02 Mai 2018

Zum ersten Mal die Hornisgrinde

Als ich ein Kind war, zählte es zum Standardprogramm bei vielen Familienausflügen: Wir fuhren zum Mummelsee. Manchmal war der düstere See im Schwarzwald, zu dem uns mein Vater mit seinem VW-Käfer chauffierte, das eigentliche Ziel der Reise. Manchmal aber diente er nur als Zwischenstopp, bevor wir über den Schwarzwaldkamm hinunter »ins Badische« fuhren, zu Dörfern wie Sasbachwalden und Kappelrodeck, Ottenhöfen oder Waldulm.

Oft gingen wir am Mummelse spazieren. Mein Vater wusste allerlei Geschichten über den See zu erzählen. Er habe keinen Grund, und wenn man versuche, mittels eines Fadens herauszufinden, wie tief er sei, verschwände der Faden in der unergründlichen Tiefe. Mein Vater kannte die Sagen und Legenden über den Mummelseegeist und die Nixen am See, über das alte Waldmännlein, das sich irgendwo am Berg verbirgt – und als Kind lauschte ich all diesen Geschichten mit wohligem Grusel.


Nie gingen wir zur Hornisgrinde hoch, dem höchsten Berg des Nordschwarzwaldes. Als ich Kind war, konnte man diese Region nicht betreten; sie war bis 1996 militärisches Sperrgebiet. Staunend blickte ich am Berg hoch, aber ich wanderte nie in die Höhe.

Ich weiß nicht, wie viele Jahrzehnte das alles her ist. An diesem 1. Mai 2018 war ich zum ersten Mal seit langen Jahren am Mummelsee, und zum allerersten Mal in meinem Leben spazierte ich zur Hornisgrinde hoch. Es bot sich an: An diesem Tag wäre mein Vater 93 Jahre alt geworden, und meine Eltern hätten ihren 64. Hochzeitstag gefeiert, würden sie noch leben.

Der See war natürlich viel kleiner als in meiner Erinnerung. Trotz langsamer Gangart hat man ihn als Erwachsener ruckzuck umrundet. Und weil er heute barrierefrei ausgebaut worden ist, kommt man als Fußgänger ohne jegliches Problem voran. Aber faszinierend fand ich den See trotzdem, er ist immer noch düster und wirkt unergründlich.

Von der Hornisgrinde aus hat man – auch wenn es leicht diesig ist – einen starken Blick. Man sieht am Horizont die Alpen, man kann die Schwäbische Alb und die Vogesen gut erkennen, und die tiefen Täler und bewaldeten Hügel des Schwarzwaldes sind einfach faszinierend.

Und ich stellte wieder einmal fest: Obwohl ich seit 1992 im Flachland wohne und obwohl ich viele Regionen in Afrika oder Asien faszinierend fand, ist der Schwarzwald immer noch die Region, die ich als »Heimat« bezeichnen würde …

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