Ich wurde wach, weil ich pinkeln musste. Einige Sekunden lang blieb ich liegen, starrte mit geöffneten Augen gegen die Decke des Zeltes über mir und versuchte mich zu orientieren. Von draußen drangen die Geräusche des Waldes herein: Blätter rauschten im sanften Wild, Äste knackten, weil sich Tiere bewegten.
Mit einem Schwung setzte ich mich auf und brachte die Füße auf den Holzboden. Das Feldbett war erstaunlich bequem, ich hatte gut geschlafen. Und ich machte mir klar, wo ich mich aufhielt. »Ich bin in Sambia«, redete ich mir zu, »im South Luangwa Nationalpark.«
Vorsichtig verließ ich mein Zelt. Mehrere dieser Zelte standen in einer Reihe. Damit kein Viehzeugs in die einfachen Übernachtungsmöglichkeiten kam, hatte man sie auf Plattformen aus Holz errichtet. Ich hatte als einziger ein Zelt für mich; die anderen drei Zelte waren von fünf Frauen und einem Mann belegt. Mehr Touristen gab es in diesem Camp nicht.
Ich wusste, in welche Richtung ich zu gehen hatte. Am Vorabend hatte uns Freddie eingewiesen. »Ihr müsst nachts keine Angst haben, auf die Toilette zu gehen«, hatte er uns eingeschärft. »Weder Löwen noch Leoparden werden euch etwas tun. Ihr müsst nur vor den Flusspferden aufpassen, die sind gefährlich.«
Das Licht an der Toilette war an, und ich wusste, dass ein Mann mit Gewehr auf Streife war. Ich fand meinen Weg zur Toilette und wieder zurück, ohne dass ich eine unangenehme Begegnung hatte. Die Luft war angenehm; es roch nach Wild und Moder, nach allerlei Pflanzen, die ich nicht einordnen konnte.
Und ich empfand mich als hellwach. Mir war klar, dass ich nicht mehr einschlafen konnte. Also nahm ich mir den Schemel, der in meinem Zelt zur Verfügung stand, und setzte mich vor den Eingang. Gespannt lauschte ich auf die Geräusche des Urwaldes um mich herum und spähte in die Dunkelheit. Es war vergleichsweise kühl, der sanfte Wind brachte wechselnde Gerüche aus dem Wald mit sich.
Ich musste nicht lange warten, keine halbe Stunde. Langsam kroch die Dämmerung über den Wald, dann wurde es hell. Kurz nach fünf Uhr morgens schien die Sonne auf den Fluss herunter, der vielleicht zwanzig Meter träge vor meinen Augen dahinfloss. Noch waren keine Flusspferde zu sehen, die ihn ansonsten bevölkerten. Vielleicht schliefen sie, vielleicht trieben sie sich im Dickicht herum.
Dann aber erkannte ich, warum es die Flusspferde vorzogen, nicht an ihre liebste Stelle im Fluss zu kommen: Die Elefanten kamen. Sie zogen durch das Strauchwerk rechts von meinem Zelt, keine dreißig Meter von mir entfernt. Der Boden vibrierte, die Bäume wackelten, Vögel stimmten ein lautes Kreischen an.
Es waren vielleicht zwei Dutzend Elefanten aller Größen und Altersstufen. Ich nahm ihren Geruch wahr, und ich sah fasziniert zu, wie sie durch den Fluss gingen. In der Mitte des Gewässers hielten sie an, einige tranken. Die kleinen Elefanten sahen nur noch mit Mühe aus dem Wasser heraus. Ein großer Elefant hielt seinen Rüssel in die Höhe und trötete.
»Der grüßt den neuen Tag«, murmelte ich. Gebannt blieb ich auf einem Schemel sitzen und blickte auf die Elefanten. Auch als sie schon verschwunden waren, starrte ich weiter in diese Richtung.
Es war November 2001, ich erlebte meinen ersten Morgen in diesem Nationalpark, und ich liebte das Camp und seine Tiere schon jetzt.
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