29 Mai 2015

Serienmord und Modeterror

Für mich war der Roman »American Psycho« in all den Jahren eine Art Mythos. Seit er 1991 erstmals erschienen ist, nahm ich mir immer wieder mal vor, ihn zu lesen. Es klappte aus den unterschiedlichsten Gründen nie.

Da kam's mir gerade recht, dass ich das Hörbuch in die Finger kam – gelesen von Moritz Bleibtreu und in einer gekürzten Version. Trotz aller Kürzungen habe ich, so denke ich, den Roman damit sehr gut »erlebt«.

Verfasst wurde er von dem amerikanischen Schriftsteller Bret Easton Ellis. Nachdem das Buch in deutscher Sprache erschienen war, landete es erst einmal auf dem Index und ist erst seit Anfang der Nuller-Jahre hierzulande frei verkäuflich. Das Buch ist bei Kiepenheuer & Witsch zu haben, das Hörbuch stammt von Random House Audio.

Hauptfigur des Romans ist ein Yuppie namens Patrick Bateman. Ende der 80er-Jahre ist er gerade mal 26, später 27 Jahre alt; er schwimmt im Geld, wohnt in einer bonzigen Wohnung in New York, geht ständig teuer essen und trägt nur die feinsten Klamotten. Er verbringt die Tage und die Abende im Fitness-Studio, verlabert seine Zeit, indem er mit Kollegen die aktuellen Modethemen diskutiert oder sich Koks in die Nase pfeift – ein selbstgerechtes, reiches Leben voller Oberflächlichkeit.

Unter der Fassade aber spielt sich in Batemans Leben der wirkliche Horror ab. Er vergewaltigt und ermordet junge Frauen auf brutalste Art und Weise, er tötet auch Geschäftspartner, und in seinem Drogenwahn steigert er sich in immer schlimmere Fantasien hinein.

(Ich habe übrigens mal geschaut, welche Kapitel im Hörbuch gestrichen wurden, um den Roman einzukürzen. Es fehlt beispielsweise ein Besuch des Protagonisten bei seiner Mutter im Altersheim, auch der Bruder fehlt weitestgehend, ebenso seine Lieblingsband GENESIS. Das halte ich für vernachlässigbar.)

Durch die angenehme Stimme von Moritz Bleibtreu wird das Grauen erfassbar: sowohl das Grauen vor der entsetzlichen Oberflächlichkeit in Batemans Leben als auch das Grauen angesichts seiner Taten. Bleibtreu verleiht dem Ich-Erzähler einen lockeren Ton, lässt vor allem in den Dialogen die Stimme so hüpfen, dass man manchmal über den absurden Charakter der Gespräche schmunzeln muss, und bleibt bei den grausigen Mordtaten so ruhig, als beschreibe er ein Picknick.

Das Hörbuch war der Hammer. Das Vorlesen von unglaublich vielen Markennamen hat eine fast schon hypnotische Wirkung auf einen, der Sex und die Morde wirken verstörend. Alles in allem entfaltet die Geschichte aber einen ungeheuerlichen Sog auf einen – zumindest gilt und galt das für mich.

Ich bin sicher, dass es Leute geben wird, die das Hörbuch oder den Roman abstoßend finden und ihn deshalb ablehnen. Ich kann das sogar gut verstehen. Ich kann aber auch gut verstehen, warum es Leute gibt, für die dieser Roman wegweisend war. Selten zuvor wurde der »American Way Of Life« in derart drastischer Art und Weise dekonstruiert ...

2 Kommentare:

  1. Anonym8:30 AM

    Das Buch ist in der Tat gewöhnungsbedürftig, weil stellenweise ein wenig ... langatmig wirkend (nicht wirklich langatmig, man muss die Art der Erzählung natürlich auch verstehen).
    Das Hörbuch kenne ich nicht, dafür aber den Film mit einem absolut sensationellen Christian Bale. Den solltest du dir bei Gelegenheit noch gönnen, denn ich halte diese Version - die den Roman natürlich auch nur gekürzt wiedergibt, dafür allerdings incl. Genesis (was ich wichtig finde) - für eine geniale Verfilmung im Rahmen des filmisch Machbaren (der Roman insgesamt darf gerne in vollständiger Fassung als unverfilmbar gelten).
    Der Film "American Psycho" - siehe auch http://www.imdb.com/title/tt0144084 - ist einer meiner Top-Lieblingsfilme (erkennbar daran, dass ich eine Originalscheibe besitze).

    LG My.

    P.S.: Den Film "American Psycho II" kannst du getrost in die Tonne treten. Der hat mit dem Buch IMHO nichts zu tun.

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  2. Hyvää päivää, Klaus.
    Bateman war der ethische Zombie seiner Yuppie-Dekade - egogetriebener Narzissmus in Tateinheit mit moralischer Freiwilderei. Er begeht die Gewalt selbstständig & killt eigenhändig; die gefeierten Anzüge der Sesseletagen tun dies nur indirekt & mit Federstrichen. Perverse sind beiderlei!
    Und die - in der harmlosesten Variante einzig unfähigen - in Leder furzenden Management-Zombies sind ja nicht ausgestorben, oder auch nur weniger geworden...

    Wundert nicht, daß Zombie-Stories in den angelsächsischen Gegenden derart populär sind! ;-)

    bonté

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