Nach meinem langen Spaziergang setzte ich mich wieder auf den Balkon des Hotels; ich musste mich erst noch etwas ausruhen. Nach drei Stunden, die ich ununterbrochen durch die in der Hitze glühenden Straßen der Metropole spaziert war, genoss ich es einfach, auf einem alten Stuhl zu sitzen und ins Tal zu schauen.
Unter mir lag eine Ansammlung von kleinen Häusern, die schmale Straßen säumten; entlang eines Baches wucherte grünes Buschwerk. Auf der anderen Seite des flachen Tales erhoben sich die Türme der Banken, dahinter kam die eigentliche Innenstadt von Yaoundé. Den Bahnhof konnte ich von meiner Warte aus nicht sehen, er lag hinter den Häusern.
Zu meinen Füßen spielte sich ohnehin ein spannenderes Geschehen ab. Die gegenüber wohnenden Kinder, denen ich am ersten Tag beim Fußballspielen zugeschaut hatte, versuchten offenbar, ein Hühnchen zu töten. Immer wieder versuchte das Tier, den Griffen der Kinder zu entkommen. Sie ließen es einige Schritte laufen, fingen das Hühnchen dann aber unter lautem Kreischen wieder ein.
Der größere Junge hielt es fest, seine Helfer hielten es ebenfalls, und dann versuchte er, dem Tier den Hals umzudrehen. Er schaffte es nicht. Ratlos standen die Kinder im Kreis herum. Diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte das Hühnchen. Es riss sich los, rannte einige Schritte, wurde sofort eingefangen.
Diesmal war offensichtlich ein Mädchen an der Reihe; es hatte eine Machete in der Hand und fuhr damit am Hals des Hühnchens herum, das alles still mit sich geschehen ließ. Der große Junge packte das Hühnchen nun so, dass es flach auf dem Boden lag, dann stellte er seinen Fuß mit den Badeschlappen direkt auf den Kopf. Zwei kleinere Jungen hielten die Beine und die Flügel des Hühnchens fest, die anderen Kinder schauten gespannt zu, einige waren in die Hocke gegangen und richteten ihre Blicke auf das Geschehen.
Als sich das Mädchen mit der Machete am Hals des Tieres zu schaffen machte, schaute ich feige zur Seite ...
(Die Geschichte habe ich meinen Kamerun-Tagebuch entnommen, das ich im Herbst 1999 führte. Sie ist also recht authentisch. In meinem Fanzine ENPUNKT wurde sie in einer anderen Version auch einmal veröffentlicht.)
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