24 Mai 2017

Über den Wert von Arbeit

In den 90er-Jahren skandierte ich bei mancher Demonstration mit großer Begeisterung den Slogan »Arbeit ist Scheiße«, die Parole der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschland. Für die meisten war das die Aussage einer »Punker-Spaßpartei« und nicht ernstzunehmen. Die meisten gingen wohl auch davon aus, dass ich selbst es nicht erstnehmen würde.

Ganz das Gegenteil ist der Fall: Zwar hatte und habe ich selbst das große Glück, eine Arbeit zu haben, die mir zu weiten Teilen echt Spaß macht und viel mit Dingen zu tun hat, die ich auch freiwillig tun würde – aber ich weiß sehr gut, dass für den größten Teil der Bevölkerung die Arbeit unerträglich ist. Man arbeitet nicht, weil man das toll findet, sondern weil man durch die Arbeit an das Geld kommt, das man halt benötigt.

Arbeit ist kein Spaßbetrieb, Arbeit ist für die meisten Menschen schlichtweg Notwendigkeit. Man braucht Arbeit, um an Geld zu kommen, und man benötigt Geld, um sich eine Wohnung, ein Bier und eine Mahlzeit leisten zu können, um mal einige Beispiele zu nennen. Damit äußere ich jetzt keine sonderlich anspruchsvolle Systemkritik, das ist eine schlichte Tatsache.

Wie dann in diesen Zeiten immer wieder die Bedeutung von Arbeit beschworen wird, verstehe ich nicht. Wenn der amerikanische Präsident vergleichsweise schlicht von »Jobs, Jobs, Jobs« brabbelt, ist das seine Sache. Wenn aber deutsche Parteien in diesem Wahljahr wieder von Gerechtigkeit faseln und davon, dass man mehr Menschen in die Arbeitswelt bringen solle, verstehe ich das nicht.

Der Gesellschaft wäre mehr geholfen, wenn die Menschen weniger arbeiten würden. 1984 demonstrierte man für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Heute klotzen Leute wie ich weit mehr als vierzig Stunden pro Woche hin, idealerweise ohne Freizeitausgleich. Das ist weder gesund noch schlau.

Aber vielleicht wäre es schlau, würden Politiker und gesellschaftliche Kräfte – auch die Gewerkschaften – endlich einsehen, dass Arbeit kein Selbstzweck ist. Man arbeitet, um Geld zu verdienen. Lieber würde man andere Dinge tun.

Ich würde ja glatt eine Partei wählen, die das auch anspricht: Nicht der Arbeit sollte die Zukunft gehören, sondern der Freizeit, dem Zusammensein mit der Familie und mit Freunden. Aber seit den großen APPD-Tagen warte ich verzweifelt auf Slogans in dieser Richtung ...

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