Der Mai 1990 muss eine seltsame Zeit gewesen sein: Es wurden so viele Fanzines veröffentlicht, dass die Redaktion des »Fandom Observer« sich entschied, die Rezensionen zu den vielen Zeitschriften in ein eigenes Heft auszulagern. Also wurde das »Sonderheft Fanzine Bibliografie« veröffentlicht, immerhin zehn Seiten im A4-Format umfassend, ergänzt durch eine doppelseitige Anzeige.
Schaue ich mir die Liste durch, finde ich Fanzines, von denen ich seit vielen Jahren nichts mehr gehört habe. Ich lese aber auch Namen von Menschen, mit denen ich heute noch Kontakt habe. Deshalb ist das Durchblättern von Fanzines aus früheren Jahren auch immer eine Begegnung mit der Gegenwart.
Thomas Knip ist mit den Fan-Romanserien »Brun der Barbar« und »Harlem Rose« verzeichnet; heute ist er als Autor und Selfpublisher sehr aktiv. Mit seinem »Fandom Newsletter« sorgte Matthias Hofmann damals für Aufsehen – heute wirkt er an Magazinen wie »Alfonz« mit und ist in der Comic-Branche sehr aktiv. Guido Latz veröffentlichte das Fanzine »John West«, das im Prinzip auch ein Fan-Roman war; heute leitet er den Atlantis-Verlag.
Hermann Ritter veröffentlichte die »Hornsignale«, in den vergangenen Jahren schrieb er einige professionelle Romane für Serien, in denen ich als Redakteur tätig bin. Ob sich der Autor Rüdiger Schäfer noch gern an das Egozine »Ich« erinnert, weiß ich gar nicht – ähnliches gilt für den Autor Dirk van den Boom und sein Egozine »Le Fou«.
All diese Namen belegen: In den 80er- und 90er-Jahren boten Fanzines aller Art für viele Fans eine Möglichkeit, sich schriftstellerisch auszutoben. Aus manchen dieser Fans wurden längst professionelle Journalisten, Autoren und Verleger – und das finde ich sehr spannend.
Ja, in den 80ern und frühen 90ern gab es einen Haufen Fanzines, aber schon in den 60ern gab es da eine gewissen Breite. Ich persönlich finde es schade, dass es hier viel zu wenig Informationen gibt - zumindest im Internet finden sich nur sehr sporadische Spuren all dieser Fanzines.
AntwortenLöschenMan muss befürchten, dass sehr viele der kleinen, kurzlebigen Fanzines mit Auflange von 20 Exemplaren spurlos verschwinden. Mir ist eigentlich nur die Phantastische Bibliothek in Wetzlar bekannt, die so etwas sammelt (leider fehlt ein extern einfach zugänglicher Katalog). Hier ist auf jeden Fall ein weites Feld.
In den USA scheinen die Hefte wenigstens intensiv gesammelt zu werden, daher gibt es dort ein umfassendes Angebot im Handel; bibliographisch oder gar wissenschaftlich werden die Ausgaben dort aber auch nur sehr eingeschränkt - aber sicher umfassender als hierzulande; Ausnahme: "Science Fiction in der DDR: Fanzines" von Wolfgang Both, das würde man sich auch für den Westen wünschen, auch wenn das wohl einige Bände mehr füllen müsste.
Hundertprozentige Zustimmung. Das Archiv der Jugendkulturen sammelt ebenfalls Fanzines – allerdings steht man da vor allem auf Musik-Fanzines. Science Fiction und Fantasy werden nicht als Jugendkultur betrachtet.
AntwortenLöschenIch habe meine eigene Fanzine-Sammlung noch, allerdings ist die seit Jahrn in einem sehr chaotischen Zustand. Ich würde sagen: Gut 1000 bis 1500 sind weder katalogisiert noch einsortiert, was mich sehr stresst.
In den USA ist die Erforschung populärer Kultur einfach weiter als hierzulande. Eigentlich müsste sich ein Literatur-Museum um so etwas kümmern ...