Weil auf der Autobahn wieder einmal Stau war, entschloss ich mich, die Landstraßen zu nehmen. In der Region zwischen südlichem Niedersachsen, Nordhessen und östlichem Nordrhein-Westfalen kannte ich mich nicht besonders gut aus, und ich hatte Zeit; also gondelte ich in aller Ruhe über Bundes- und Landesstraßen, ließ mich mal von meinem Navi leiten oder fuhr auch mal »frei Schnauze«, getreu dem Motto, »da vorne ist irgendwo Süden, und da muss ich ja wohl hin«.
Unterwegs musste ich pinkeln, und weil ich Lust auf einen Kaffee hatte, hielt ich in einer kleinen Stadt an. Ich stellte mein Auto am Straßenrand ab und ging einige Meter durch die Straßen.
Als ich den kleinen Laden sah, blieb ich überrascht stehen. Die Scheibe war leicht schmutzig, dahinter erkannte ich die bunten Titelbilder von Romanheften und Comics. Was war denn das?
Ich trat näher und stellte fest, dass ich vor einem Comic-Laden stand, wie ich ihn zuletzt in den 80er-Jahren gesehen hatte, den ganz frühen wohlgemerkt: Wenn ich durch die Scheibe blickte, erkannte ich braune Regale aus altem Holz, in denen sich Comics stapelten. Kartons enthielten wohl weitere Comic-Hefte, wenn ich die Aufschriften richtig entzifferte.
Als ich die Ladentür nach innen aufstieß – keine Fluchttür also! –, ertönte eine altmodische Klingel. Alles andere hätte mich überrascht. Hinter dem Tresen stand eine Frau, vielleicht Mitte der fünfzig. Hinter ihr ging es in einen weiteren Raum, offensichtlich das Büro, wo ein Mann, der wohl im selben Alter war, an Bergen von Rechnungen saß. Er blickte auf und lächelte mich an.
Ich sah mich um, die beiden ließen mich in Ruhe. Der Laden machte den Eindruck, als sei er aus der Zeit gefallen. Ich erwartete schon, die Bücher, Heftromane und Comics hätten Preisangaben in Deutschmark, aber man hatte den Euro offenbar schon eingeführt.
Die Preise waren außerordentlich moderat. Ich hätte mir für vernünftiges Geld eine »Sigurd«-Sammlung zusammenkaufen können, hätte ich gewollt. Moderne Comics etwa von Splitter oder von Panini sah ich nirgends.
Nach einiger Zeit kam ich mit den beiden ins Gespräch. Ich fragte nach dem Konzept des Ladens. Die Frau erläuterte mir, ihr Mann – und dabei nickte sie in Richtung des Büros – habe den Laden von seinem Vater geerbt, und seither seien sie dabei, ihn gemeinsam zu betreiben. »So gut es eben geht«, fügt sie mit einer grimmigen Miene hinzu.
In der halben Stunde, die ich mich in dem Laden aufhielt, war ich der einzige Kunde. Und ich kaufte nur deshalb einen Packen alter »Wastl«- und »Tom Berry«-Hefte, weil ich die als Kind so gern gelesen hatte, nicht etwa, weil ich damit eine Sammlung anfangen wollte.
Als ich aus dem Laden kam, blendete mich die Sonne auf der Straße. »Jetzt brauche ich echt einen Kaffee«, murmelte ich und nahm mir vor, in einem Café erst einmal die Comics durchzublättern. Da wachte ich auf.
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