24 September 2013

Ach, die Neid-Debatte

Verstoße ich eigentlich gegen das Wahlgeheimnis, wenn ich verrate, wo ich ein Kreuz gesetzt habe? Egal: Meine Zweitstimme gab ich zum ersten Mal der Linken. Nicht, weil ich die neuerdings gut fände – wahrscheinlich hat man mein Zähneknirschen während des Wahlvorgangs in der halben Weststadt gehört. Aber darum geht es erst einmal nicht.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, ungültig zu wählen. Dann aber redeten viele Leute auf mich ein, dass man doch das kleinste Übel wählen solle. Und da ich die Violetten nicht sonderlich attraktiv fand und auch wenig Lust auf die Partei Bibeltreuer Christen hatte – um zwei obskure Beispiele zu nennen –, gab's bei der Linkspartei auf einmal eine echte Übereinstimmung.

Wenn mich etwas in diesem Land nämlich ankotzt, ist es die Spaltung: nicht in Ost und West, nicht in Nord und Süd, nicht in In- und Ausländer, nicht in Reich und Arm. Sondern eher in »Leute, die sich ausgegrenzt fühlen« und »Leute, die sich zum Zentrum der Gesellschaft zählen«. Die erste Personengruppe geht nicht zur Wahl, die zweite Personengruppe hat mehrheitlich die CDU gewählt. (Da stimme ich in der Analyse komplett dem Kollegen vom »heut schon gedacht«-Blog zu.)

Rede ich mit sogenannten normalen Menschen, fällt mir immer wieder auf, wie schnell nach unten getreten wird. Jeder kennt einen »Sozialschmarotzer«, alle wissen über diejenigen Bescheid, »die nix schaffen« und trotzdem »einen Haufen Geld« bekommen; dagegen müsse man doch etwas tun. Klar, keiner von uns kennt einen von den Reichen und Superreichen, deshalb gibt's da keine Aversion.

Weise ich auf die Klassenunterschiede hin, die es in diesem Land nun mal gibt, werde ich mit großen Augen angeschaut. Ob ich denn ein Kommunist sei? (Bin ich nicht. Die DDR fand ich scheiße, und die real existierenden Kommunisten in der BRD empfand ich stets als Brechmittel.)

Die Forderung nach einer Umverteilung sei doch nichts anderes als einen Neid-Debatte, heißt es dann. Das Argument: Ich gönnte den Reichen einfach nicht den Wohlstand, den sie hätten. Und eine Steuererhöhung würde ja auch »uns« massiv schaden.

Selbstverständlich mag ich keine Steuererhöhungen; wenn ich mir meinen bisherigen Lohnzettel anschaue, muss ich sowieso regelmäßig weinen. Darum geht's nicht. Es geht darum, dass in diesem Land eine Schmarotzerklasse existiert, die oben den Rahm abschöpft und deren Lakaien im Bundestag sitzen – und jetzt wieder sitzen werden.

Die einzige Partei, die gegen diese Schmarotzer und ihre gewählten Lakaien ernsthafte Opposition zumindest verspricht, war in dieser Wahl die Linke. Deshalb habe ich sie gewählt. Eigentlich ganz einfach.

6 Kommentare:

  1. Mir ging es ebenfalls so. Dem Artikel ist nichts hinzuzufügen.

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  2. Anonym7:31 PM

    Deine Wahl verstehe ich gut. Nach anfänglicher Ratlosigkeit in den frühen 80ern habe ich immer inhaltlich passend gewählt – Wahltaktik ist mir zuwider, weil man sich als ohnehin marginal beteiligter Bürger dadurch bloß instrumentalisieren läßt.

    Das eine Mal, als ich mein Kreuz tatsächlich bei der APPD machte, kann ich so nicht erklären, doch ich muß in der Rückschau sagen, daß ich das satirische Konzept der Gewalterlebnisparks heute sehr nützlich fände, sollte sich das als heilsam für Leute erweisen, die Gewalt so unendich geil finden.

    Die Teilung, die Du zwischen Arm und Reich siehst, die gibt es sicher. Bei näherem Hinsehen wirst Du aber feststellen, daß diese Grenze oft mit der zwischen Ost und West immer noch übereinstimmt.

    Die Linke zu wählen finde ich nicht ehrenrührig, weil sie allem Ballast zum Trotz immer noch den legitimen Willen von Millionen Menschen verkörpert. Ins Bild passen da nur jene Mitglieder nicht, die Steinbrück heute noch als „Sektierer“ bezeichnet: jene SPD-Linken, die von der Agenda-Politik aus ihrer Partei getrieben wurden. Wenn man das bedenkt, bist Du Dir am Ende sogar noch treu geblieben.

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  3. Einen lehrreichen Effekt hat das Wahlergebnis auf jeden Fall: Die neoliberalsten der ehemaligen Bundestagsabgeordneten lernen jetzt mal richtig den freien Markt kennen. Leider sind in diesem Team auch einige von den wenigen Abgeordneten, die sich deutlich für Datenschutz eingesetzt haben.

    Die Unions Wähler die kenne sind übrigens ueberwiegend Arbeiter oder gering bezahlte Angestellte, während die "Intelligenz" sich eher für das linke Spektrum entschieden hat. Dies könnte zu arroganten problematischen Meinungsäußerungen führen.

    Speziell die SPD (die immerhin die Teilnahme am Irak Krieg verweigert hat, bei Merkel wäre ich mir nicht sicher gewesen) hat mit der Links Partei eine Machtoption die z.b. zu einem Mindestlohn führen könnte. Wahrscheinlich nutzt sie diese Option aber nicht.

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  4. Zu Jörg:

    Eigentlich gibt es zwei interessante Konstellationen, die beide nicht diskutiert werden.

    Die Union könnte eine Minderheitenregierung bilden und sich von wechselnden Parteien tolerieren lassen; das könnte spannend und demokratisch zugleich sein.

    Oder die SPD macht mit der Linken und den Grünen eine Linksregierung auf; das wäre allemal mutiger als eine Große Koalition.

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  5. @endpunkt: Eher fällt die Welt zusammen, als dass die SPD eine Rot-Rot-Grün-Regierung aus der Taufe heben würde. Dazu sind zu viele Neoliberale im SPD-Gewand an maßgeblicher Stelle.Die Grünen würden, sicherlich auch nicht diese Option annehmen wollen. Wohin die Grünen steuern, ist z.Z. noch nicht ganz klar, ich nehme an sie werden noch gelber.

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  6. Ja, ich hatte das gleiche Gefuehl, hab dann aber doch konventioneller gewaehlt - der Wunsch dass sich *ueberhaupt* was tut war groesser als ein Dekozettel.

    Und ja, ich stimem Dir zu. RRG waehre nicht nur mutig, sondern auch an der Zeit. Vor allem da fuehrende CDU-Leute schon vor der Wahl rumschwadroniert haben, dass die AfD als demokratische Partei koalitionswuerdig sei.

    @PeWi - Wenn sie es nur wuerden - seit Lambsdorf ist die FDP es ja nicht mehr.

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