19 November 2019

Erste Kontrolle

Aus der Serie »Dorfgeschichten«

In der Nähe des Stadtbahnhofs hielten sie uns an. Vielleicht hatten sie uns aufgelauert, vielleicht waren sie auf Streife. Die zwei Polizisten bauten sich vor uns auf, beide kräftig, beide groß, beide breit. Vor allem für zwei »Halbstarke«, wie es Fonz und ich waren.

Wir hatten je zwei Flaschen Bier gekauft, die wir in einer Tragtasche transportierten. An den Bahngleisen wollten wir sie in aller Ruhe trinken, bevor wir zur »JuZ-Disco« ins Jugendzentrum gingen. Aber das sahen die Polizisten wohl anders.

»Taschenkontrolle«, schnauzte uns einer der beiden an, ohne »guten Abend« zu sagen oder sonstwie eine Äußerung von sich zu geben, um was es bei der Kontrolle gehe. Er sah auf mich herunter, ein Mann mit Bart, der sicher schon auf die vierzig zuging.

Ich hatte mit der Polizei noch nicht viel zu tun gehabt, war gerade mal 17 Jahre alt, wusste aber bereits, dass man lieber die Klappe hielt, wenn man keinen Ärger bekommen wollte. Wortlos hob ich die Plastiktüte hoch, in der die vier Bierflaschen lagen.

Der Polizist schaute in die Tasche, schob sie dann zu mir zurück. »Alles muss aus den Hosentaschen raus!«, bellte er mich an. »Und auch als der Jacke.«

»Die hat keine Taschen«, beteuerte ich. Meine Jacke war eine Trainingsjacke, die meine Mutter in der Firma, in der sie putzte, aus dem Müll gefischt hatte. Nach zweimal Waschen war sie »wie neu« gewesen, und seither trug ich sie gern. Niemand außer mir hatte so ein abgeschabtes und billiges Ding an; das war weder schick noch »cool«, wie das neue Modewort der Popper lautete.

Der Polizist packte mich an den Schultern und schüttelte mich. Die Flaschen in der Plastiktüten schlugen laut gegeneinander. »Ich hab dich nicht nach deiner Meinung gefragt«, schnauzte er. »Mach die Taschen auf!«

Sein Kollege hatte mittlerweile Fonz befragt und kurzerhand mit den behandschuhten Händen in dessen Jacken- und Hosentaschen gegriffen. Triumphierend hob er eine kleine Pfeife in die Luft. »Ich wusste es doch«, jubelte er. »Zwei kleine Kiffer.«

»Und auch noch kleine Rebellen.« Der Polizist neben mir stieß mit dem Zeigefinger gegen das Anarchy-Zeichen, das ich mir mit Edding auf die Jacke gemalt hatte. »Kiffer und Rebellen. Und das in unserer schönen Stadt.«

Bei mir gab es nichts zu holen, bei Fonz nur eine Pfeife, in der sie keine Spur von Haschisch oder Marihuana würden, egal, wie sehr sie das Ding auskratzen würden. Sie schrieben sich unsere Namen und Adressen auf, sie beschimpften uns noch ein bisschen als »Penner« und »Halbstarke«, sie beschlagnahmten die kleine Pfeife, dann ließen sie uns laufen.

Fonz und ich blieben zurück, die Bierflaschen in der Plastiktüte waren uns immerhin geblieben. Wir waren wütend und frustriert, wir hatten gleichzeitig ein wenig Angst. Ich ahnte, dass das mit mir und der Polizei nicht unbedingt ein gutes Ende nehmen würde.


2 Kommentare:

  1. Lieber Klaus,
    eine unaufgeregte Momentaufnahme aus der Jugend eines Jugendlichen in den 80ern. Ich entdecke in dem kurzen Schnappschuss durchaus auch Momente meines Lebens wieder. Wir sahen damals so eindeutig "links" aus, dass die "Staatsmacht" uns automatisch mit Rebellentum und Kifferei in Zusammenhang brachte. Danke dafür.

    PS.: Der kleine Korrektor in mir hat in Zeile 14 ein "als" anstatt dem gemeinten "aus" entdeckt und wünscht sich im vorletzten Absatz noch das Wort "finden" nach dem Marihuana.

    Liebe Grüße
    Dirk Eickenhorst

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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