»Du willst doch nicht zu den Verrückten gehören?« Diesen Satz hörte ich in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren nicht nur einmal von meiner Mutter, ausgesprochen im groben Schwäbisch meines Heimatdorfes. Ihre größte Furcht war offenbar, dass ihr Sohn als »verrückt« eingestuft werden könnte.
Zum »Verrücktsein« gehörte zu jener Zeit sicher, seltsame Musik zu hören, noch seltsamere Romane zu lesen und sich mit nicht unbedingt mehrheitsfähiger Kleidung auszustaffieren. In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, wurden bürgerliche Etikette erstaunlicherweise sehr hochgehalten, gerade auch von den ärmeren Leuten.
Ich brauchte Jahre, bis ich meiner Mutter endlich eine vernünftige Antwort geben konnte: »Es sind nicht die Verrückten, die die Welt so krank machen. Die Normalen sind es, die Kriege auslösen und die Atombomben bauen.« Ich sagte es ihr nicht nur einmal, ich sagte es oft.
Irgendwann hörte sie mit dem Vorwurf auf. Vielleicht hatte sie meine Antwort überzeugt, vielleicht hatte sie auch akzeptiert, dass ich zwar »nicht normal« war, aber nicht Gefahr lief, irgendwann mit der Nadel in der Armbeuge in einer Gosse zu verrecken.
Die Aussage stimmt immer noch: Die schlimmsten Verbrecher werfen keine Steine und Flaschen, sie machen sich nicht die Hände schmutzig. Sie tragen Anzug und Krawatte, und ihre Taten fordern Millionen von Opfern, während ihnen selbst nichts passiert.
Daran sollte man – gerade auch vor Weihnachten – immer mal wieder denken ...
Sali, Klaus.
AntwortenLöschenAnmerkenswert erscheint mir an solchen Dorfgemeinschaften, dass rechter Gedankenmüll eher keine kollektive Aversionen auslöst.
Die erwähnten Anzug-Krawatten bedienen sich aber durchaus der Flaschen-Stein-Werfer. Direkt oder Indirekt.
bonté