Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
16 November 2012
Träume von Rasse und Diktatur
Gerne erzähle ich in Vorträgen, dass die Science Fiction, wie wir sie kennen, eigentlich aus den Vereinigten Staaten kommt, dass es aber in Deutschland sehr wohl eine Tradition des sogenannten Zukunftsromans gab: Bereits vor dem Ersten Weltkrieg und zwischen den zwei Weltkriegen kamen haufenweise Romane in den Buchhandel, in denen die Autoren über mögliche Zukünfte schrieben und spekulierten.
Ehrlicherweise muss ich aber zugeben, dass ich von diesen Romanen so gut wie nichts gelesen habe. Als Jugendlicher gehörten einige Werke von Hans Dominik zu meiner Lektüre, aber die fand ich damals schon recht schnell ein wenig seltsam: Stets waren irgendwelche Chinesen die Bösewichter ...
Wie rassistisch, führerbetont und antidemokratisch ein großer Teil der deutschsprachigen Zukunftsromane zwischen den zwei Weltkriegen war, wusste ich nicht. Da half mir zuletzt die Lektüre eines Sachbuches auf die Sprünge: Rolf Tzschaschel mit seiner »geschichtswissenschaftlichen Untersuchung« unter dem Titel »Der Zukunftsroman der Weimarer Republik«.
Das Buch ist in der »Schriftenreihe« der Phantastischen Bibliothek Wetzlar erschienen, kann nur über diese bestellt werden – und man muss ein wenig suchen, um das zu finden –, ist aber eine absolut lohnende Lektüre für jeden, der sich für die Anfänge der Science Fiction interessiert. Tschaschel hat nämlich Dutzende von Romanen jener Zeit untersucht und kommt zu sehr kritischen Schlussfolgerungen.
Er formuliert es höflich: In den Zukunftsromanen dieser Zeit »... spiegeln sich die Zukunftswünsche und Zukunftsvorstellungen einer Epoche, die eine staatliche Ordnung besaß, die sie nur bedingt akzeptierte.« Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, dem verlorenen Ersten Weltkrieg, dem Verlust von Gebieten im Osten und Westen sowie der Blockade durch die Entente schienen viele Autoren und ihre Leser in schreckliche Klischees zu verfallen.
Franzosen und Chinesen sind in vielen Romanen die Bösewichte; die Franzosen sind's zudem oft, weil sie von Schwarzen unterwandert werden. Die Sehnsüchte in den Romanen richten sich nach einer starken Führerfigur, die mithilfe von Wunderwaffen den Weltkrieg gegen die Bösen gewinnt. Am Ende der Romane obsiegt entweder Deutschland allein oder eben die »weiße Rasse«.
Allein die Inhaltsangaben der Bücher lesen sich gruselig: eine Abfolge von Klischees, die sich wie eine Vorlage für das Dritte Reich darstellen, das wenige Jahre danach entstand. Man könnte meinen, das Führungspersonal der Nazis um Adolf Hitler hätte sich nach diesen Klischees ausgerichtet oder vorher zahlreiche Zukunftsromane jener Zeit gelesen.
Ich habe die Untersuchung mit großem Interesse gelesen – für Science-Fiction-Fans ist es eine erhellende, wenngleich nicht unbedingt immer positive Lektüre!
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