Ich halte Robert Charles Wilson für einen der besten Science-Fiction-Autoren der neueren Zeit. Seite Weltentwürfe – wie in »Spin« – sind cool, seine Art, Menschen zu beschreiben, ist für mich stets nachvollziehbar. Zuletzt las ich von ihm den Roman »Netzwerk«, der in einer nicht näher beschriebenen und zugleich sehr nahen Zukunft spielt.
Wilson nimmt einen Studenten als Hauptfigur, aus dessen Sicht er die gesamte Geschichte erzählt. Dieser meldet sich bei einem neuen Persönlichkeitstest einer bislang unbekannten Firma an. Nachdem er den Test absolviert hat, wird er einer sogenannten Affinität zugeordnet, eine Gruppierung also, in die man die Menschen einteilt. Die Idee der Firma ist, Menschen in sogenannte Zweige einzuordnen, damit sie in die Gesellschaft anderer Menschen kommen, mit denen sie kompatibel sind.
Das klingt im ersten Moment sehr abstrakt, hat aber eine starke innere Logik. Die Filterblasen, die Facebook beispielsweise erstellt und in denen man sich innerhalb dieses Social-Media-Universums bewegt, sind nichts anderes als ein direkter Vorläufer für das, was Wilson in »Netzwerk« beschreibt: Menschen gliedern sich mehr oder weniger freiwillig in digitale Netze ein, in denen sie sich künftig bewegen.
Aber natürlich ist das hier kein Sachbuch, sondern ein Roman. Und Wilson ist ein Autor, der bewusst Dinge weglässt, wenn er einen Roman verfasst. »Netzwerk« ist ein sehr gutes Beispiel dafür.
Der Autor interessiert sich beispielsweise nicht für die technische Weiterentwicklung der Menschheit – wer darauf hofft, wird sicher enttäuscht sein –, und er schreibt nur wenig darüber, wie sich die Welt der Zukunft politisch präsentiert. Es gibt eben einen Konflikt in Südasien, der sich auf die gesamte Welt auswirkt. Mehr erfährt man beim besten Willen nicht.
Wilsons Darstellung eines Netzwerkes finde ich allerdings spannend. So könnte sich ein Gebilde wie Facebook weiter entwickeln, so wäre es glaubhaft zu Ende gedacht. Wenn sich innerhalb von Netzwerken gewisse Gruppierungen ausbilden, die dann versuchen, auch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen, wären die bisherigen Diskussionen um Fake-News und Filterblasen eher albern.
So ist der Roman tatsächlich spannend, wenngleich er ohne weitergehende Action auskommt. Wilson erzählt, wie seine Hauptfigur immer tiefer in das Netzwerk einsteigt, wie sie immer mehr davon erfährt, wie es funktioniert, und wie irgendwann mal weitgehende Konflikte beginnen, in denen es um Mord und Verfolgung geht.
»Netzwerk« ist ein Science-Fiction-Roman aus der nahen Zukunft, den man übrigens jederzeit auch Leuten in die Finger drücken kann, die sonst keine Science Fiction lesen. Er beginnt zwar verhalten, wird aber immer spannender. Der Autor kann schreiben, und er schafft es stets, für seine Charaktere das entsprechende Interesse aufzubringen. Man folgt ihnen gern durch die Handlung und bleibt so stets auf ihrer Augenhöhe.
Der Autor hat sicher wichtigere Werke veröffentlicht, vor allem ist »Spin« ein absolutes Meisterwerk. Mit »Netzwerk« liegt aber ein sehr gelungener Science-Fiction-Roman vor, der zudem prächtig zu unterhalten weiß.
(Im Heyne-Verlag erschienen, als Taschenbuch und E-Book. Gibt's bei allen relevanten Shops und klassischen Buchläden.)
Einige Informationen sowie eine Leseprobe zu »Netzwerk« von Robert Charles Wilson gibt es auf der Internet-Seite des Heyne-Verlages. Hier:
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