»Wollen Sie auch in die City fahren?«, sprach mich ein Mitreisender an, während ich durch den Flughafen bummelte, meinen Trolley hinter mir herziehend und nach der Bahnstation suchend. »Wir können uns die Kosten teilen; das ist preiswert, und wir sind schnell dort.«
Ich hielt an, wir kamen ins Gespräch. Schon bei meinen ersten Aufenthalten in Singapur war mir die Freundlichkeit vieler Menschen aufgefallen. Das war an diesem Januar 2007 offenbar nicht anders. Und weil es vom Changi Airport in die eigentliche Innenstadt recht weit war, fand ich die Idee, nach langem Flug das Taxi zu nutzen, nicht schlecht. Wir wurden uns rasch einig, wer welche Kosten zu tragen hatte.
Mein Mitreisender stieg auf der Hälfte der Strecke aus, ich fuhr mit dem Taxi weiter. Weil ich vorne saß, kam ich mit dem Fahrer ins Gespräch, einem gemütlich wirkenden Chinesen, der ein gut verständliches Englisch sprach.
Als sein Handy klingelte, ging er ran. »Es ist meine Frau«, sagte er mit einer um Entschuldigung bittenden Miene. Ich nickte, und er sprudelte eine Mischung aus Englisch und Chinesisch in sein Handy, von der ich kein Wort verstand.
Nachdem er sein Gespräch beendet hatte, fragte er mich, woher ich komme. Ich erzählte, ich sei aus Deutschland. Er brachte die paar deutschen Worte an, die er im Laufe der Jahre gelernt hatte – »guude Tach« und dergleichen –, wir amüsierten uns gemeinsam darüber.
»Welche Sprache haben Sie eben benutzt?«, fragte ich dann. »Ich habe kein Wort verstanden. Es klang irgendwie Englisch, aber manchmal …«
Er lachte. »Ich spreche schon Englisch, aber es ist eher Singlish, unser Singapore Englisch. Und das versteht kein Mensch, der nicht in Singapur aufgewachsen ist.«
Er erzählte von Singapur. »Hier wohnen 4,5 Millionen Menschen, das ist sehr viel. Wir kommen aus allen Rassen und aus allen Religionen.« Er benutzte das Wort »race« mit einer Selbstverständlichkeit, die in Europa kaum vorstellbar wäre, die aber in Asien eine andere Wrbung hatte. »Davon sind aber nur drei Millionen echte Bürger, die anderen sind Permanent Residents, also Leute mit einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis.«
»Die haben dann kein Wahlrecht, oder?«
»Na ja, Wahlrecht.« Er winkte ab, Politik war offenbar nicht sein Thema. »Permanent Resident, das heißt abgekürzt PR. Manche sagen auch, das heiße in Wirklichkeit Poor Resident.«
Und er lachte erneut. Ich fiel in das Lachen ein, sagte ihm aber nicht meinen Grund. Für mich war »PR« letztlich die Abkürzung für die Science-Fiction-Serie, für die ich arbeitete. Aber weil ich im Urlaub war, wollte ich das Thema nicht weiter vertiefen.
»Wie läuft das Zusammenleben in der Stadt denn so?«, fragte ich. Bei meinen vorherigen Besuchen in der Stadt hatte ich in Little India gewohnt, in einem von Indern betriebenen Hostel; mein Blick war dadurch geprägt gewesen.
»Das ist gut, wirklich gut.« Mein Fahrer strahlte über das ganze Gesicht. Der Grund, warum es in Singapur trotz der vielen Kulturen und der vielen unterschiedlichen Menschen so friedlich sei, führte er auf einen Grundsatz zurück: »Sprechen Sie nie über Religion. Sie können Ihre Religion ausüben, aber reden Sie nicht darüber und bekehren Sie niemanden. Dann bleibt es friedlich.«
Ich fand, das klinge nicht unvernünftig, und pflichtete ihm bei. Er schien das auch auf die Politik zu beziehen, aber dazu fragte ich ihn nicht mehr.
»Schauen Sie hier«, sagte er und wies auf eine große Baustelle, an der wir vorüberfuhren. Männer mit gelben Schutzhelmen schwitzten auf einem Gerüst; sie schleppten irgendwelche Gerätschaften über die Leitern nach oben. »Das sind PR-Leute. Sie sind froh, dass sie hier eine gut bezahlte Arbeit haben. Aber es ist eine harte Arbeit, die niemand sonst in Singapur machen würde.«
Ich nickte. Soviel zum Thema volksnaher Unterricht in einer fremden Stadt, dachte ich.
Dann hielten wir auch schon vor dem Hotel an. In den nächsten Tagen und Wochen würde ich meine eigenen Eindrücke von Singapur sammeln können.
(Diesen Text schrieb ich vor genau 15 Jahren; offensichtlich wurde der – obwohl es so geplant war – nicht in meinem Blog veröffentlicht. Dann halt heute …)
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