13 Januar 2021

Eine Sammlung höchst origineller Geschichten

Der Schriftsteller Jonathan Lethem ist mir seit Jahren als Autor origineller Romane bekannt, die im weiten Bereich zwischen Hochliteratur, Phantastik und Popliteratur anzusiedeln sind. Deshalb war ich sehr interessiert, als das Buch »Alan, der Glücksprinz« erschien, kauft es schnell und begann mit der Lektüre.

Um es vorwegzunehmen: Ich hatte meine Schwierigkeiten mit den neun Geschichten des Buches, bin mir nicht sicher, ob ich vielleicht einfach nur auf einem anderen Erkenntnishorizont unterwegs bin, und kann es deshalb nur eingeschränkt empfehlen. Originell in vielerlei Hinsicht ist es auf jeden Fall. Und wer allen Ernstes sagt, es gäbe keine originellen Geschichten mehr, der möge sich dieses Buch zulegen.

Lethem kriegt es in jeder seiner Geschichten hin, sie mit einem anderen Ton zu erzählen. Die Geschichte beeinflusst den Stil; nichts ist gleich, alles ist anderes, aber jeglicher Effekt hat seinen Sinn. Das führt dazu, dass man hier wirklich neun Geschichten vorfindet, die sich stark unterscheiden und die einen nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch immer in ein anderes Universum schleudern.

Meine Lieblingsgeschichte ist die von zwei Literaturfans, die bei entsprechenden Formulierungen geradezu einen Orgamus erleben: Sie reisen in einen Ort, wo sie ihren liebsten Schriftsteller überfallen wollen. Sie kennen sein Werk, sie sezieren es seit Jahren, sie erheben es zur großen Literatur. Doch die Konfrontation zwischen den Fans und dem Autor artet in ein Desaster aus.

Die wohl schrägste Geschichte ist die mit den Comic-Figuren, die auf einer Insel gestrandet sind und dort eine traurige Existenz fristen: zwischen schlechten Zeichnungen und absurden Dialogen, vergessen von der Welt und nur noch aufrecht gehalten von der eigenen Vorstellungskraft. Das ist dann auch kaum verständlich, weil der Autor ins Innere dieser Figuren geht.

Das macht er sowieso immer – und die Titelgeschichte »Alan, der Glückspilz« ist die vielleicht am leichtesten verständliche des Buches. Darin geht es um einsame Männer in New York, um Weintrinken in Bars und gemeinsame Kinobesuche, letztlich um Menschen, die nicht so richtig wissen, welche Rolle sie in ihrem eigenen Leben spielen.

Insgesamt ist »Alan, der Glückspilz« eine abwechslungsreiche Lektüre zwischen Gegenwartsliteratur und Phantastik, in einem anspruchsvollen Stil gehalten und definitiv nicht langweilig. Man muss sich halt jedes Mal aufs Neue auf die Texte einlassen …

1 Kommentar:

  1. Weitere Informationen zu »Alan, der Glückspilz« sowie ein wenig Drumherum findet sich auf der Internet-Seite von Klett-Cotta (Tropen ist heutzutage ein Imprint von Klett-Cotta):

    https://www.klett-cotta.de/buch/Gegenwartsliteratur/Alan_der_Glueckspilz/106749

    AntwortenLöschen

Leider ist es auch in diesem Blog nötig geworden, Kommentare vorher zu »filtern« und sie erst danach freizuschalten. Ich bedauere das sehr, möchte diese »Sicherungsfunktion« aber beibehalten. Dieser Blog soll keinen Menschen für Beleidigungen und anderes zur Verfügung stehen, die im Zweifelsfall tagelang online sein könnten.

Bitte habt dafür Verständnis - und nötigenfalls auch mal 24 Stunden oder länger Geduld.