Für mich waren die Sex Pistols in einer gewissen Phase meiner Jugend unglaublich wichtig: Ich verstand die Texte nicht unbedingt, aber es war klar, dass diese Musik anders war als alles andere zuvor. Sie war wütend und räudig, und ich nutzte sie, um mich von anderen abzugrenzen. Bis heute halte ich die Platte »Never Mind The Bollocks« für richtig gut, wobei das sicher an meiner frühjugendlichen Prägung liegen kann.
Als Gitarrist der Sex Pistols trug Steve Jones viel zum frühen Erfolg der Band bei. Seine Biografie trägt den schönen deutschen Titel »Meine Sex Pistols Geschichte« und wurde im Hannibal-Verlag veröffentlicht. Ich habe sie endlich gelesen – und ich fand sie sehr unterhaltsam. Wobei es streckenweise mehr über Drogen und Frauen geht als um Musik im Allgemeinen und Punkrock im Besonderen …
Mit dem konnte Steve Jones eh nicht viel anfangen. Mit Verachtung blickt er in seinem Buch auf die Szene, die nach der ersten Punk-Welle entstand. Er zeigt sich eher als ein Freund der »normalen« Rockmusik und glaubt allen Ernstes, Punk sei in den 90er-Jahren vor allem durch Bands wie Guns'n'Roses wieder populär geworden. Sieht man von solchen Wirrungen ab, ist sein Buch ausgesprochen unterhaltsam, wenngleich nicht sonderlich informativ.
Steve Jones erzählt von seiner Kindheit und Jugend in einer ärmlichen Gegend, von den Schwierigkeiten mit seinem Stiefvater, der ihn sexuell missbrauchte, von seinen Obsessionen: Bereits in seiner Kindheit fing Jones damit an, alles mögliche zu stehlen. Gleichzeitig war er ein »Spanner«, der jungen Paaren beim Sex zusah. Beides setzte sich in seiner Jugend fort, später noch mit starkem Alkoholkonsum gekoppelt.
Wie er mit seinem Jugendfreund »Cookie« eine erste Band gründete, aus der später die Sex Pistols entstehen sollten, liest sich richtig spannend. Vivienne Westwood, Malcolm McLaren, Johnny Rotten und Sid Vicious – die berühmten Namen tauchen alle auf, wenngleich in einem anderen Licht dargestellt als in anderen Büchern. Jones wirkt ehrlich, wenngleich extrem subjektiv, vor allem, weil er zu sehr mit seinem Drogenkonsum, seiner Sexbesessenheit und dem dauernden Stehlen beschäftigt war.
Und so spannt das Buch seinen Bogen von einer Kindheit in den 60er-Jahren zu einem fiesen Junkie in den 80er-Jahren bis hin zu einem Musiker, der heute immer noch aktiv ist, aber seit mehr als einem Vierteljahrhundert keine Drogen mehr anrührt. Das muss man nicht alles gut finden und vor allem nicht alles teilen, aber es liest sich spannend – ein interessanter Einblick in ein Leben, das am Anfang von Punk die neue Musikrichtung stark prägte.
Erschienen ist das Werk als Paperback im Hannibal-Verlag; es ist keine unbedingt preiswerte Lektüre, aber eine, die einen gut unterhält und informiert. Wer mag, kann sich auf der Internet-Seite des Verlages ja ein wenig im Voraus informieren …
Die Wikipedia hat einen schönen und knappen Artikel über Steve Jones anzubieten:
AntwortenLöschenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Steve_Jones_(Musiker)
Weitere Informationen zu dem Steve-Jones-Buch gibt es auf der Internet-Seite des Hannibal-Verlags. Hier:
http://www.hannibal-verlag.de/cgi-bin/WebObjects/TXTSVHannibal2.woa/640/wo/3m4qF23ptUTI2wZSu7V1ShuRKYs/3.0.SuperPage.11.1.5.1.1.11.1.0.1.0.BoxArticleSmall.1.13.0
Habe auch selbst gerade erst vor einigen Monaten das Buch von Steve Jones gelesen, zusamnen mit der Autobiografie "Anger is an Energy" von John Lydon alias Johnny Rotten, (beide im englischen Original), und zwar aus Anlass des Biopics "Pistol" über die Sex Pistols, das um die gleiche Zeit herum bei uns in den USA als Serie bei einem Streamingdienst herauskam. Ich besitze zwar eine Kopie von "Never Mind The Bollocks", aber ansonsten war Punk nicht so mein Ding als Jugendlicher, ehe so der Glam- und Hardrock von einigen Jahren davor.
AntwortenLöschenDie Darstellung der Entwicklung der Punkbewegung und der dazugehörigen Musik sowohl in den Büchern als auch (fiktiv) in "Pistol" fand ich dennoch sehr interessant. Beispielsweise wusste ich bisher gar nicht, daß Jones mit Chrissie Hynde (die später als Gründerin und Anführerin der Gruppe The Pretenders bekannt wurde) befreundet war und wohl das Gitarrespielen z.T. von ihr gelernt hat. Zudem war Steve Jones auch ein großer Verehrer von David Bowie und hat sogar, wie er in seinem Buch erwähnt, einige Ausrüstungsgegenstände von Bowies Band geklaut, und zwar direkt von der Bühne um die Zeit herum, als Bowie in London sein letztes Konzert aus der Ziggy Startdust-Zeit gab.
Jedenfalls kann ich vor allem Steve Jones Buch jedem empfehlen, der sich für Pop- und Rockmusik interessiert, selbst wenn man nicht unbedingt ein solch großer Fan von Punkmusik ist wie KNF. 😉
Übrigens gibt es von der Satiresendung "Saturday Night Live" im amerkanischen Fernsehen eine herrliche Persiflage zur Punkmusik unter dem Titel "History of Punk", samt einem Auftritt von Steve Jones: https://youtu.be/EEmIIl96zk0 (kann allerdings sein, daß dieses Video aus rechtlichen Gründen nicht von Deutschland aus abgerufen werden kann).
Danke für die schöne Ergänzung. Die Serie »Pistol«, die man auch in Deutschland schon sehen kann – leider bei einem Streamingdienst, den ich nicht abonniert habe –, wurde mir schon mehrfach empfohlen. Irgendwie muss ich sie mir mal besorgen.
AntwortenLöschenDas von Dir zitierte Buch von von John Lydon liegt bereits in deutscher Übersetzuung vor, das habe ich gelesen. Sowohl Lydon als auch Jones kommen ja zu unterschiedlichen Einschätzungen, was nicht überraschen kann. Aber so ist das mit Erinnerungen: Jeder speichert sie anders ab ...
Punk war nach 1980 tot, und der Zeitgeist dran vorbei. Ausser inder Süddeutschen Provinz. Da bekommt man das zwanzig Jahre Später mit!
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