Glaubt man einer Emnid-Umfrage, die ausgerechnet im Auftrag der »Bild am Sonntag« erstellt wurde, ist eine Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Anhebung der sogenannten Hartz-IV-Regelsätze. Es gibt sogar einen durchaus respektablen Teil der Befragten, bei dem die Meinung vorherscht, man sollte Hartz-IV-Empfängern noch mehr Geld streichen.
Ich bin mir nicht sicher, welche Empfindung in mir vorherrscht, wenn ich so was lese. Wut und Entsetzen, oder eher hysterisches Kichern? Kopfschüttelnd sitze ich vor solchen Zahlen.
Wenn mehr als die Hälfte aller Befragten der Ansicht sind, die Arbeitslosen erhielten zu viel Geld, bedeutet das doch, dass die Propaganda des herrschenden Gesindels auf immer fruchtbareren Boden fällt. Schuld an wirtschaftlichen Problemen scheinen also nicht diejenigen zu haben, deren Tätigkeit unzählige Milliarden verbrannt haben, sondern diejenigen, die den Bodensatz der Gesellschaft bilden.
Wer arm ist, so glauben offensichtlich viele Leute, ist auch selbst dran schuld. Und der Staat muss ihm nicht noch Geld in den Hintern schieben. Das ist nicht mal mehr FDP-Logik, das ist die Logik von Herren- und Untermenschen.
Noch besser: Dreiviertel der Befragten sind wohl auch der Ansicht, dass man den »Hartzern« auch die Kohle fürs Rauchen und Biertrinken streichen soll. Da mischt sich ein ekelig-protestantisches Spießertum (»wir wissen, was gut für die anderen ist«) mit derselben Herrenmenschen-Attitüde. Der Blick von »oben« auf »die da unten« herrscht vor.
Es ist einfach widerwärtig. In was für einer Scheißwelt wir leben, wird einem in solchen Fällen erst klar. Gemeinschaftsgeist und Mitmenschlichkeit gelten nur für Bankangestellte oder sogenannte Tabubrecher wie Thilo Sarrazin, die in jeder Talkshow öffentlichkeitswirksam darüber jammern dürfen, dass sie doch nur ihre Meinung sagen möchten.
Lachen muss ich dann trotzdem. Und zwar sehr höhnisch. Bei der nächsten Kündigungswelle, die so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche, haut's hoffentlich genügend von denen, die sich jetzt so gegen Hartz-IV-Empfänger stellen, raus in die kalte Luft der Arbeitslosigkeit. Dann merken sie hoffentlich selbst, wie beschissen es ist, in einer unsolidarischen Gesellschaft zu leben.
(Rein rechnerisch müssen ja auch Hartz-IV-Empfänger bei einer solchen repräsentativen Umfrage gegen ihre eigenen Interessen gestimmt haben. Ich glaube so was sofort. Dämlichkeit kennt keine Grenzen.)
Zwei Sachen dazu.
AntwortenLöschenErstens: Ich kenne viele Leute in Freundeskreis und Nachbarschaft, die mit ihrem (oft Vollzeit-)Job ungefähr auf Hartz-IV-Niveau leben.
Zweitens: Stelle dieser Umfrage mal Umfragen gegenüber, wie man mit den oberen Zehntausend so umgehen sollte (Haftung von Managern, Vermögenssteuer etc.); das dürfte einiges geraderücken.
@ Frank: Die Konsequenz aus der Tatsache, dass der Abstand zwischen Vollzeit-Arbeit und ALG II so gering müsste eigentlich die sein, höhere Löhne zu fordern. In Wirklichkeit ist es offensichtlich einfach, einfach, Arbeitslose und Kleinverdiener gegeneinander auszuspielen - und zwar dergestalt, dass Kürzungen bei den "faulen Hartzies" hingenommen oder gar beklatscht werden. Da kann ich Klaus nur zustimmen: alles Ekelpakete. Wenn auch "kleine Ekelpakete", die im gewisser Hinsicht selbst Opfer der "großen Ekel" sind.
AntwortenLöschen@ Klaus: dass einige Hartz IVer Sanktionen und Kürzung selbst für "gerecht" halten, ist IMO psychologischer Selbstschutz, ähnlich wie das Stockholm-Syndrom bei Geiselnahmen: die Opfer identifizieren sich mit den Tätern und ihren Interessen.
ad erstens: Wieviel besser ginge es diesen Leuten in Freundeskreis und Nachbarschaft, wenn es den Hartz-IV-Menschen schlechter geht? Und kriegen die Hartz-IVler zu viel oder die Leute in Deinem Umfeld zu wenig?
AntwortenLöschenad zweitens: Wie schwer fällt die Entscheidung, ob man lieber ein verachteter Millionär oder Hartz-IV-Empfänger sein will?
In Deutschland gab es schon vor der Krise 800 000 Dollarmillionäre (Quelle: http://www.wiwo.de/management-erfolg/31-000-neue-millionaere-in-deutschland-243597/ ) und nach der Krise sind es mehr geworden. Die schlechte Publicity wirkt sich für die Millionäre demnach nicht negativ aus. Ich denke, für die Hartz-IV-Empfänger sieht dies anders aus.
Das Umfragevolk will, wenn ich die verschiedensten Umfragen der letzten Jahre einmal Revue passieren lasse, bei den Staatsausgaben sparen und bei den Staatseinnahmen die Vermögenden stärker heranziehen.
AntwortenLöschenBeides zusammengenommen rechtfertigt für mich nicht den Vorwurf, es sei eine Horde von "Ekelpaketen".