Die Verkäuferin hinter der Theke war allein; sonst arbeitete dort meist zwei oder gar drei Frauen. Sie wirkte gestresst und angespannt, und sie hatte schlechte Laune.
»Da erfährst du morgens, dass du allein bist«, sagte sie einem Mann, der auf der anderen Seite stand, einen Meter von mir entfernt Er führte einen Einkaufswagen mit sich, der randvoll mit Grundnahrungsmitteln war. Er hatte im Supermarkt eingekauft und besorgte sich – wie viele andere – hinterher noch Brot und Brezeln. »Die eine ist im Urlaub, das ist schon schwer genug, dann wird die andere krank, und ich bekomme keinen Ersatz.«
Sie sprach den Dialekt der Gegend, und sie klang, als komme sie aus dem Dorf, zu dem der Supermarkt gehörte. Kurz sah sie mich an, ob ich mich vielleicht ins Gespräch mischen wollte, dann redete sie sich weiter in Fahrt.
»Man wird halt von morgens bis abends beschissen, nichts klappt, und niemand sagt einem Bescheid«, sagte sie in rasendem Wortschwall. »Ich kann nicht mal aufs Klo. Die Kunden stehen Schlange, ich muss ständig nachfüllen und daneben auch noch Brötchen und Brezeln aufbacken. Dann kommen Leute, die wollen einen Kaffee, und andere, die wollen etwas aufgebacken haben. Ich komm‘ nicht mal dazu, so richtig Luft zu holen.«
Mit fahrigen Handbewegungen kassierte sie den Mann ab, während sie redete, und gab ihm dann das Wechselgeld zurück. Der Mann trug eine schwarze Jeans und einen schwarzen Kapuzenpullover mit irgendwelchen Logos, die ich nicht erkannte; seine Haare waren grau und fielen ihm tief in den Nacken.
»Da kannst du nichts machen«, sagt er lakonisch, als er das Geld einsteckte. »Das ganze Land rutscht ab, wir gehen alle vor die Hunde, aber das kümmert ja niemanden.«
Er sah mich an, als ob ich dazu etwas sagen sollte. Ich hatte meinen »Interessiert mich nicht«-Blick aufgesetzt und blickte ihm ausdruckslos in die Augen. Fast erwartete ich schon, dass einer der beiden die AfD lobpreisen oder zum Sturz der Regierung aufrufen würde. Dann hätte ich vielleicht etwas gesagt, aber ich wusste nicht, was die beiden von mir hören wollten.
Vielleicht sollten Leute aus der Politik sich ab und zu mal in eine Bäckerei stellen und den Leuten zuhören, dachte ich dann, trat näher, begrüßte die Verkäuferin und gab meine Bestellung auf.
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