Ich saß ein wenig unbequem, fühlte mich aber richtig gut. Meinen Rücken drückte ich gegen die Lehne einer hölzernen Bank, meine Beine streckte ich aus. Der Wind war kühl, aber die Sonne strahlte so grell, dass ich meine Mütze immer in die Stirn drückte, um genügend Schatten zu haben. Wollte ich mit meinem Notebook schreiben, musste ich mich entsprechend setzen, um direktes Licht auf den Bildschirm zu vermeiden.
Vor mir erstreckte sich die Hafenrundung von Cala Rajada, dahinter kam die Uferpromenade, die sich nach Süden erstreckte. Wie weit es bis zu dem Hotel war, in das ich mich einquartiert hatte, wusste ich nicht, zwei Kilometer, vielleicht auch drei. Die Küste verschwamm vor meinen Augen, irgendwo vor mir musste sich aber das Hotel erheben.
Das fand ich ansprechend. Ich schrieb, ließ die gelassene Stimmung der fast menschenleeren Kleinstadt auf mich wirken und notierte die Dinge, die mir beim Spaziergang eingefallen waren. Körperliche Bewegung setzte zuverlässig mein Hirn in Bewegung, das hatte ich im Verlauf der Jahre herausgefunden. Wenn ich zwei Kilometer spaziert war, musste ich die Ideen, die ich im Kopf gewälzt hatte, unbedingt aufschreiben, damit ich sie nicht gleich vergaß.
Dass sich ein Mann neben mich stellte, registrierte ich nicht gleich. Er stand auf einmal neben der Bank, die ich allein belegte, und sah auf den Hafen hinunter. Warum setzte er sich nicht einfach auf die Mauer, die aus unbehauenen Steinen errichtet worden war und dem Hafen einen »urigen« Eindruck verlieh? Dort hätte er mich nicht verwirrt.
»Guten Tag«, sagt der Mann zu mir auf deutsch.
Ich sah zu ihm auf. »Guten Tag«, gab ich zurück. Wieso wusste er, dass ich ein Deutscher war? Zwar galt Mallorca als die »Insel der Deutschen«, aber wir schrieben Februar, und die Touristenorte waren noch weitgehend menschenleer.
»Das Buch«, sagte er. Offenbar bemerkte er meinen verwirrten Blick, und er fügte hinzu. »Ich sah das Buch hier, und daraus schloss ich, dass Sie aus Deutschland sind.«
Tatsächlich lag neben mir ein Buch: ein amerikanischer Krimi in deutscher Übersetzung. Ich hatte mich mit Rucksack, Notebook und Buch so auf der Bank ausgebreitet, dass jedem Passanten klar wurde, dass ich allein gelassen werden wollte. Anscheinend klappte das nicht immer.
Ich grinste hilflos. »Na ja, Urlaubslektüre«, gab ich zurück.
Der Mann machte einen freundlichen Eindruck. Ich schätzte ihn auf Ende fünfzig: ziemlich gebräunt, sportlich-kurze Hosen, schneeweiße Turnschuhe, ein Marken-T-Shirt, kurze graue Haare, eine Baseballkappe auf dem Kopf, einer von der Sorte, die im Urlaub viel joggten, um garantiert nicht zuzunehmen.
»Und was schreiben Sie da?«, fragte er und wies auf meinen Bildschirm. Offensichtlich hatte er Redebedarf.
»Eine Mail an meine Frau«, log ich.
»Haben Sie hier WLAN?«
»Sicher nicht. Aber hier kann ich mich sortieren und alles schön aufschreiben. Vom Hotel aus schicke ich die Mail dann ab.«
Er nickte. Meine Antwort schien ihn zu überzeugen und gleichzeitig zu befriedigen. Wir wechselten noch zwei, drei Floskeln, wünschten uns gegenseitig einen »schönen Urlaub«, und er zog ab. Mit energischem Schritt ging er in eine Seitenstraße hinein, die vom Hafen weg und zur Uferpromenade auf der anderen Seite des Ortes führte.
In Gedanken seufzte ich. Lügen mochte ich nicht. Aber ich hätte dem Mann nicht die Wahrheit sagen können. Was hätte ich denn erzählen sollen?
»Ich schreibe gerade über einen Jugendlichen, der von einem Zauberer mit dem Geist eines Wolfes belegt wird und der sich dadurch zu einer Waffe für eine verbrecherische Besatzungstruppe entwickelt.«
Es wäre die Wahrheit gewesen, aber er hätte mich entweder für verblödet oder für gefährlich gehalten.
»Manchmal wird die Welt durch eine Lüge einfach ein bisschen besser«, sagte ich zu mir selbst. Niemand war mehr in meiner Nähe, niemand würde den Satz hören.
Ich blickte in die Ferne. Die Küstenlinie verschwand im Dunst, Möwen flogen kreischend über den Hafen hinweg, es roch nach Salz und Bratenfett. Aus weiter Ferne hörte ich Straßenlärm, jemand hupte.
Dann beugte ich mich wieder über meine Tastatur. Ich musste mich ernsthaft um meinen jugendlichen Helden und seine Probleme kümmern.
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