28 April 2020

Reden in Zeiten der Pandemie

Wer öffentlich darüber redet, dass man Leute, die »vielleicht eh bald sterben« werden, nicht unbedingt retten müsse, redet nicht nur grob fahrlässig, sondern auch jenseits jeglicher Menschlichkeit. Ich finde manche Diskussionen in Zeiten der Corona-Pandemie hierzulande schwer auszuhalten.

Es ist meiner Ansicht nach schlimm genug, dass wir uns derzeit so stark auf Deutschland konzentrieren und maximal noch nach Amerika, Italien, Frankreich oder England schauen. Was in den Flüchtlingslagern in Griechenland oder in den Slums von Afrika passiert oder eben bald passieren dürfte, interessiert uns weniger.

Ich nehme mich da nicht aus: Mein Denken an Corona ist sehr auf mich und mein soziales Umfeld zentriert und damit eben auch auf Mitteleuropa. Dafür kann ich mich selbst durchaus tadeln. Mir ist das tatsächlich unangenehm, aber ich stelle fest, wie sich mein Denken in diesen Punkten verändert.

(Mein Spendenbereitschaft ist in den vergangenen Wochen drastisch zurückgegangen. Nicht aus Bösartigkeit, sondern wohl deshalb, weil das Hirn so blockiert ist.)

Dieses Ausklammern von Problemen in anderen Ländern ist schlimm genug, aber nachvollziehbar. Bewusst davon auszugehen, dass man hier Leute sterben lassen »muss«, ist allerdings – egal, wie vorsichtig die betreffenden Leute das formulieren – nicht diskutabel. Auch Risikopatienten und »alte Leute« haben ein Recht darauf, so alt wie möglich zu werden und das bitteschön mit Würde.

Ich bin kein Virologe, ich habe keine Ahnung vom Coronavirus, ich bin ein nur indirekt Betroffener wie 80 Millionen andere. Aber ich möchte in einem Land leben, in dem man Verantwortung übernimmt – auch für Menschen in hohem Alter und mit Vorerkrankungen.

Man muss für alles einen Preis bezahlen. Das ist so nun einmal im Kapitalismus. Aber der Preis für eine florierende Wirtschaft kann nicht sein, dass man – getarnt hinter schönen Sprüchen – damit anfängt, sich Gedanken darüber zu machen, ob der Preis für die Wirtschaft nicht einfach einige tausend tote Menschen sein könnten.

2 Kommentare:

  1. Christina6:55 PM

    Das Problem ist, dass hinter »der Wirtschaft« in erster Linie Menschen stecken. Viele Menschen.

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  2. Anonym9:13 AM

    Corona zeigt uns, wie verletzlich unser ganzes System ist. Und um das System zu retten, wird der soziale Wert eines Menschen gegen seine wirtschaftlichen Wert gestellt. Allerdings wird dabei übersehen, dass die Risikogruppe nicht nur alte Menschen sind, sondern z.B. auch Raucher, Asthmatiker und Diabetiker. Und um diese Menschen vor der Krankheit zu bewahren, werden die ganzen Massnahmen durchgeführt. Und trotzdem sterben auch Menschen, die noch voll im Berufsleben stehen - wie z.B. mein Hausarzt der mit 61 an einer CoVid19 Infektion gestorben ist.
    Was ist also die Alternative? Einfach alle Einschränkungen aufheben und die Krankheit laufen lassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand ernsthaft in Erwägung zieht. Spätestens wenn Kranke abgewiesen werden und dann daheim sterben wäre der Aufschrei riesig. Und was in den Entsicklungsländer geschieht wage ich mir gar nicht vorzustellen...
    Gruss Rainer, aka RaMa

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