Ich stand in einer langen Reihe, die Hände auf den Rücken gefesselt und mit einer tüchtigen Wut im Bauch. Vor und hinter mir standen Punks. Ich sah die offenen Tore einer riesigen Lagerhalle; in diese wurden die Punks geführt, nachdem sie von der Polizei kontrolliert worden waren.
Dutzende Polizisten umgaben uns, die Knüppel in der Hand hielten und so aussahen, als würden sie uns am liebsten zusammenschlagen. Die Sonne knallte auf uns herunter, wie so oft an diesem August-Wochenende 1995.
»Du da«, sagte der Polizist, der vor mir an einem Tisch saß. »Du bist jetzt dran. Hast du einen Ausweis dabei?« Er hielt eine Zange in der Hand. »Du machst jetzt keinen Aufstand, okay?«
Ich nickte nur. Wer in so einer Situation war, behielt die Nerven und stresste nicht herum. Das hatte ich im Verlauf der Jahre gelernt.
Der Polizist kniff die Kabelbinder durch, mit denen ich gefesselt war. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig, ein schlanker Typ mit Oberlippenbart.
Ich fischte meinen Personalausweis aus einer Seitentasche meiner leichten Sommerjacke. »Hier!«, sagte ich und reichte ihn dem Mann.
»Leer deine Taschen komplett aus!«, sagte der Polizist. Er hielt eine Plastiktüte hoch. »Das kriegst du hinterher alles zurück.«
»Ja ja«, maulte ich und holte meinen Geldbeutel aus der Tasche, ebenso mein Brillenetui. Da fiel es mir ein. »Ich möchte gesiezt werden. Ich nicht Ihr Freund, wir duzen uns also nicht.«
»Den anderen ist das doch auch egal, die duzen uns ebenfalls.« Er wies mit dem Kopf auf die lange Reihe der Punks.
Eben rollte ein neuer Bus an, aus dem Leute stiegen, die man wahrscheinlich irgendwo in Hannover völlig grundlos verhaftet hatte. Die Chaostage waren an dem Punkt angelangt, an dem die Polizei offenbar die Straßen freiprügeln musste. Die Punks waren alle gefesselt, einige bluteten aus Wunden am Kopf oder an den Oberarmen.
»Ich duze mich nicht mit Polizisten«, sagte ich wütend. »Jeden Asselpunker duze ich, von jedem Asselpunker werde ich geduzt. Aber nicht Polizisten. Die nicht. Sie nicht.«
Der Beamte musterte mich gründlich, dann stand er auf. Wir sahen uns in die Augen. »Okay«, sagte er dann. »Wenn Sie darauf bestehen, mache ich bei Ihnen eine Ausnahme.« Er betrachtete mein T-Shirt. »Verbal Razor«, sagte er leise und lachte. »Das passt zu Ihnen.«
Dass ich ab diesem Moment gesiezt wurde, änderte nichts an der Tatsache, dass ich mit mehreren hundert Leuten gut 40 Stunden in einer dreckigen alten Lagerhalle verbringen musste, bei Leitungswasser und Bundeswehr-Nahrungspäckchen, ohne Anklage, ohne Grund, »einfach halt so«. Aber das ist dann auch wieder eine andere Geschichte.
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