Die Tat entspringt keinem genialen Plan, sie geschieht gewissermaßen nebenbei: Am Ende liegt ein holländischer Geschäftsmann tot im Zug, und Élie hat einen Haufen Geld in der Tasche. Doch was soll er damit machen? Er nistet sich bei der Mutter seiner aktuellen Freundin ein, die eine einfache Pension im Süden Belgiens unterhält, und wartet dort ab …
Das ist der Ausgangspunkt für einen eindrucksvollen und auch kurzen Roman. Georges Simenon schrieb »Der Untermieter« kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ich schmökerte das Buch in der Diogenes-Version durch, in der es als Band sechs der Reihe »Ausgewählte Romane« erschienen ist. Die gerade mal 190 Seiten lesen sich rasend schnell – aber ich habe mehrfach zurückgeblättert, um mir einzelne Szenen noch einmal vor Augen führen.
Ob »Der Untermieter« nun ein Krimi ist oder nicht, bleibt dabei gleichgültig. Simenon taucht tief ein in die Milieus, die er beschreibt. Ob es nun die großmäulige Halbwelt aus Bars und Tanzlokalen ist, in der sein Held und seine Freundin anfangs verkehren, oder die spießig-ärmliche Welt der Leute, bei denen sich Élie einnistet, spielt dabei keine Rolle.
Diese Milieus werden mit Liebe zum Detail (es ist kalt, niemand kann sich Kohlen leisten, also halten sich die Leute meist in der Küche auf) beschrieben, nicht von oben herab, sondern mit einem feinen Sinn für die Schwächen der »kleinen Leute«.
Wie sie miteinander umgehen, wie alle versuchen, mit der Tatsache fertigzuwerden, dass ein Mörder unter ihnen lebt, wie sich die Ereignisse langsam zuspitzen und wie Élie als schwacher Charakter irgendwann gar nichts mehr tut und nur noch auf die Polizei zu warten scheint – das ist intensiv geschildert und auf eine packende Weise erzählt. Gelegentlich schimmert Simeons leichter Antisemitismus durch, manchmal springt er mir zu sehr von Kopf zu Kopf, insgesamt aber hat mich auch dieser Roman des großen Schriftstellers gepackt.
Lohnenswerte Lektüre!
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