Es gibt Comics, da muss ich sagen: Objektiv sind sie toll, subjektiv kann ich damit dann doch nicht so viel damit anfangen. Ein wunderbares Beispiel dafür ist »Betty Boob«: eine grafisch ungewöhnliche Geschichte, die ein ernsthaftes Thema in künstlerischer und sehr origineller Weise verarbeitet.
Der Reihe nach: Betty heißt in Wirklichkeit Elisabeth. Sie hat Brustkrebs, und sie verliert während der Therapie sowohl die Haare als auch ihre linke Brust. Ihr Leben scheint am Ende zu sein: Ihr Mann verlässt sie, den Job verliert sie, die Perücke wird vom Wind verweht.
In ihrer Verzweiflung rennt Elisabeth durch die Stadt, immer auf der Jagd nach ihrer Perücke, und dabei landet sie auf einem Schiff und in einem Burlesque-Theater der besonderen Art. Dort beginnt ihr neues Leben ...
Was hier so kurz angerissen wird, erzählen Vero Cazot und Julie Rocheleau in durchaus eindrucksvoller Weise. Der Comic kommt fast ohne Worte aus, die Geschichte wird durch Bilderfolgen erklärt, die ineinander übergehen, die Raum für phantastische Ideen lassen, die ich als expressionistisch bezeichnen würde. Wie aus Elisabeth letztlich die Tänzerin Betty Boob wird, erzählen die beiden auf eine sehr interessante Art und Weise.
Es ist die Geschichte einer Frau, die sich selbst überwinden muss und sich dabei selbst findet. Sie verliert ihre Weiblichkeit und findet sie wieder – und das alles wird in einer Bildsprache erzählt, die ich für sehr eigenständig halte. Das ging auch anderen Leuten so, dieser Comic wurde mit dem französischen Buchhandelspreis für Comics ausgezeichnet.
Ich hatte dennoch meine Probleme mit der Geschichte, wobei ich feststellte, wie konservativ ich dann doch bin. Offenbar ist mir eine »normal« erzählte Geschichte lieber; ich mag es eben, wenn Bilder und Dialoge in der bekannten Reihenfolge nacheinander kommen.
»Betty Boob« verstört einen gewissermaßen. Sowohl die Sehgewohnheiten als auch die bisherigen Lesekenntnisse werden auf die Probe gestellt. (Vielleicht liegt's sogar an meinem Geschlecht, das dazu beiträgt, dass ich diese weibliche Sicht auf das Thema Brust-Operation nicht so wahrnehme wie andere.)
Langer Rede kurzer Sinn: Ich erkenne, dass ich hier einen Comic vor mir habe, der sehr gut ist. Ich gestehe aber auch, dass es nicht »meins« ist. Checkt doch einfach selbst die Leseprobe auf der Seite des Splitter-Verlages.
Der Comic-Band ist im schicken Hardcover-Kleinformat erschienen, also in der Größe eines amerikanischen Comic-Heftes. Er umfasst 184 Seiten und kostet 24,80 Euro, was völlig korrekt ist. Und wer sich für den Comic interessiert, bekommt ihn mithilfe der ISBN 978-3-96219-268-6 in jedem Comic-Laden. Mein Lieblings-Versandhändler und der Splitter-Verlag mit seinem Shop liefern ihn aber auch, man muss nicht nach Amazonien rudern, um das Buch zu bestellen.
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