In Deutschland ist der Erste Weltkrieg von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs gewissermaßen übertönt worden. Die Verbrechen der Nationalsozialisten haben die Kriegsgreuel des vorherigen Waffengangs fast verharmlost. Deshalb ist der Erste Weltkrieg hierzulande weder in der Tagespolitik noch in der Literatur irgendwie zentral.
In Frankreich ist das offenbar anders. Ständig erscheinen neue Bücher, Filme oder auch Comics, die sich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigen. Ein interessantes Beispiel ist der Comic-Zweiteiler »Papeete 1914«, der hierzulande im Splitter-Verlag und unter dem verwirrenden Titel »Tatort Tahiti 1914« erschienen ist. (Okay, kaum ein Mensch hierzulande wüsste mit dem Begriff »Papeete« etwas anzufangen.)
Die Geschichte beginnt auf der so gemütlich wirkenden Südseeinsel Tahiti, erzählt wird aus der Sicht eines Besuchers aus Frankreich. Die französische Oberschicht hat es sich dort bequem eingerichtet und genießt das Leben. Ein Pfarrer scheint das Zentrum der Gemeinde zu sein, die jungen Frauen sind attraktiv und genießen das Leben. Alles ist gut …
Doch dann kommen die Gerüchte aus Europa, die von Schiff zu Schiff getragen werden: Es herrscht Krieg zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich. Zuerst wird ein deutsches Handelsschiff aufgebracht, dessen Besatzung noch nichts vom Krieg weiß, dann greifen zwei deutsche Kanonenboote das weitestgehend ungeschützte Tahiti an. Es kommt zu einem Bombardement, in dessen Verlauf ein Teil der Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt wird.
»Tatort Tahiti 1914« erzählt in zwei Bänden eine Geschichte, die dem deutschsprachigen Leser so gut wie unbekannt sein dürfte. Die Südsee-Romantik, die auch unsereins mit dem Begriff Tahiti verbindet, wird klar vermittelt, die Zerstörung durch den Krieg wirkt dann wie ein Schock. Dazu kommen ungelöste Morde an jungen Frauen.
Bei seinen Texten stützt sich Didier Quella-Guyot auf klassische Quellen, die im Anschluss an die zwei Comic-Bände genannt werden. Die Geschichte ist unterhaltsam, verzichtet aber auf knallige Action; meist wird eher distanziert erzählt.
Ähnliches gilt für die Grafik. Sébastien Morice hat einen sehr klaren Stil, der mit den pastellartigen Farben, die er benutzt, sehr schön harmonisiert. Er verzichtet aber auf Action-Elemente, Speedlines und andere Dinge, die bei modernen Comics selbstverständlich sind, sondern bleibt eher unterkühlt.
So entsteht ein zweiteiliger Comic-Roman, der einen exotischen Schauplatz mit einer dramatischen Handlung sowie einem zurückhaltenden Stil verbindet: eher ungewöhnlich, aber durchaus lesenswert!
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