Mit seinem Album »Das große Los« begeisterte mich der Comic-Künstler Joris Mertens sowohl künstlerisch als auch erzählerisch. Mit »Béatrice« liegt nun ein weiteres Album vor, das mich sehr beeindruckt hat. Stilistisch erinnert es sehr an »Das große Los«, inhaltlich unterscheidet es sich sehr. Diesmal kommt der Autor ohne eine einzige Sprechblase aus – trotzdem wächst einem die Hauptfigur mit ihren Schwächen und Stärken ein wenig ans Herz.
Die Geschichte wirkt ohne Dialoge zuerst einfach, ist es aber gar nicht. Erzählt wird von einer Frau namens Béatrice, die jeden Tag mit der Bahn zur Arbeit fährt. Dabei benutzt sie zwei Bahnhöfe; mit ihrem roten Mantel fällt sie – in der Darstellung des Künstlers – auch im dichtesten Gedränge auf.
Immer wieder sieht sie eine rote Handtasche, die auf dem Fußboden steht. Und nachdem sie mehrfach daran vorbeigegangen ist, nimmt sie die Tasche mit. Sie weiß nicht, dass sie damit ihr Leben für immer verändert …
Wenn man will, ist »Béatrice« eine phantastische Geschichte, die auf eine durchaus interpretationsfähige Art und Weise mit Zeit und Raum spielt. Durch den Kontakt mit der Tasche, in der sie ein Fotoalbum findet, nimmt die junge, offenbar sehr einsame Frau an einem Leben teil, das längst vergangen ist. Sie scheint sich mit dieser Vergangenheit in eine Übereinstimmung zu bringen, die Zeiten verwischen irgendwie, und das Ende ist eher traurig.
Wieder einmal schafft es Joris Mertens, eine Geschichte zu schreiben, die mich fasziniert. Sie ist ruhig, sie kommt ohne Hektik aus, und doch steckt sie voller Tragik und Gefühle – auch ohne ein einziges Wort in irgendeiner Sprechblase zog sie mich bei der Lektüre in ihren Bann.
Dazu kommt die Grafik des Künstlers, die mich bei diesem Album erneut packte. Die Ansicht der monströs wirkenden Großstadt mit all ihren schroffen Kanten, das quirlige Leben in den Bahnhören, der Trubel im Kaufhaus und die ruhige Situation im warmen Heim – das wird von ihm in starken Bildern zum Leben erweckt.
Mit »Béatrice« ist dem Künstler eine Graphic Novel gelungen, wie man sie selten findet: filmisch erzählt, mit wenigen Effekten, auf den Punkt gebracht und voller Emotionen – toll!
(Erschienen ist der Comic beim Splitter-Verlag als schicker Hardcover-Band. Wer mag, checke die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages.)
Wer mehr über »Béatrice« erfahren möchte, gehe unbedingt auf die Internet-Seite des Splitter-Verlags und schaue sich dort die Leseprobe an.
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