Im Autoradio begann ein neues Stück. Ich hörte nur die einleitenden Töne, das seltsame Geplunker am Anfang – und alles war wieder da. Die Stimme im Kopf, der Sänger, die schlurfende Musik und der Geschmack im Mund. Ich sah mich wieder, wie ich über dem Waschbecken hing, und ich war in Gedanken auf dieser Party im Winter 1979/80, bei der mir so unendlich schlecht war.
Roxy Music lief, das Stück hieß »Dance Away«. Zu diesem Stück versuchten wir uns im Tanzkurs in der »Tanzschule Herrmann« in Freudenstadt am Disco-Fox, und ich stellte mich mehr schlecht als recht an. Schon damals hätte mir klar sein müssen, dass ich vielleicht mal so Dinge wie Pogo oder Slamdance einigermaßen hinbekommen würde, aber sicher keinen Disco-Fox und schon gar keinen Cha-Cha-Cha oder was wir damals sonst so lernen mussten.
Aber Roxy Music. Das war damals neu und angesagt, die Band galt als »groß« und die Musik als durchaus intellektuell und »anspruchsvoller Pop«. Es lief aber auch bei dieser Party, die einer meiner Freunde veranstaltete und zu der er den halben Tanzkurs einlud. Ich war nach einigen Bieren völlig besoffen und musste kotzen, schaffte es zwar zum Waschbecken, hinterließ dort aber eine unfassbare Sauerei, die ich nicht wegwischen konnte.
Ich war gerade mal 17 Jahre alt, glaubte zu dieser Zeit noch, ich würde einmal ein berühmter Schriftsteller werden, und träumte davon, mit meinem eigenen Fanzine große Auflagen zu erreichen. Mit der Schule hatte ich meine Probleme, und zum Erwachsenwerden zählte in diesem Winter offensichtlich dazu, möglichst schnell möglichst viel Alkohol zu trinken.
Später hatte ich einen Filmriss und wurde heimgefahren; mein Fahrrad holte ich später ab. Aber zu allem lief im Hintergrund meines Kopfes dieses »Dance Away«. So brannte sich Roxy Music bei mir ins Hirn und in die Geschmacksnerven.
Dabei ist das Stück wirklich nicht so schlecht, wie ich dann feststellte, als ich es zu Ende hörte – zum ersten Mal seit gut vierzig Jahren …
Wer wissen möchte, wie »Dance Away« von Roxy Music klingt, um nachzuvollziehen, welche Assoziation es bei mir auslöst, kann es unter anderem hier bei YouTube anhören:
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=4nT1-eE2E0M
Na da bin ich aber froh, dass ich nie eine spiessige Tanzschule besucht habe.
AntwortenLöschenEtwas, was ich in meiner.Jugend nicht erlebte.Nach drei Minuten lauter Musik hatte ich einen "Overload", Disco (auch wenn ich's gern gewollt hätte), ging nicht, Tanzschule wäre Qual gewesen. Also zog ich mich zurück Prinzip "saure Trauben". War halt Außenseiter.
AntwortenLöschenAllerdings habe ich als Flucht aus meinem notgedrungen langweiligen Alltag extrem viel gelesen - unter anderem so eine Raketenheftchenserie.