Mich nerven die regelmäßigen Nazi-Aufmärsche in meiner Heimatstadt so, dass ich sie am liebsten ignoriere. Oft nehme ich mir vor, auf eine Demo gegen die Nazis zu gehen, dann bleibe ich aus reiner Faulheit oder aus Zeitdruck doch daheim. Ich will mir von Nazis nicht meine Tage fixieren lassen. Am Samstag, 11. März, ging ich doch auf die Straße und schloss mich der Antifaschistischen Demonstration an.
Treffpunkt war auf dem Kronenplatz, im östlichen Teil der Innenstadt also. Auf dem Weg dahin radelte ich an starken Polizeikräften vorbei. Vor allem im Schlossgarten und dessen näherer Umgebung schienen sich Hunderte von Polizisten aufzuhalten. (Bei der vorherigen Demo gegen einen Nazi-Aufmarsch hatten Polizisten hoch zu Ross völlig überzogen die Demonstration angegriffen.)
Am Kronenplatz versammelten sich die Menschen; einige hundert waren es. Schon klar: kein Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren, aber doch genug, um aufzufallen. Die Demo formierte sich: vorne weg die Antifa mit Front-Transparent und klaren Seiten-Transparenten. Die wenigen Normalbürger – etwa ein Drittel der Demo –, zu denen auch ich gehörte, reihten sich weiter hinten ein.
Dann ging es los: mit guten Sprechchören, durchaus kämpferisch und entschlossen und als starker Pulk – so zog die Demonstration durch die Fußgängerzone. Ich bin schlecht im Zählen, aber ich hätte geschätzt, dass wir rund 300 Leute waren.
Am Marktplatz gab es eine Zwischenkundgebung. Ein verwirrter Mann grölte von der Seite irgendwas von »frei-sozial-national«, wurde körperlich rasch zurechtgewiesen, dann kam es zu einem Polizeieinsatz und einigem Gerenne; die Demo blieb stehen, teilweise zerstreuten sich die Leute – eine sehr unklare Situation auf einmal.
Der Rest des Marsches verlief gut: viele Sprechchöre, einige Zwischenkundgebungen, alles in allem doch recht eindrucksvoll, obwohl einige hundert Leute mehr nicht geschadet hätten. Am Stephansplatz waren die Nazis noch nicht eingetroffen, dafür sammelten sich immer mehr Riot-Cops.
Ein mobiler Café-Stand wartete auf uns, ein Imbisswagen stand bereit, am Querfunk-Stand gab es laute Musik und Kekse. Die Demo wurde zu einem gemütlichen Herumsitzen und Warten. Ich redete mit Leuten, stromerte durch die Gegend und sah den Nazis zu, die langsam eintrafen und ihre Kundgebung aufbauten.
Irgendwann fingen die Nazis an: Wie immer dürften es an die dreißig, vierzig Leute gewesen sein, blickdicht abgeschirmt durch Polizeifahrzeuge, abgeriegelt durch Sperrgitter und Polizisten. Und überall ringsum standen Leute und brüllten die Nazis an; es kamen auch ständig neue Demonstranten hinzu. Es waren diesmal wenige »Bürger«, vor allem protestierten junge Leute gegen die Nazis. Den Normalbürgern in Karlsruhe scheint es völlig egal zu sein, dass ihre Stadt zum Aufmarschgebiet für Rechtsextreme geworden ist.
Als es dunkel wurde, fuhr ich mit meinem Rad nach Hause. Schließlich wollte ich mir von irgendwelchen Nazis nicht den ganzen Tag diktieren lassen ...
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