Kris lachte auf, als er mich sah. »Du bist auf der Liste!«, rief er mir entgegen, während ich die Räume des Autonomen Jugendzentrums in Mannheim betrat.
»Welche Liste?«, fragte ich verwirrt. Wahrscheinlich brauchte ich erst einmal ein Bier, um mich auf das Jugendzentrum einzulassen. Eigentlich wollte ich ein Punk-Konzert besuchen und vielleicht noch ein wenig Papierkram im Infoladen kaufen.
»Es gibt eine Liste, die von der Anti-Antifa zusammengestellt worden ist«, erzählte er mir. Man habe sie in dem seltsamen Humor der örtlichen Nazigruppierungen als »Werwolf-Liste« bezeichnet. Die Namen und Adressen der politischen Gegner waren darauf verzeichnet.
»Und du bist unter den ersten fünf Namen«, fügte er grinsend hin. »Der einzige aus Karlsruhe. Alle anderen sind aus Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen.« Er stieß mir den Ellbogen in die Seite. »Wenn sie ihre Terrorliste abarbeiten, bist du weit vorne.«
Ich sah diese Liste nie mit eigenen Augen, und ich erfuhr nie, warum ausgerechnet ich auf dieser Liste an so prominenter Liste auftauchte. Der »Kamerad«, der die Liste erstellt hatte, gehörte zu den aktiven Leuten der örtlichen Naziskin-Szene. Ich kannte seinen Namen, hatte ihn aber nie getroffen. Weder körperlich und auf der Straße noch bei sonst einer Gelegenheit.
Womöglich war mein Name nur auf der Liste aufgeführt, weil ich ein Fanzine herausbrachte, in dem es vor allem um Punkrock und auch ein wenig um Politik ging. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre war es schließlich nicht so einfach, an die Daten von Menschen zu kommen wie in späteren Jahrzehnten …
Irgendwie war ich stolz darauf, dass die Nazis mich wichtig genug nahmen, um mich auf eine »Werwolf-Liste« zu setzen. Aber klammheimlich war ich froh darum, dass sie nicht meine aktuelle Adresse gelistet hatten, sondern eine, die bereits veraltet war. Lust auf glatzköpfigen Hausbesuch hatte ich nämlich keine.
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