Wie immer brachten mich die Hitze und das unaufhörliche Schaukeln des Busses dazu, ein wenig zu dösen. Dabei war die Landschaft schön, und ich erfreute mich immer wieder des Blicks, den ich über das Buschland oder hinein in den Urwald hatte. Als ich wieder dabei war, den Kopf nach vorne kippen zu lassen, stieß mich der Fahrer an.
Ich ruckte hoch. »Was ist?«
Er grinste. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich Ihnen sage, wenn es etwas Interessantes gibt?«
Wir waren unterwegs zwischen Nagaoundéré und Garoua, und nach meiner Empfindung hatten wir so langsam die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht. Ich saß mit einem anderen Mann, der ständig im Tiefschlaf versackte, neben dem Fahrer und hatte so einen guten Blick auf alles, was sich vor uns abspielte. Und ab und zu hielt der Fahrer, ein breitschultriger Typ mit grauen Schläfen, mir einen kleinen Vortrag in hervorragendem Französisch, von dem ich wegen meiner schlechten Sprachkenntnisse nur die Hälfte verstand.
»Wir kommen gleich an die Stelle, wo die Leute aus Rey Bouba einsteigen«, erläuterte er mir und zeigte geradeaus.
Ich sah nur die Straße, eine gut ausgebaute Piste, die durch einen dichten Wald ging. Rechts und links wucherten Bäume und Büsche in die Höhe, über uns spannte sich ein knallblauer Himmel. »Wo?«, fragte ich. »Und was ist Rey Bouba?«
»Es ist ein geheimnisvoller Ort, weit abgelegen und im Busch. Doch es ist zugleich ein wichtiger Ort.« Er verlangsamte, ohne dass ich erkennen konnte, an was er sich eigentlich orientierte.
Auf einmal stand eine Frau auf der Straße. Sie war hager, und sie trug traditionelle Kleidung; auf der rechten Schulter hatte sie einen Sack. Sie hob die Hand, und der Fahrer bremste ab. Er hielt direkt neben der Frau an.
Weitere Frauen kamen aus dem Wald. Ich erkannte weder, wo ein Weg anfing, noch eine Stelle, an der man erkennen konnte, dass hier so etwas wie eine Bushaltestelle war.
»Rey Bouba ist eine alte Residenzstadt«, sagte der Fahrer. »Man kommt nicht mit dem Bus dorthin, und die Straßen sind extrem schlecht. Früher war Rey Bouba richtig wichtig, heute ist es sehr abgelegen und geheimnisvoll; kein Europäer reist dahin.«
Während er ausstieg, um das Gepäck zu verstauen, dass die Frauen mit sich führten, fischte ich den Reiseführer aus meinem kleinen Rucksack, den ich auf dem Schoß hatte. Der schwere Seesack lag auf dem Dach des Busses, gut verstaut zwischen den Transportgegenständen meiner Mitreisenden.
Laut den Angaben des Reiseführers war die Siedlung gut hundert Kilometer von der Hauptstraße weg, und es gab keinen öffentlichen Verkehr, der dorthin führte. Die Frauen hatten also hundert Kilometer durchs Buschland zurückgelegt, um nun mit dem Bus weiterfahren zu können.
Ich verstaute den Reiseführer wieder im Rucksack und sah zu, wie das Gepäck verladen wurde. Nur zwei Frauen fuhren mit, sie quetschten sich in den ziemlich vollen Bus und fanden tatsächlich noch einen Platz. Die anderen blieben am Straßenrand stehen. Gesprochen wurde kein Wort, man verständigte sich offenbar wortlos.
Der Fahrer kam wieder zu seiner Seite und klopfte aufs Dach seines Busses. »En dilla«, befahl er, der Begriff in Fulfulbe, den ich mittlerweile als sehr wichtig empfand und den man beim Busfahren im nördlichen Kamerun einfach kennen musste.
Er grinste mich an. »Geheimnisvoll«, sagte er. Er startete seinen Bus und ließ ihn langsam rollen.
Als ich zur Seite blickte, waren die anderen Frauen nicht mehr zu sehen. Sie waren zwischen den Bäumen und Büschen verschwunden, als hätte es sie nicht gegeben. Und wieder erkannte ich keine Markierung, die darauf hingewiesen hätte, dass es hier einen Haltepunkt für Busse gab.
Geheimnisvoll, dachte ich und setzte mich aufrecht hin. Es gab noch genügend zu sehen im nördlichen Kamerun in diesem November 1999.
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