Die Wälder von Vermont müssen ganz schön düster sein, ausgedehnt und weitläufig und vor allem bewohnt von allerlei seltsamen Leuten. Zumindest bekomme ich langsam einen Eindruck dieser Region, nachdem ich zwei Romane von Castle Freeman gelesen habe, die genau dort spielen. Zuletzt hatte ich »Männer mit Erfahrung« in der Hand – und das war wieder eines der schmalen Bücher, bei denen ich gern ein Kapitel noch mal lese oder nach erfolgter Lektüre mir noch einmal den Anfang zu Gemüte führe.
Seltsame Männer verdingen sich in Vermonts Hinterwäldler-Region alsnHolzfäller oder verbringen ihre Zeit in einer alten Fabrik mit Biertrinken, Herumsitzen und Reden. In dieser Welt muss sich Lilian behaupten, eine junge Frau, die sich von einem Kerl namens Blackway bedroht fühlt. Ihren Freund hat er erfolgreich vertrieben, und jeder vernünftige Mensch rät ihr, die Gegend ebenfalls zu verlassen. Doch Lillian ist stur und gibt nicht so schnell auf.
Nachdem ihr der Sheriff klar gesagt hat, dass er ihr nicht helfen kann, fährt sie in die alte Fabrik, stellt sich einer Gruppe alter Männer und beginnt dann mit ihrem privaten Feldzug gegen Blackway. Unterstützt wird sie sie von einem jungen Arbeiter der Marke »schlicht, aber stark« und einem alten Mann. Sie stoßen in die Wälder von Vermont vor, haben eine Reihe von seltsamen Begegnungen und erleben am Ende einen knalligen Showdown.
Das klingt vergleichsweise unspektakulär, wird aber von Castle Freeman in einem grandiosen Stil geschildert. Die Dialoge sind durch die Bank lakonisch und trocken. Hier treffen keine Geistesriesen aufeinander, hier handeln einfache Leute, die auch mal die Fäuste sprechen lassen oder zu einer Schusswaffe greifen. Und die großen Wälder von Vermont sind offenbar ein ideales Gebiet für Leute, die keine Lust auf die Regeln der Zivilisation haben …
»Männer mit Erfahrung« ist ein großartiger und erfreulich schlanker Roman. Die Figuren sind durch die Bank »knorrig«, und sie verhalten sich entsprechend. Knackige Dialoge und knappe Beschreibungen herrschen vor, die sozialen Umstände in den Wäldern der Region werden gestreift, Gewalt gibt es häufig aber wird nicht übertrieben.
Ob man diesen Roman unbedingt als Thriller bezeichnen muss, wie es der Verlag tut, weiß ich nicht. Es handelt sich dabei um realitätsnahe Gegenwartsliteratur, die auf jeden Fall nichts zu tun hat mit dem häufig blutleeren und langweiligen Kram, der einem in Deutschland als sogenannte Gegenwartsliteratur verkauft wird.
Einige weitere Informationen, wenngleich nicht viel, zu »Männer mit Erfahrung« gibt es auf der Internet-Seite von Nagel & Kimche. Hier:
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