Glaubt man derzeit den Demoskopen, sind sehr viele Wähler noch völlig unentschlossen, wo sie ihr Kreuz bei der Bundestagswahl machen sollen. Um es klar zu sagen: Es geht mir genauso. Ich würde gern bewusst und mit gutem Willen mein Kreuz bei einer Partei machen, mit der ich wenigstens eine vernünftige Übereinkunft fststellen kann.
Und ich lasse mich dafür ungern öffentlich beschimpfen. Ich kann das Gerede nicht mehr hören, man solle »das kleinere Übel« wählen und man solle durch seine Wahl verhindern, dass Nazis im Parlament sitzen. Klar, Parteien vom rechten Rand sind nicht diskutabel.
Aber ich kann auch beim besten Willen keine CDU wählen. Frau Merkel hat im Spätsommer 2015 mal etwas richtig gemacht – wie ich ja finde –, aber das ist kein Grund, den Rest ihrer Arbeit und ihrer Partei neuerdings gut zu finden. Das gleiche gilt für die FDP, die offenbar wieder ins Parlament kommt: Ich halte Arbeitnehmerrechte und dergleichen für sehr wichtig und finde, dass eine neuerliche Koalition aus diesen beiden Parteien nicht gerade fortschrittlich wäre.
Leider sind die Sozialdemokraten ebensowenig fortschrittlich. Wer fortwährend in die sogenannte Mitte schielt, wie es die SPD tut, darf sich nicht wundern, dass einen das »Prekariat« nicht wählt. Es genügt nicht, von Gerechtigkeit zu faseln; man muss auch etwas dafür tun.
Oder die Grünen? Die wissen nicht einmal, was Gerechtigkeit ist. Ich habe sie bei der letzten Landtagswahl gewählt, ärgere mich täglich über sie und erwarte im nächsten baden-württembergischen Parlament – leider erwartbar – eine fette CDU-Mehrheit. Und im Bundestag? Ach herrje ...
Was bleibt? Die Linkspartei, in der es vor irrlichternden Leuten auch nur so wimmelt. Kann ich eine Partei gut finden, die sich an Regimes in Russland und Venezuela anbiedert? Man würde mein Zähneknirschen sehr weit hören.
Freunde empfehlen mir »Die Partei«, die ich nur mäßig witzig finde. Es ist ein Gestalt gewordener Studenten-Ulk mit eingeschränkter Humorqualität. Angesichts einer maroden Gesellschaft ist »nicht wählen« eine bessere Option als sein Kreuz bei Leuten zu machen, die sich offenbar für superschlau halten.
Falls jetzt jemand den Vergleich mit der APPD bringen sollte: Die Anarchistische Pogo-Partei hatte ein klares Programm. Als ich mich in den 90er-Jahren für diese Partei engagierte, geschah dies nicht nur, weil es amüsant war. Hinter Parolen wie »Arbeit ist scheiße« steckte mehr an Sozialrealität, als die anderen Parteien derzeit erkennen lassen.
Und nun? Ich gehe zur Wahl. Ich setze meine Kreuze. Aber was von all diesen Übeln nun wirklich das kleinste ist, weiß ich bis heute nicht. (Einen Wahl-O-Mat brauche ich nicht. Noch kann ich selbst lesen und denken.)
Servus, Klaus.
AntwortenLöschenEigentlich kommt mir bei Ergebnissen gemachter Umfragen gern der Gedanke in den Sinn, wieviele der Prozente ehrliche Angaben sind...
Die Sache mit dem selber denken bleibt das zentrale Momentum jeder Gesellschaft; ohne ist der Manipulation/Demagogie alles möglich gemacht.
Mir sind Parteien per se suspekt, die sich an "Starke-Männer"-Ideologien krampfen oder mit Welt-Beglückungs-Gedöns hantieren.
Gewählt habe ich schon Anfang des Monats.
bonté
Moin!
AntwortenLöschen"(Einen Wahl-O-Mat brauche ich nicht. Noch kann ich selbst lesen und denken.)"
Du liest also tatsächlich alle Parteiprogramme kmpl.?
Respekt!
Ich habe mich durch das SPD-Programm kämpfen müssen, das hat mir gereicht.
115 Seiten zum Teil doch sehr unkonkretes...
Insofern finde ich den Wahl-O-Maten eine tolle Einrichtung, da er für mich die Wahlprogramme auf Fragen eingrenzt, die in allen Parteiprogrammen vorkommen und die (offizielle) Stellung der Parteien dazu extrahiert.
Okay, falls dabei die Dinge, die für einen selbst besonders relevant sind keine Berücksichtigung finden sollten ist das natürlich ungünstig...
Ach ja, und lesen und denken sollte man auch beim Wahl-O-Maten, z.B., welche Fragen einem jetzt so wichtig saind, dass man sie stärker wichtet.
Oder mal eben nachlesen, was denn genau die entsprechenden Parteien zu *dieser* Frage sagen.
Ansonsten bin ich da da Deiner Meinung (?):
Das Auswählen der Partei der Wahl wird gefühlt immer schwieriger...