Das Schiff legte ab, die Fahrt begann. Wir hatten ganz spontan beschlossen, eine Rundfahrt über den See zu unternehmen. Unsere Meinung: »Wenn man schon mal in Zürich ist und das Wetter auch verspricht, sogar im Herbst schön zu bleiben, sollte man das nutzen.« Und so setzten wir uns aufs Deck, sahen in aller Ruhe zu, wie das Schiff die Anlegestelle verließ und auf den See hinausfuhr.
Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor, als ob wir sie gebucht hätten. Ich blickte auf den Bürkliplatz zurück, der hinter uns schnell kleiner wurde, und widmete mich dann lieber dem Blick nach vorne.
Das Schiff war wie ein Bus – wir hatten ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel, das den ganzen Tag galt und bei dem wir nur einen Aufpreis fürs Schiff zahlen mussten – und hielt immer wieder an. Das fand ich aber gut, so hatte ich immer wieder die Gelegenheit, saubere und ordentliche Anlegestellen zu bewundern, zwischendurch sogar eine Schokoladenfabrik. Ich genoss die Fahrt über den See.
Bis die Stimmen in mein Ohr drangen. Vor allem eine Stimme war es. Ein Tisch von uns entfernt saß ein Paar, das sich auf Englisch unterhielt, dem Akzent nach waren es Amerikaner. Der Mann trank Rotwein, den er eifrig beim Personal bestellte, die Frau redete. Sie hatte eine sehr helle Stimme, die ich als durchdringend empfand.
Was sie sagte, war fast egal. Aufgrund ihres Akzentes verstand ich nur die Hälfte. Sie blickte kein einziges Mal auf den See oder auf die Dörfer, ebensowenig der Mann. Er trank, sie redete, und ihre Stimme ging mir in die Ohren, immer tiefer hinein in den Kopf, bis sie auf den Punkt stieß, an dem sie ich tierisch nervte.
Ich war geradezu stolz auf mich, dass ich ruhig blieb. Ich versuchte alles, um die Stimme zu ignorieren, blickte auf die Häuser am See, kommentierte einzelne Boote und erfreute mich an mutigen Schwimmern. Aber die Stimme drang trotzdem immer in mein Bewusstsein.
So erfuhr ich einiges über das Leben in einer großen Stadt, über Konflikte mit Nachbarn und der Familie, über die vergangenen Wochen und Monate. Die Stimme konnte ich irgendwann nicht mehr ausblenden, so schön ich auch den See und die Sonne empfand. Anfangs hatte ich mir gewünscht, die Fahrt möge eine Stunde mehr oder zwei Stunden mehr dauern; am Ende war ich froh, als sie vorüber war.
Als ich am Bürkliplatz das Schiff wieder verließ, war die Stimme immerhin verstummt. Das erleichterte mich.
G'day, Klaus.
AntwortenLöschenBei der guten Frau drängt sich ein klein wenig der Verdacht auf, dass sie deshalb in Ihrer Unbekümmertheit so laut war, weil sie davon ausging, keiner würde sie verstehen (& die Annahme fußt nicht auf Ihrem Akzent ;-) )
bonté