Ich war auf der Rückfahrt, wieder einmal. In Köln war ich gut weggekommen, ich hatte ausnahmsweise keinen Stau auf der Strecke nach Bonn gehabt und war im Prinzip »vor« meinem Zeitplan, was mich völlig verwirrte. In bester Laune und durchschnittlichem Reisetempo fuhr ich über die A 61 gen Süden, hörte laut Musik und genoss die Sonne, die auf die Autobahn und das umliegende Land erschien.
Dann sah ich das Schild für die Ausfahrt. Es wies auf »Mendig« hin. Nicht zum ersten Mal fuhr ich an diesem Schild vorbei und erinnerte mich an die 90er-Jahre. Damals kamen wir aber von Süden und verließen bei diesem Schild die Autobahn.
Ich erinnerte mich noch sehr gut an die weitere Fahrt: Man fuhr bis an den Ortsrand von Mendig, dann ging es rechts ab auf einen einfachen Weg, an dessen Ende ein Steinbruch kam. Man parkte sein Auto am Rand, irgendwo auf der Wiese, bezahlte den Eintritt, der nie hoch war, und erreichte das Gelände der Terl-Fete.
Und was haben wir da für geile Punk-Konzerte erlebt! Kein Weicheier-Punk, kein Emo-Geheule, keine verwöhnten Mittelstandskinder in teuren Jacken. In meiner Wahrnehmung war die Terl-Fete »echt Punk«, sowohl von den Leuten als auch von der Musik her. Die meisten Bands musste man nicht kennen, aber Anger Of Bacterias oder Circus Of Hate fand ich auf der Bühne großartig. Zu »Bullenterror« von Recharge ging dann auch prompt entsprechend heftiger Stiefel-Pogo ab.
Das war lange her, fast ein Vierteljahrhundert. Ich entschloss mich spontan, nachzuschauen, wie es denn heute auf dem Gelände aussah. Ich trug einen Anzug, was einen schönen Kontrast zur Vergangenheit bot, und fuhr mit einem BMW. In den 90er-Jahren hatte ich eine Lederjacke an und kam mit meinen Punkrockmobil an, das mich treu durch halb Europa transportierte.
Es sah alles anders aus als in meiner Erinnerung. Die Autobahnabfahrt war anders als in den 90er-Jahren, alle Straßen waren anders, ich sah nichts, was mir auch nur annäherungsweise bekannt vor. Ich fuhr nach Mendig hinein und wieder hinaus, ich eierte durch die Stadt und hielt gelegentlich an einem Ortsrand an, um vielleicht doch ein bekanntes Bild aus der Erinnerung mit der Wirklichkeit abzugleichen.
Nach einer Viertelstunde verließ ich Mendig wieder und fuhr erneut auf die Autobahn. Ich entschloss mich, die 90er-Jahre in der Vergangenheit zu lassen. Das war vorüber, und ich sollte die Konzerte auf dem Terl-Gelände so lassen, wie ich sie in meiner Erinnerung hatte: sicher verfälscht und verklärt, aber wie ein Rausch aus vergangener Zeit.
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