Seien wir ehrlich: Ein Krimi-Comic, in dem ein Mann aufwacht und sein Gedächtnis verloren hat, ist vom Ansatz her nicht sonderlich originell. Wie es aber im Comic-Zweiteiler »Mord für Mord« erzählt wird, ist auf jeden Fall grafisch sehr originell, auch die Geschichte ist unterhaltsam. Die beiden Teile tragen die hübschen Titel »Gila Monster« und »Atemstillstand«, und ich habe sie direkt hintereinander gelesen.
Doch der Reihe nach … Die Geschichte beginnt im Jahr 1964, der Schauplatz ist San Francisco. Und der Mann, aus dessen Sicht erzählt wird, weiß beim besten Willen nicht mehr, wer er eigentlich ist. Er wacht neben der Leiche einer Frau auf.
Dafür scheinen ihn recht viele Leute einschätzen zu können. Er hat richtig viel Geld, er besitzt eine teure Wohnung in New York, die Leute haben Respekt vor ihm. Recht schnell wird klar, dass er aus dem »Milieu« kommt und nicht gerade zu den netten Menschen dieser Stadt gehört. Die Polizei ist ihm auf der Spur, man hält ihn für einen Mörder, und er hat keine Ahnung, was eigentlich rings um ihn gespielt wird.
Wie soll er damit umgehen? Er versucht, mehr über sich und sein Leben herauszufinden, und merkt recht schnell, dass er sich bei diesem Versuch mit der Mafia anlegt …
Als Autor zeichnet bei diesem ungewöhnlichen Comic der in Straßburg geborene Roger Seiter verantwortlich. Seit den 90er-Jahren veröffentlichte er mehrere Comics, für die er die Texte schrieb. In »Mord für Mord« hält er die klassischen Regeln eines Krimis ein: Auf jeder Seite gibt es weitere Informationen, die Hauptfigur sammelt ihre Erkenntnisse, die am Ende ein vollständiges Bild ergeben. Die Dialoge sind oft lakonisch, die Einbindung in die 60er-Jahre wirkt glaubhaft. Das ist spannend erzählt und lässt einen die Comics kaum aus der Hand legen.
Am gelungenen Gesamtbild haben die Zeichnungen und vor allem die Farbgebung einen sehr großen Anteil. Pascal Regnauld ist mir vor allem durch seine Mitarbeit an »Canardo« bekannt geworden. Bei diesem Krimi setzt er auf eine Art gebrochenen Realismus; die Figuren sind ernsthaft gezeichnet, sie wirken aber immer ein wenig verzerrt. Jede für sich ist klar dargestellt, die Action und die Dialoge sind stimmig. Die Welt von »damals« wirkt plastisch und klar, das macht der Zeichner richtig gut.
Seine Farbgebung ist allerdings besonders interessant: Im Prinzip arbeitet er mit Farbtönungen, die er durchzieht. Spielen die Szenen bei Tag, sind sie eher golden und braun; spielen sie in der Nacht, zeichnen sie sich durch krasse Schwarzweiß-Abschnitte aus. Regnaud verzichtet auf zu viele Farben, was seinen Illustrationen einen interessanten Charakter verleiht. So etwas sieht man wirklich nur selten – das ist künstlerisch, aber nicht verkünstelt.
Ein insgesamt mehr als bemerkenswerter Krimi-Zweiteiler!
Einige Informationen zu diesem Comic-Zweiteiler gibt es auf der Internet-Seite des Verlags Schreiber & Leser; hier:
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