Andrea Camilleri ist einer jener italienischen Autoren, die ich in den vergangenen Jahren zu schätzen gelernt habe. Nicht unbedingt wegen seiner unterhaltsamen, unterm Strich aber manchmal gar zu »fluffigen« Krimis um den eigenwilligen Commissario Montalbano, sondern eher wegen seiner Romane der allgemeinen Art.
Zu diesen zählt »Die Sekte der Engel«, der auf historischen Quellen basiert, aber in seinen inhaltlichen Aussagen sehr wohl viel mit der heutigen Zeit zu tun hat. Was wie eine Provinz-Schnurre anfängt, die das Leben im Sizilien zu Beginn des 20. Jahrhunderts widerspiegelt, wird zu einem packenden Krimi und zuletzt zu einer Darstellung der Mafia-Gesellschaft, wie sie bis heute in weiten Teilen des Landes existiert.
Die Handlung spielt im Jahr 1901 in der sizilianischen Kleinstadt Palizzolo. Es gibt für die 7000 Einwohner tatsächlich sieben Kirchen, die sich streng nach den alten Herrschaften ausrichten. Das Volk hat nichts zu melden, nach wie vor regeln irgendwelche »Dons« alles; es gibt aber bereits einen Mafioso im Ort, über den niemand öffentlich spricht, von dem aber jeder weiß.
Ein links stehender Anwalt, der sich für die Rechte der Arbeiter einsetzt, wird von den Priestern in den Kirchen öffentlich angegriffen; ansonsten sind die Strukturen eher mittelalterlich als neuzeitlich. Als sich nach einigem Wirrwarr herausstellt, dass mehrere junge Frauen – allesamt sehr fromm – auf einmal schwanger sind, kann dahinter entweder nur der Teufel oder eben der Heilige Geist stecken ...
Anfangs ist der Roman einerseits komplex – wegen der vielen Namen, Titel und Verbindungen –, anderseits eher witzig. Wer als Leser den Einstieg geschafft hat, taucht staunend ein in eine Welt voller Intrigen und Heimtücke, in der missbrauchte junge Frau ebensowenig zu melden haben wie ein Anwalt, der für Recht und Gesetz eintritt.
Man folgt als Leser dem Geschehen mit Spannung und Ekel zugleich, ist gefesselt und abgestoßen ... und weiß hinterher echt auf spielerische Weise mehr über Italien im Allgemeinen und Sizilien im Besonderen.
Ein toller Roman, den ich als Hardcover-Ausgabe gelesen habe. Das gebundene Buch schmückt jedes Bücherregal, aber es gibt das Werk sicher ebenso als E-Book. Und wer ein wenig mehr wissen möchte, kann sich ja die Leseprobe reinziehen ...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Leider ist es auch in diesem Blog nötig geworden, Kommentare vorher zu »filtern« und sie erst danach freizuschalten. Ich bedauere das sehr, möchte diese »Sicherungsfunktion« aber beibehalten. Dieser Blog soll keinen Menschen für Beleidigungen und anderes zur Verfügung stehen, die im Zweifelsfall tagelang online sein könnten.
Bitte habt dafür Verständnis - und nötigenfalls auch mal 24 Stunden oder länger Geduld.