit uns Herr Glausner niedergelassen. Die Erwachsenen unterhielten sich, und ich durfte dabeisitzen. Die Regel dabei war, dass ich den Mund zu halten hatte.
Womit Herr Glausner genau sein Geld verdiente, wusste ich nicht. Ich mochte seinen Namen, weil er so ähnlich wie der meine klang, was zu vielen kindlichen Späßen einlud, und ich fand ihn immer nett, wenn er zu Besuch kam. Er war nicht verwandt, sondern gehörte zum »sozialen Umfeld« meiner Eltern, das sich aus alten Kriegskameradschaften, ehemaligen Arbeitskollegen und kirchlichem Umfeld speiste.
Ich fand ihn nett, das reichte, und ein bisschen geheimnisvoll. Von den Gesprächen zwischen ihm und meiner Mutter bekam ich nicht viel mit. Herr Glausner kam viel herum, wie ich immerhin erfuhr, während meine Mutter die nähere Umgebung des Nordschwarzwalds kaum verlassen hatte.
»Man muss halt aufpassen«, sagte Herr Glausner. Es sei nicht ohne Risiko, auf der Straße unterwegs zu sein. »Die heutigen Zeiten sind gefährlich.«
»Haben Sie dann eine Pistole dabei?«, platzte ich heraus. Ich war sechs Jahre alt, kam bald in die erste Klasse und wusste aus Erzählungen, dass es Schusswaffen gab. Im Fernsehen hatte ich auch schon gelernt, wie so eine Waffe aussah.
Herr Glausner grinste. Er schob sein Jackett zur Seite, das er anhatte, und zeigte, dass er eine Art Tasche unter der Schulter hatte. Diese war normalerweise durch das Jackett verborgen. Er öffnete die Tasche, und einmal hielt er eine Schusswaffe in der Hand. Ob es ein Revolver oder eine Pistole war, erkannte ich nicht.
Ich starrte auf das Metall, auf die Waffe, auf die Hand unseres Besuchers. Langsam griff er nach der Waffe und zog sie aus der Tasche, dann hielt er sie in der Hand, locker nur, aber eindeutig zu erkennen, keinen Meter von meinem Gesicht entfernt.
Entsetzt schrieb ich auf, sprang von meinem Platz auf, rief etwas, das niemand verstand und ich sofort vergaß, und rannte aus der Küche. Ich rannte durch den Flur, hinein in das Kinderzimmer, in dem meine Schwester und ich sonst schliefen, öffnete dort das Fenster, kletterte hinaus und versteckte mich im Garten zwischen den Sträuchern, die dort wuchsen. Vor lauter Angst war ich wie besinnungslos.
Es dauerte vielleicht zwei Minuten, dann stand meine Mutter am Fenster. »Klaus, komm rein«, sagte sie, »dir passiert schon nichts.«
Ich blieb in meinem Versteck, ich rührte mich nicht. Sie konnte mich sehen, so groß waren die Sträucher ja nicht, aber ich ließ mich nicht dazu bewegen, wieder ins Haus zu kommen. Dort blieb ich, zitternd vor Angst und völlig verschreckt.
Erst als etwa eine Viertelstunde ein Auto vom Hof fuhr, war das für mich das Zeichen, aus dem Versteck zu kommen. Ich mochte Herrn Glausner weiterhin, aber ich hielt nach diesem Tag immer den größtmöglichen Abstand zu ihm ein.
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